FORVM » Print-Ausgabe » Jahrgänge 1982 - 1995 » Jahrgang 1994 » No. 487-492
Josef Zaussinger

Grenzüberschreitung

Der »genetische Fingerabdruck« spielte im Fall Unterweger eine entscheidende Rolle für die Urteilsfindung. Als gelernter Mathematiker und Experte für medikamentöse Dosis-Wirkungs-Beziehungen untersucht J.Z. die Eignung der jungen Methode zur Wahrheitsfindung.

Der genetische Fingerabdruck ist in der Geschichte der Kriminalistik eine noch junge Methode. Dabei werden biologische Spuren, also Zellmaterial enthaltende Teilchen in fester oder flüssiger Form, mit der Information der Erbmasse des möglichen Verursachers verglichen. Im Zuge eines derartigen DNA-Gutachtens werden verschiedene genetische Merkmale zweier unterschiedlicher Proben untersucht. Zu jedem Merkmal gibt es unterschiedlich viele Ausprägungen. Bei identem Genmaterial stimmen alle Merkmale in ihren Ausprägungen überein. Die Anzahl der in die Untersuchung einbezogenen Merkmale ist im Vergleich zur gesamten genetischen Information aus technischen Gründen noch verschwindend klein. Daher wird mit Hilfe statistischer Methoden versucht, der Aussage, daß zwei Vergleichsproben absolut übereinstimmen, möglichst nahe zu kommen. Diese interdisziplinäre Aufgabe wird dabei von manchen Medizinern im Alleingang bewältigt.

Eine international besetzte Kommission erarbeitete verschiedene im ›International Journal of Legal Medicine‹ veröffentlichte Empfehlungen mit dem Ziel einer einheitlichen Nomenklatur und eines einheitlichen Qualitätsstandards bei der Erstellung von DNA-Gutachten.

Das Gutachten im Fall Unterweger

Bei der Lektüre des von Prof. Dirnhofer in der Causa Unterweger erstellten Gutachtens zum Vergleich von Kopfhaaren erstaunen zumindest zwei Fakten: Im Report der DNA-Commission (Int J Leg Med (1992) 105, S. 63-64) wird festgestellt, daß die Geschlechtsunterscheidung nicht allein auf die Abwesenheit einer »Bande« zurückgeführt werden kann. Genau diese Eigenschaft benützt aber Prof. Dirnhofer für seine Entscheidung, daß das hellblonde Kopfhaar weiblich sei. Darüber hinaus gibt er als Häufigkeit des Merkmales »weiblich« 50% an. Demographische Daten weichen davon jedoch ab.

Weiters vergleicht Prof. Dirnhofer die genetische Struktur des aufgefundenen Kopfhaares mit denen der Eltern der Ermordeten und kommt zu dem Schluß, daß sich keinerlei Ausschlußkonstellation für die Elternschaft ergibt. Da nun aber Vergleichsmaterial des Opfers vorliegt, stellt sich die Frage nach der Bedeutung dieser Untersuchung. Welche Konsequenz hätte ein Ausschluß der Elternschaft nach sich gezogen? Bestanden Zweifel an der Richtigkeit des Vergleichsmaterials?

Bevor nun auf die Bedeutung der Statistik im Rahmen eines DNA-Gutachtens eingegangen wird, ein Abriß der

