1.
Ein jeder Mensch hat sei’ Kultur,dem Volk steht nur die niedre zua‚doch d bessern Leut zieht’s von Naturtrara trarazur Hochkultur!2.
So mancher hat zwar Wohnkultur,Agri-, FKKa- und Eßkultur,was fehlt zum Glücklichsein ihm nur?Trara traradie Hochkultur!3.
Seit die TVau-Reform vollbracht,hat dortamts der CVau die Macht,die Weis & Mayer beten vur:Gegrüßest seistdu, Hochkultur!4.
Am Schluß der ZiB-Kultur ’s geht furtin d Kuchl sie, er au’m Aburt,’s Kind siecht a Bibel in Frakturund sagt: „’fui gackdie Hochkultur!“5.
Ausm Zweier rinnt der Podiumschlatz:„Kultur ... Niwoh ... Volk ... Sinowatz ...“lm Einser: „Mord in Singapur“!Rrrtsch obidrahtdie Hochkultur!6.
Am schönsten, wann s im Telewischnden Wolfg’ang Kraus dazwischenmischn!Ein Mann, noch fixer als sein Jourden gunn i ihr,der Hochkultur!7.
An der Burg ein Mime spielt sich kühnbis zum Pragmatisiertwerdn hin,geht dann spaziern und hat sei’ Ruah14mal jährlichHochkultur!8.
Fünf Stund lang spieln s „Die Orestie“,die oben sind scho halbert hii,die unt ham gnua und schaun auf d Uhr —schnarch schnarch pst pstdie Hochkultur!9.
An der Burg ein Regisseur streicht keckbei einem Stück ein Stückl wegund nimmt a Million dafur —klingeling klingelingdie Hochkultur!10.
Zum Opernball‚ falls d da hingehstim Smoking, bist d glatt underdressed,Brillantenauffahrt, Volksgeglur —trare traradie Hochkultur!11.
Der Böhm, bald hundert, au’m Podest,die Abonnenten halb verwest,zweihundert Jahr die Partitur —Einsturzgefahr! —die Hochkultur!12.
Das Volk, gewohnt ein Nichts zu sein,zahlt den Betrieb, doch geht’s nicht rein,im Halbschlaf nur fragt’s ab und zua:Was isn dees,die Hochkultur?13.
Winkt wo ein Superhonorar‚fliegt fort der Philharmonikar,in Wien spieln d Substituten nur —täträ-tä-tä-tähhdie Hochkultur!14.
Aus Salzburg quetscht der Karajanzu Ostern auße, was er kann,ab Juli melkt er nach die Kuah —ein Leben fürdie Hochkultur!15.
Es scheißt der Herr von Karajanbei jedem falschen Ton sich anund wascht sein Arsch im Goldlawuaanal sein g’hörtzur Hochkultur!16.
Die Um-weg-ren-ta-bi-li-tätmacht, daß sich Salzburgs Werkl dreht,Mozart g-moll, Profit in Dur —trara traradie Hochkultur!17.
Hoch drobn in Alpbach retten sieEuropa vor der Anarchie,gern jodelt drum der Halterbuaaus vollem Kropf:Ho- Hochkultur!18.
Kaufts Aktien an der Wand, man weiß,die Wiener Schule steigt im Preis,nur beim Verkauf kriegst nix dafur —dann sitzt d halt aufder Hochkultur!19.
Die Euro-Art verkauft euch flugsfürn Arbeitsplatz ein’ schönen Fuchs‚ihr singts im Fließbandtakt dazua:Trara traradie Hochkultur!20.
Wannst ausstellst, kommt kein Fernsehn nicht,d Mäzen bleibn z’haus, nirgndst ein Bericht,nur d Galerie schickt was: d Faktur —Hochachtungsvolldie Hochkultur!21.
Wer kommtn nachn Wotruba?D Professer schrein: „Kein Hrdlicka!Gibt’s kein’ mit kleinerer Statur?“Dreikäsehochvorschlagund Hochkultur!22.
Vor lahmen Kindlein, Herr, verschonden Wotru-bi-ba-bo-Beton,sonst litte, bitte, die Kontur! [1]Versehrt mir nichtdie Hochkultur!23.
Buchautor bitt’ um Bucheinsicht,Verleger sagt: „Das spiel m’r nicht,fünfhundert — und wir sind à jour!“Ein Buckerl vorder Hochkultur!24.
Wer wart’ aufn neu’sten Lyrikband?Acht Käufer und des Dichters Tant!Der Rest: A Bunzl-Biach-Fuhr —tandaradeidie Hochkultur!25.
Professer werdn ... Es tribelliertso mancher, bis er’s endlich wird.Jetzt g’hört der goldene Hamurvom Conrads aazur Hochkultur!26.
Geht es um Kunst im Parlament,hat’s Hohe Haus sich gschwind verrennt,drei Mann als Plenum preisen stur —trara trara die Hochkultur!27.
Ein Minister lad’t n Biermann ein,drauf fangen d Sumper an zu schrein: [2]A Kummerl und a Jud dazua —pfui nieder! Hochdie Hochkultur!28.
