FORVM » Print-Ausgabe » Jahrgänge 1968 - 1981 » Jahrgang 1971 » No. 210/I/II
Adalbert Krims

Aktionsgemeinschaft NDP-FPÖ-ÖVP

Ergebnis der Alternativdienst-Enquête

Am 24. März 1971 fand auf Einladung des Bundeskanzlers eine Enquête zum Thema „Alternativdienst“ statt (siehe NF März/April, S. 43). Ein von dieser Enquête eingesetzter Arbeitsausschuß sollte Grundlagen für die Regierung zur Schaffung eines Alternativdienstgesetzes ausarbeiten. Am 30. April beendete dieser Ausschuß seine Arbeiten. Das Ergebnis, 2 Konzepte für einen zukünftigen Alternativdienst, wurde am 6. Mai vom Österreichischen Bundesjugendring dem Bundeskanzler übermittelt (Wortlaut hinter diesem Artikel).

Jene Gruppe, die in der Bundesheerreformkommission noch prinzipiell gegen jeden Alternativdienst auftrat und die Wehrdienstverweigerer als „psychisch Untaugliche“ bezeichnete, stellte sich diesmal mit einem Konzept „Verteidigungshilfsdienst“ (VHD) vor. Darunter seien alle Dienste im Rahmen der Landesverteidigung zu verstehen, die nicht mit der Waffe abgeleistet werden. Dieser VHD soll im Rahmen des Gesamtkomplexes einer Reform der Landesverteidigung eingerichtet werden, für die das von der „Aktion Landesverteidigung“ ausgearbeitete Bundesverfassungsgesetz Gültigkeit haben soll. Der VHD umfaßt: alle bestehenden Bereiche der umfassenden Landesverteidigung, Sanitätsdienste, Luftschutzdienste, Arbeiten im Zivilschutzverband, Alarmdienste, Katastropherhilfe, Brandschutzdienste, ABC-Dienste. Wer einen VHD leisten will, muß aus Gewissensgründen den Wehrdienst ablehnen und dies vor einer Kommission glaubhaft machen.

Ziel des VHD als Teil der Landesverteidigung ist die Verstärkung der Verteidigungskraft. Das Bundesheer soll daher von Diensten, die nicht unmittelbar militärisch sind, befreit werden (z.B. Katastrophenhilfe). Damit der VHD wirklich in die Landesverteidigung und deren Ideologie integriert wird, sind Einführungskurse vorgesehen, in denen Verteidigungspolitik und ähnliches gelehrt wird. Außerdem soll der VHD in Struktur, Disziplinarrecht usw. dem Bundesheer angeglichen werden. Der Grundgedanke ist klar: Wenn man dem Staatsbürger schon den Luxus eines Gewissens zubilligt, soll seine Entscheidung wenigstens indirekt der Erhöhung der Verteidigungskraft dienen. Wer aus Gewissensgründen einen Dienst im Militär ablehnt, muß daher dieses Militär stärken, indem er Hilfsdienste leistet.

Dieses Konzept wird von den freiheitlichen Jugend-, Studenten- und Akademikerorganisationen (inkl. Schlagende Verbindungen, Turnerbund usw.), aber auch von der Studentengruppe des Akademikerbundes und der CV-Rudolfina, also zwei ÖVP-nahen Organisationen, unterstützt. Der Mittelschüler-Kartellverband (MKV) hat zwar an der Erarbeitung des Konzeptes mitgewirkt, wird es aber nicht vollinhaltlich vertreten. Auch die offizielle Jugendorganisation der ÖVP, die Österreichische Jugendbewegung (ÖJB) sympathisiert mit dem Konzept und lehnt jeden Alternativdienst außerhalb der Landesverteidigung ab. Ein Hauptsprecher für den VHD im Rahmen des Arbeitsausschusses war übrigens der Anführer des NDP-Störtrupps beim Kongreß „Jugend gegen Kriegsdienst“, Stabswachtmeister Werner Zofal (Maria-Theresien-Kaserne), der für die „Arbeitsgruppe Recht und Freiheit“ auftrat. (Vgl. die Dokumentation „Möada!“ und Michael Siegert, „Andreas Hofer, Du bist nicht tot“ im NF April/Mai, S. 45-52.) Die Aktionsgemeinschaft von NDP-, FPÖ- und ÖVP-Organisationen im Rahmen der „Alternativdienst-Enquête“ bot jedenfalls eindrucksvolle Zukunftsperspektiven für die österreichische Demokratie.

Ein zweites Konzept basiert im wesentlichen auf Vorschlägen des „Arbeitsforums für soziale Fragen“ (Wortlaut NF März/April, S. 44f.; Sprecher: Pastor Helmut Nausner und Pfarrer Ernst Gläser), des SP-Abgeordneten Peter Schieder und der Mehrheit der im Bundesjugendring vertretenen Organisationen (Sprecher: Karl Schinko, Vorsitzender des ÖBJR). Dieses Konzept spricht von „zivilen Friedensdiensten“, die auf jeden Fall außerhalb der umfassenden Landesverteidigung möglich sein müssen. Zivile Friedensdienste sind Dienste, die friedlose Strukturen erkennen und verändern, Konfliktsursachen abbauen und dem Gemeinwohl dienen.

Dieses Konzept vertreten sowohl die katholische und evangelische Jugend als auch die Gewerkschaftsjugend und die Jugendorganisation der SPÖ. Auch den Gegnern des österreichischen Bundesheeres (VSM, VSSTÖ, FÖJ, IDK ...) erschienen diese Vorschläge als noch akzeptabel, so daß sie zugunsten dieses Konzeptes auf die Vorlage eines eigenen verzichtet haben.

Die Bundesregierung wird nun zu entscheiden haben, ob sie die Vorstellungen des demokratisch denkenden Teils der österreichischen Jugend in ihre Regierungsvorlage über ein Alternativdienstgesetz übernehmen will. Sicher wäre in diesem Falle allerdings, daß sie damit im gegenwärtigen Parlament nicht durchkommen würde.

An Kreisky liegt es nun, ob die sich sozialistisch nennende Minderheitsregierung den Mut aufbringt, sich von einer NDP-FPÖ-OVP-Koalition stürzen zu lassen und die Vertrauensfrage an die österreichische Bevölkerung zu stellen.

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Erstveröffentlichung im FORVM:
Mai
1971
, Seite 47
Autor/inn/en:

Adalbert Krims:

Geboren 1948 in Freistadt, Oberösterreich. Ehemals katholischer Religionslehrer und Diözesanjugendführer in Linz, Angestellter des Wiener Instituts für Entwicklungsfragen, Sekretär der Paulusgesellschaft‚ Mitbegründer der Aktion Kritisches Christentum, ab 1970 Redakteur des FORVM und Obmann des Vereins der Redakteure und Angestellten des NEUEN FORVMs.

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