Causa Unterweger

  1. Ende der 80er Jahre wird in einer osteuropäischen Hauptstadt eine Gelegenheitsprostituierte ermordet.
  2. Von Ermittlungsbehörden wird die Spur eines Reisenden um die ganze Welt rekonstruiert. In einem vielleicht hundert Kilometer breiten Band beiderseits der Reiseroute werden ungeklärte Frauenmorde gesucht und gefunden. Die Tat- und die Reisezeiten werden verglichen und bei möglicher Nähe auf den rechten Stoß geordnet. Der linke Stapel wandert ins Archiv. Auf einer Weltkarte werden die Tatorte durch Fähnchen mit Angabe der Tatzeit markiert. Die Reiseroute wird durch einen Wollfaden nachgezogen. Das resultierende Bild ist für Außenstehende bestechend klar. Das Sortierkriterium wird zur unsichtbaren Klammer der aufgelisteten Verbrechen und zum stärksten Indiz.
  3. Ein Reisender benützt seinen BMW für eine Reise in eine osteuropäische Hauptstadt. Der Schäferhund sitzt am Beifahrersitz und haart. Viele Mitfahrer wechseln sich auf dem Platz neben dem Fahrer ab. Der Fahrer neigt zu übertriebener Reinlichkeit und liebt weiße Anzüge. Der Wagen wird verkauft, vom Nachbesitzer etwa ein Jahr benützt und dann an einen Schrotthändler verkauft.
  4. Zwei Jahre nach dem Mord in Prag wird der Beifahrersitz bei ebendiesem Schrotthändler gefunden. Der Rest des Fahrzeugs ist bereits verwertet. Die Arbeiter des Schrotthändlers, die das Auto zerlegt hatten, sind kaum zu finden. Sieben Haare werden auf diesem Sitz sichergestellt und weiteren Untersuchungen unterzogen.
  5. Der Gutachter untersucht zwölf genetische Merkmale und findet stets Übereinstimmung in den Ausprägungen zwischen dem am Autositz gefundenen Haar und den Haaren des Mordopfers. In der weiteren Ausführung des Gutachtens soll diese Vorgefundene Übereinstimmung in einer solchen Weise bewertet werden, daß sich eine für eine Gerichtsverhandlung geeignete Aussage ergibt.

DNA-Eigenheiten

Die DNA-Commission empfiehlt jedem Labor die Erstellung einer lokalen Kontrollgruppe, da die genetische Struktur von der Entwicklung der örtlichen Population abhängig ist. Für den Allelort DQa liegen die Unterlagen von 22 Erhebungen in verschiedenen europäischen Ländern vor. Sechs verschiedene Ausprägungen der Allele werden aufgelistet. Die Häufigkeit des Allels 1.3 schwankt zwischen 2,3% (Sardinien) und 12,7% (Spanien), dieses Allel ist also in Spanien etwa sechsmal so häufig zu finden wie in Sardinien. Im Gutachten Prof. Dirnhofer wird nun ein Haar einer Frau aus Prag mit einem auf einem Beifahrersitz in Österreich gefundenem Haar verglichen und Übereinstimmung in zwölf Merkmalen festgestellt. Die Häufigkeit der Übereinstimmung wird aufgrund der Standardgruppe — zusammengesetzt aus hundert Schweizern und Schweizerinnen — von Prof. Dirnhofer zahlenmäßig angegeben. Da bei diesem Untersuchungsauftrag weder der Fundort der genetischen Spur noch die Herkunft des Vergleichsmaterials in der unmittelbaren Umgebung des untersuchenden Labors liegt, sollte ein verantwortungsvoller Gutachter seine Vergleichsgruppe im Sinne der Absicht der DNA-Commission so auswählen, daß der Genpool von Tatort und Fundort unter Einschluß von Migranten berücksichtigt wird.

Da jede Vergleichsgruppe lediglich einen Teil der Gesamtbevölkerung darstellen kann, unterliegt die Auswahl gewissen Zufallskriterien. Das bedeutet, daß daraus gewonnene Erkenntnisse nicht im Maßstab 1: 1 auf die Gesamtbevölkerung übertragen werden können. Die Feststellung, ein gewisser Genotyp erscheint mit einer Häufigkeit von X in einer hundert Personen umfassenden und sorgfältig zusammengestellten, also repräsentativen Kontrollgruppe, berechtigt lediglich zu der Aussage, daß mit einer Sicherheit von Y% festgestellt werden kann, daß in der Gesamtbevölkerung die Häufigkeit des Auftretens dieses Genotyps X%+/-d% beträgt. Die Schwankungsbreite +/-d% wird umso kleiner, je geringer die Sicherheit der Aussage wird oder je größer die Stichprobe gewählt wird. Bei einer in der Kontrollgruppe festgestellten Häufigkeit von 35 kann mit 99,9% Sicherheit gefolgert werden, daß in der Gesamtbevölkerung die Häufigkeit zwischen 20% und 50% liegt. Für einen Angeklagten kann es jedoch wesentlich sein, ob jeder zweite oder nur jeder fünfte eine bestimmte genetische Struktur besitzt. Soll also eine Aussage über den Grad der Übereinstimmung zweier DNA-Stränge getroffen werden, ist neben Kenntnis der geeigneten Vergleichsgruppe auch die Angabe der Sicherheit der Aussage erforderlich, was jedoch häufig nicht vom medizinischen Gutachter, sondern erst von einem hinzugezogenen statistischen Betreuer beurteilt werden kann.

