FORVM » Print-Ausgabe » Jahrgänge 1982 - 1995 » Jahrgang 1991 » No. 452-454

Einladung zur Beweisaufnahme

Zeit: Donnerstag, der 23. Mai 1991, 9.50 Uhr
Ort: Wien 8, Florianigasse 8, 2. Stock, Verhandlungssaal 7

Die Personen und ihre Darsteller:

Privatankläger: Dr. Jörg Haider, Landeshauptmann von Kärnten
Dessen Vertreter: Dr. Dieter Böhmdorfer, Dr. Wolfram Themmer, Rechtsanwälte
Beschuldigter: Gerhard Oberschlick, Zeitschriftenherausgeber

Dessen Verteidiger: DDr. Georg Krainer
wegen: Strafbarer Handlungen gegen die Ehre, begangen in einem Medium

Privatanklage und Anträge nach dem Mediengesetz

1. Die einschreitenden Rechtsanwälte berufen sich gemäß § 8 Abs 1 Rechtsanwaltsordnung auf die ihnen vom Privatankläger erteilte Bevollmächtigung. Der Privatankläger erklärt unwiderruflich, dem Staatsanwalt keine Verfolgungsermächtigung zu erteilen.

2. Der Beschuldigte ist alleiniger Medieninhaber der Zeitschrift „Forum“ internationale Zeitschrift für kulturelle Freiheit, politische Gleichheit und solidarische Arbeit. In der Ausgabe dieser Zeitschrift Forum vom 19. März 1991, Nummer 445-447 erschien auf Seite 24 ein mit »PS: „Trottel“ statt „Nazi“« überschriebener und mit Gerhard Oberschlick unterzeichneter Artikel, der unter anderem die nachstehenden auf den Privatankläger bezogenen Ausführungen enthielt:

Ich werde Jörg Haider erstens keinen Nazi nennen, sondern zweitens einen Trottel ...

Einleuchtend hat Peter Michael Lingens, ... mich überzeugt, daß es Jörg Haider eher nütze, wenn man ihn einen Nazi nennt. So bitte ich meine FreundInnen um Vergebung, daß ich diese Benennung schon aus so gutem Grund unterlasse.

..., ist er in meinen Augen ein Trottel.

Beweis: beiliegendes Belegexemplar der Zeitschrift „Forum“ vom 19.3.1991

3. Der Privatankläger erblickt im inkriminierten Zeitungsartikel den Tatbestand einer schwerwiegenden Beschimpfung, allenfalls den Tatbestand der üblen Nachrede, begangen in qualifizierter Öffentlichkeit durch Verbreitung in einem Medium.

Der Vorwurf, ein Trottel zu sein, ist eine überaus schwerwiegende Beschimpfung, allenfalls stellt dieser Vorwurf im konkreten Textzusammenhang auch den Vorwurf einer verächtlichen Eigenschaft dar, dies insbesondere im Zusammenhang mit den Ausführungen des Beschuldigten, er unterlasse die Benennung Nazi schon aus so gutem Grund, da es dem Privatankläger eher nützen würde, wenn man ihn einen Nazi nennt.

4. Der Privatankläger beantragt, im Strafurteil auf die Einziehung der zur Verbreitung bestimmten Medienstücke zu erkennen.

Da anzunehmen ist, daß auf Einziehung nach dem § 33 erkannt werden wird, beantragt der Privatankläger ferner die Veröffentlichung einer kurzen Mitteilung über das eingeleitete strafgerichtliche Verfahren gemäß § 37 Mediengesetz anzuordnen.

5. Der Privatankläger stellt den

Strafantrag

an die Frau Einzelrichterin bzw. den Herrn Einzelrichter:

Der Beschuldigte habe hierdurch das Vergehen der Beleidigung nach § 115 Abs 1 StGB, allenfalls das Vergehen der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 und 2 StGB begangen und wird hierfür nach § 115 Abs 1 StGB, bzw. nach § 111 Abs 2 StGB, zu bestrafen sein.

Der Privatankläger beantragt die Anberaumung einer Hauptverhandlung vor dem Landesgericht für Strafsachen Wien, die Durchführung der beantragten Beweise, Verurteilung und angemessene Bestrafung des Beschuldigten, sowie, den Beschuldigten in den Ersatz der Verfahrenskosten zu verfällen.

Wien, am 25.04.1991

Dr. Jörg Haider

Das Landesgericht für Strafsachen Wien hat in der Strafsache des Privatanklägers Landeshauptmann Dr. Jörg Haider gegen den Beschuldigten Gerhard Oberschlick wegen § 115 Abs 1 StGB den

Beschluß

gefaßt:

Der Medieninhaber der Zeitschrift „Forum“, Gerhard Oberschlick, hat in der im § 13 MedienG. vorgesehenen Weise unter der Sanktion des § 20 MedienG. spätestens in der 2. Ausgabe der Zeitschrift „Forum“ nach Zustellung dieses Beschlusses folgendes zu veröffentlichen:

Mitteilung gemäß § 37 MedienG.

Landeshauptmann Dr. Jörg Haider hat wegen des auf Seite 24 unten der Ausgabe „Forum“ vom 19. März 1991 von Gerhard Oberschlick verfaßten Kommentares mit der Überschrift »PS: „Trottel“ statt „Nazi“« eine Privatanklage wegen des Vergehens der Beleidigung nach § 115 Abs 1 StGB eingebracht. In diesem Kommentar wird Dr. Jörg Haider als Trottel bezeichnet. Beim Landesgericht für Strafsachen Wien wurde ein Strafverfahren wegen § 115 Abs 1 StGB eingeleitet.

Gegen diesen Beschluß ist das binnen 14 Tagen einzubringende Rechtsmittel der Beschwerde zulässig, dem jedoch eine aufschiebende Wirkung nicht zukommt.

Begründung

In dem im Spruch genannten Kommentar wird Dr. Haider mehrmals als Trottel bezeichnet, weil er eine bestimmte Äußerung gemacht hätte. Die Bezeichnung Trottel ist ein Schimpfwort und tatbildlich im Sinne des § 115 Abs 1 StGB. Auf Antrag des Privatanklägers war daher ein Strafverfahren gegen den Verfasser des Kommentares, Gerhard Oberschlick, einzuleiten und diesem als Medieninhaber der Zeitschrift „Forum“ die Veröffentlichung einer Mitteilung gemäß § 37 MedienG. aufzutragen.

Landesgericht für Strafsachen Wien
1082 Wien, Florianigasse 8 Abt. 9b,
am 30.4.1991
Dr. Doris Trieb

Für die Richtigkeit der Ausfertigung
der Leiter der Geschäftsabteilung:
MP (e.h.)

FORVM Nr. 451, Reprint, Wien, an Pfingsten 1991

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Erstveröffentlichung im FORVM:
Juli
1991
, Seite 12
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