FORVM » Print-Ausgabe » Jahrgänge 1954 - 1967 » Jahrgang 1964 » No. 122
Jacques Hannak

Weit mehr positive Züge als heute

I.

Wenn mit der Frage nach der „Schuld“ der unmittelbare Ausbruch des Bürgerkriegs gemeint ist, so trifft die Schuld daran die Zusammenballung der Rechten. Von Schuld einer „Partei“ kann man hingegen nicht sprechen, da wahrscheinlich auch in der Christlichsozialen Partei nur eine Minderheit für Dollfuß war, aber dem außenpolitischen Druck durch Mussolini und Hitler und dem inneren Druck der Heimwehr nicht mehr gewachsen war und sich in ihr Schicksal ergab. Allerdings war es ein Schicksal von weniger katastrophalem Gehalt als das der Sozialdemokratie.

Die Sozialdemokratie war zu allen Zeiten eine demokratische Partei. Wird das aber bestritten, so steht auch für den Gegner fest, daß sie im Jahre 1934 schon aus Selbsterhaltungstrieb demokratisch sein mußte. Eine andere Chance des Überlebens gab es nicht.

Die damalige Rechte war in ihrem Führungskader faschistisch. In der Christlichsozialen Partei (siehe oben) war wahrscheinlich nur eine Minderheit faschistisch gesinnt.

II.

Die Regeneration der SPÖ und ihre über die Erste Republik hinausgehende Erstarkung wäre ohne den kämpferischen Widerstand des 12. Februar wahrscheinlich nicht erfolgt. Er bedeutet in ihrer Geschichte eine Art Bastille-Sturm, obwohl der Vergleich hinkt, weil ja am 12. Februar ihre eigene Bastille gestürmt wurde. Aber der 12. Februar atmet das gleiche Pathos wie der 14. Juli 1789. An der „damaligen Sozialdemokratie“ finde ich weit mehr positive Züge als an der heutigen Bewegung. Aber so was zu sagen, gehört sich nicht an einem Feiertag, auch wenn es ein Trauertag ist.

Da es ein vom Ausland diktiertes Geschehen war, hat die Rechte aus eigenem nur recht bescheidene positive Züge zeigen können. Beispiele: Kunschak, Ernst Karl Winter, Maleta, Matejka — also Männer, die in Opposition zu den Ereignissen standen. Vielleicht noch Schuschnigg und Miklas in den Märztagen 1938, aber da war es viel zu spät.

III.

Eine Wiederholung des Februar 1934 ist höchst unwahrscheinlich, weil es keine bewaffneten Privatarmeen mehr gibt und weil die Parteien trotz allem Geraufe gelernt haben, daß es sich in der Demokratie ganz gut leben läßt. Auch die Nähe des Eisernen Vorhangs wird uns noch für lange Zeit warnen, größere Abenteuer zu riskieren.

Die beiden Regierungsparteien sind echt demokratische Parteien, auch wenn sie da oder dort von „Gewesenen“ unterwandert werden. Aktuelle Gefahr äußerst gering.

Die Frage nach den „Lehren“ beantwortet sich durch das Vorangegangene. Die Fallstricke, die sich beide Parteien mit ihrem Techtlmechtl zur dritten Partei geschaffen haben, sollten allerdings so rasch wie möglich zerrissen werden.

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Erstveröffentlichung im FORVM:
Februar
1964
, Seite 77
Autor/inn/en:

Jacques Hannak:

Dr. Jacques Hannak, geboren 1892 in Wien, ist Redakteur der „Arbeiter-Zeitung" und hat eine Reihe von Büchern geschrieben, von denen die Geschichte der Sozialistischen Partei Österreichs, „Im Sturm eines Jahrhunderts“, das wichtigste ist. Daneben gilt seine literarische Tätigkeit seinem Hobby, dem Schachspiel. Die Standardbiographien der beiden Großmeister Steinitz und Lasker stammen von ihm.

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