Sicherheit im statistischen Sinn

Die Chance, zwei Sechser hintereinander zu würfeln, steht 1:35, die Sicherheit, daß dieses Ereignis nicht eintritt, beträgt 97,22%. Die schwächste Signifikanz für die Gültigkeit von statistisch gesicherten Aussagen beträgt 95%. Aussagen auf diesem Signifikanzniveau sind also etwas schwächer als die Behauptung »Es werden bei insgesamt zwei Würfen keine zwei Sechser hintereinander gewürfelt«. Beim Mensch-ärgere-dich-nicht gelingt dies den Mitspielern jedoch regelmäßig. Vielleicht deshalb werden in der Statistik, in Abhängigkeit von der zu lösenden Aufgabe, verschiedene Signifikanzniveaus verwendet. Wesentlich für die Entscheidung der zu wählenden Sicherheit ist die auf eine Aussage folgende Konsequenz. Hemmungslos werden die meisten von uns ihre Spielfigur zwölf Felder vor dem Mitspieler auf dem Spielbrett placieren und fallweise mit der Runde von Neuem beginnen.

In ›Grundlagen der Statistik‹ (Clauß/Ebner, Verlag Harri Deutsch, Thun und Frankfurt/M., 1985) wird folgendes empfohlen: Ist es folgenschwer, eine bestimmte Nullhypothese fälschlicherweise abzulehnen, werden wir dieses Risiko möglichst klein halten, also ein hohes Signifikanzniveau wählen. Ist es dagegen folgenschwer, eine Nullhypothese fälschlich abzunehmen, empfiehlt es sich, mit geringerer Verläßlichkeit zu prüfen.

So wie blauäugige Personen wesentlich häufiger blond sind als dunkeläugige, ist es auch denkbar, daß verschiedene genetische Merkmale in einer bestimmten Paarung häufiger auftreten. Bei der Auswertung der DNA-Analyse wird jedoch davon ausgegangen, daß alle Merkmale voneinander vollkommen unabhängig sind. Die Angabe einer Wahrscheinlichkeit für das Auftreten einer bestimmten Merkmalskombination kann somit deutlich vom wahren Wert abweichen. Zur Illustration dieses möglichen Fehlers betrachte man eine Münze mit Kopf auf der Vorderseite und Adler auf der Rückseite. Wirft man diese Münze, so ist die Wahrscheinlichkeit, Kopf an der Oberseite zu sehen, gleich 1/2. Ebenso die Wahrscheinlichkeit, an der Unterseite Adler vorzufinden. Setzt man die Unabhängigkeit von Ober- und Unterseite voraus, so ergibt sich die Wahrscheinlichkeit dafür, nach dem Wurf vor sich eine Münze mit der Oberseite Kopf und der Unterseite Adler zu finden, mit 1/2 * 1/2 = 1/4, was um die Hälfte von der Wahrheit abweicht.

Die DNA-Commission empfiehlt die Testung der Daten aus der Kontrollgruppe in Hinblick auf die Gültigkeit des Hardy-Weinberg-Gleichgewichtes. Hiebei wird bei bekannter Allelhäufigkeit die Verteilung der Genotyphäufigkeit geprüft. Unter der Voraussetzung einer »idealen Population« ergibt sich die Verteilung der Genotypen eindeutig aus jener der Allele. Kann bei der Kontrollgruppe das Hardy-Weinberg-Gleichgewicht nicht nachgewiesen werden, scheint die Annahme der Unabhängigkeit zumindest problematisch. Bei der praktischen Durchführung des statistischen Tests (Chi-Quadrat-Test) scheint bei manchen Wissenschaftern eine Unsicherheit in der Auswertung zu bestehen, da z.B. in den von Edward T. Blake, D. Crim, Forensic Science Associates veröffentlichten Verteilungen der Allele auf der DQa-Position die Abhängigkeit der erwarteten Genotyphäufigkeiten voneinander nicht berücksichtigt und deshalb ein zu hoher Freiheitsgrad im Test zugelassen wird. Eine eingehende Untersuchung der Abhängig- bzw. Unabhängigkeit der genetischen Merkmale erscheint für die seriöse Erstellung von DNA-Gutachten dringend erforderlich.