Aus Musils Buch sog Kreisky Kraft,jetzt hat er jede Eigenschaftvon jener großen Hauptfigur [3] —trara trarader Hochkultur!29.
Symposium, Festspiel, kalts Büfett,stets steht der Busek wo und red’t,weil ohne eahm gang in Verlur —blabla blabladie Hochkultur!30.
Kommerzialrat Bergers Welt:Göld, Weiwa, Kunst (teils ’kauft, teils g’hehlt).VPeh-Mandat, Barockskulptur —auch d e r war fürdie Hochkultur!31.
SS-Mann Peter wiederumbracht’ keinen Juden niemals um,bracht’ vielmehr nur nach Rußlands Flur —piff paff des FührersHochkultur!32.
Der Staberl in der „Krone“ rührtim Schlamm, bis es ganz finster wird,doch hint im Blatt bricht Licht hervur —der Dichand unddie Hochkultur!33.
Mit bürgerlichem Kunstgequatschmacht die „A-Zet“ ihrn Leser matsch,der gähnt, doch hörst du kein Gemurr —uah uahhh-hdie Hochkultur!34.
Es kämmt der Nenning neuerdingsdas FORVM mehr auf mitte-links,die realistische Frisurpaßt fesch zum Gsichtder Hochkultur!35.
„Die Presse“ meld’t aus Übersee,s Kulturleben Chiles is okeh.Das bissl Foltern? A, geh zua! —ln God we trustand Hochkultur!36.
’s lobt im „Kurier“ manch käuflich Weibper Inserat den eignen Leib,der Löbl lobt hingegen nur —trara traradie Hochkultur!37.
Sie hängt am Tropf und kriegt net gnua:Der Alten hilft ka Wunderkur,drum ab ab ab in d Prosekturohne Traradie Hochkultur!
[1] Auf dem Georgenberg in Mauer steht seit dem Vorjahr die von Fritz Wotruba gebaute Kirche — eine sich formierende Pressuregroup aus Kunstsenat-‚ Kirchen-‚ Kulturjournalisten- und reaktionären Pädagogenkreisen versucht nun den Bau eines nahebei projektierten Bundesheimes für querschnittgelähmte Kinder zu hintertreiben: weil sonst die Silhouette der geschmackvollen Wotruba-Skulptur an Wirkung verlöre. Der Bund hat für die Planung des Heimes schon mehrere Millionen Schilling ausgegeben. Die Kirche ist auf einem vom Bund seinerzeit gratis abgegebenen Grundstück erbaut worden, wobei die Kirchenbauer von den Bauabsichten des Bundes wußten und damals rasch ihr Einverständnis erklärten — es ging ihnen ja nur um das bißchen Grund für ihre heiligmäßigen Kunstzwecke.
[2] Ausgeklügelte schriftliche parlamentarische Anfragen von ÖVP und FPÖ, kleiner ÖVP-Wirbelsturm bei der Erörterung des Themas im Nationalrat, hämische Glossen der unabhängigen Presse und ein Postkartenschreiber macht, mit vollem Namen und unter Angabe der Adresse „Hochschule f. Bodenkultur“, akademisch besorgt aufmerksam: „S. g. Hr. Minister! Ein Mann wie Sie sollte längst wissen, daß wir in Österreich weder Kommunisten noch Juden haben wollen. Biermann ist beides!“ (Hervorhebungen vom Kartenschreiber).
[3] „Ich bin der Meinungen ...“
Die G’stanzeln erregten 1977 die erwartbare Aufregung und mehr als die ahnbaren Folgen: Ein an seinem Nerv getroffener Maestro erklärte, keinen Fuß mehr nach Wien zu setzen und auch die Philharmoniker nur noch sonstwo zu dirigieren. Der Bundeskanzler Sinowatz fuhr eilends nach Salzburg, warf sich vor Karajan in den Staub und entschuldigte sich für seinen Mitarbeiter. Dann sorgte er dafür, dass sämtliche Akten sorgfältig an Herrmann, von dem das Kleinbühnenkonzept stammte und der auch für andere Nicht-Hochkultur-Kunst zuständig war, vorbei geleitet wurden. Hermetisch isoliert und kaltgestellt verließ Herrmann schließlich das Bundesministerium für Unterricht und Kunst, zog sich auf seinen hübschen Landsitz Samersdorf bei Deutschkreuz im mittleren Burgenland zurück, wo er sich fortan als ,Teichwirt` bezeichnete, Blumen, Karpfen und Kräuter züchtete, natürlich auch schrieb, unter anderem fürs FORVM, als dessen Beirat und geschätzter ,Onkel vom Lande`.*} G.O.
* Einmal sogar als solcher zitiert, in: G.O., Die Werte der Republik siehe den Abschnitt „frohe Feste genannt“.
Trara Trara die Hochkultur! 16. Mai 2022, 11:57, von Kurt Greussing
Gstanzl 15: Goldlawua (statt Goldlawu)
Trara Trara die Hochkultur! 24. September 2022, 12:21, von Robert Zöchling
Danke für den Hinweis — ist korrigiert.