Zur Beweiskraft von DNA-Gutachten
Ein fiktiver Fall

Vergewaltigung. In einer Millionenstadt überfällt der Täter eine Frau in der Dunkelheit und zwingt sie zum Geschlechtsverkehr. Viele Männer werden überprüft. Vor Gericht findet sich ein Verdächtiger. Als einziges gegen ihn sprechendes Faktum liegt ein Gutachten vor, das die Übereinstimmung seines Erbguts mit dem beim Opfer aufgefundenen Sperma bei allen untersuchten Merkmalen darlegt. Weiteres sei nicht bekannt.

Der Angeklagte kann nun einer von N=500.000 Männern aus dieser Millionenstadt sein, für den aber zufällig die Übereinstimmung besteht. Oder aber er ist der Täter und die Übereinstimmung seiner DNA mit der biologischen Spur keineswegs zufällig.
Für die Beurteilung der Schuld des Angeklagten sind nun die Wahrscheinlichkeiten für diese beiden Möglichkeiten einander gegenüberzustellen.

Markl empfiehlt hiezu in »Der Trugschluß der Staatsanwälte‹ (Quelle fehlt) folgenden Vorgang:

Der vor Gericht stehende Angeklagte kann folgende Vorgeschichten haben: Er ist schuldig und wurde mit einer Wahrscheinlichkeit von 1/500.000 zufällig aus der Population ausgewählt. Die Auffindungswahrscheinlichkeit a der biologischen Spur sei 1.

Die Wahrscheinlichkeit, daß ein unschuldiger Mann ausgewählt wird, beträgt 499.999/500.000, davon unabhängig sei die Übereinstimmungswahrscheinlichkeit ü aus dem DNA-Gutachten mit 1: 1.000.000 festgestellt. Die Gegenüberstellung der Wahrscheinlichkeiten der Schuldvariante (=1/500.000*1) und der Unschuldsvariante (499.999/500.000*1/1.000.000) liefert die Wahrscheinlichkeit für die Schuld des Angeklagten mit 2:1.

Allgemein ergibt sich für das Verhältnis Schuld:Unschuld folgender Ausdruck: (1/N*a): (N-1/N*1/Ü)=a:ü*(N-1).

Daraus ergibt sich also folgendes Phänomen: Je zufälliger ein Beweis gefunden werden kann — also je kleiner die Auffindungswahrscheinlichkeit a ist —, umso größer ist die Unschuldsvermutung. Dies führt jede Ermittlungsarbeit ad absurdum, da der nur zufällig untersuchte Gegenstand an Bedeutung verliert.

Vielleicht hilft Agatha Christie mit einem Blausäuremord weiter. Am Herd steht ein Topf, dessen Boden mit Wachs bedeckt ist. Dies wird zu einem wesentlichen Beweismittel für den Tathergang. Unter einer Wachsschicht war Blausäure gespeichert, die erst nach einer Erwärmung der darüber befindlichen Wachsschicht entweichen konnte und damit die beim Herd arbeitende Person ins Jenseits beförderte. Das Beweismittel wird nur durch Zufall als solches geortet und liefert eventuell durch Fingerabdrücke Hinweise auf den Täter. Der Unterschied zu einem anderen Topf mit einem Fingerabdruck besteht im unmittelbaren Zusammenhang zwischen Topf und Tathergang. Das Verbrechen wäre in der beschriebenen Form nicht ohne diesen Topf denkbar. Eine in der Küche gefundene biologische Spur, wie z.B. ein Haar hätte keinen direkten Zusammenhang mit der Tat. Die Empfehlung Markls ist also insofern zu korrigieren, als die Wahrscheinlichkeit der Spurhinterlassung unter Berücksichtigung des Tatherganges und nicht die Wahrscheinlichkeit der Spurauffindung zu berücksichtigen ist.

Kurz zurück zum Anlaßfall: Die Wahrscheinlichkeit, auf einem ausgebauten Autositz, auf dem vielleicht im Laufe der Zeit tausend Haare hafteten, die dann bei einigen Autoreinigungen zum Teil wieder entfernt wurden, genau das eine gesuchte Haar zu finden, ist ziemlich gering. Die Bedeutung dieser Spur läßt sich nur unter Annahme verschiedener möglicher Tathergänge beurteilen.

Noch ein Dilemma

Die Gerichtsbarkeit verfolgt bei der Verhängung von Strafen zwei Ziele. Zum einen soll dem Sühneprinzip genügt werden, zum anderen soll die Gesellschaft vor weiteren Taten geschützt werden.

Daraus entsteht folgendes Dilemma: Der Schutz der Persönlichkeitsrechte eines Angeklagten erfordert ein hohes Signifikanzniveau. Die Wahrheitsfindung sollte möglichst zweifelsfrei erfolgen. Dem Schutz der Gesellschaft könnte bereits die Möglichkeit der Täterschaft — also ein mit geringer Sicherheit behaftetes, vorliegendes Faktum — genügen, um eine Verurteilung zu begehren.

Einen Ausweg aus diesem Dilemma der Wahl der Sicherheit bringt die Abschätzung des Risikos für die Mitglieder der Gesellschaft. Der Angeklagte ist ja als Teil der Gesellschaft zu betrachten. Der Einzelne kann Opfer eines Gewaltverbrechens, bei dem der Täter beinahe spurlos verschwindet, werden oder aber er kann Opfer einer Justizmaschinerie werden, indem eine biologische Spur auf die Möglichkeit seiner Täterschaft hinweist. Stellt man nun diese beiden Übel einander gegenüber, sollte eine Risikominimierung für die gesamte Gesellschaft und damit für jeden einzelnen das Entscheidungskriterium darstellen.

In einer Gesellschaft mit Todesstrafe wird es der betroffenen Person im Allgemeinen gleichgültig sein, ob sie von einem Mörder oder von einem Scharfrichter getötet wird, denn es ist gleich schlimm, Opfer eines Verbrechens oder Opfer der Justiz zu werden. Eine »harmonische Rechtssicherheit« wird das Gesamtrisiko aus beiden Schicksalsvarianten möglichst niedrig halten. (Eine geringere Strafe für das gleiche Delikt könnte eine Verurteilung mit geringerer Absicherung zur Folge haben, da die »Kosten« für den einzelnen geringer sind als der Tod.)

In einer abgeschlossenen Bevölkerung mit N Personen wird ein Mordfall, bei dem — abgesehen von n verschiedenen biologischen Spuren — kein Hinweis auf den Täter vorliegt, untersucht. Die Ermittlungsbehörden tappen im Dunkeln. N1 Personen werden während der Untersuchung ausgewählt und einem Vergleich mit den verschiedenen biologischen Spuren unterzogen. Die Übereinstimmungswahrscheinlichkeit der DNA-Analysen betrage jeweils ü. Die Wahrscheinlichkeit, sich unter den der Ermittlung unterzogenen Personen zu befinden, beträgt N1/N. Die Chance der Übereinstimmung mit irgendeiner der n unterschiedlichen Spuren ergibt sich mit ü*n. Die Chance, vor Gericht als Angeklagter zu erscheinen müssen, beträgt also ü*n*N1/N. Daraus ergibt sich also, daß je mehr Spuren untersucht und je mehr Personen überprüft werden, die Wahrscheinlichkeit für jeden einzelnen steigt, derjenige zu sein, der auf der Anklagebank Platz nimmt. Das bedeutet nun aber, daß die Ermittlungsarbeit in ihrer Gesamtheit ein wesentliches Faktum darstellt, um eine Abschätzung dafür geben zu können, ob der Angeklagte als Opfer des Zufalls oder als Täter in seine Position geraten ist. Weiters ergibt sich aus intensiveren Untersuchungen auch eine größere Anzahl von Angeklagten. Es gibt ja n Personen, die in das Suchraster passen — nämlich die tatsächlichen Verursacher der Spuren und dazu noch jene, bei denen sich die Übereinstimmung zufällig ergibt. Damit wird nun die vollständige Ermittlung zu einer im Vergleich zur Gesamtbevölkerung geringen Anzahl von Verdächtigen führen. Die Ermittlung des Täters erfordert dann zusätzliche Fakten und damit zusätzlichen Aufwand. Zur Vereinfachung und Abkürzung des Verfahrens kann eine alphabetische Liste mit allen a priori Verdächtigen angelegt werden. Die Untersuchung der möglichen Täter erfolgt der Reihe nach und wird abgebrochen, sobald der erste in das Suchschema paßt. Aufgrund der ursprünglichen Reihung werden dann Personen, die im vorderen Teil der Liste zu finden sind, etwas häufiger bestraft.

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Erstveröffentlichung im FORVM:
Dezember
1994
, Seite 24
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Josef Zaussinger:

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