FORVM » Print-Ausgabe » Jahrgänge 1968 - 1981 » Jahrgang 1968 » No. 174-175
Bruno Marek

Worte des Bürgermeisters Marek

Interview im Österreichischen Rundfunk, 1. Mai 1968, wörtliche Mitschrift
Dr. Bock: Guten Abend, Herr Bürgermeister! Herr Bürgermeister, wir hätten Sie gebeten um eine Stellungnahme zu den heute nachmittag stattgefundenen Demonstrationen, ungefähr um 15 Uhr vor dem Wiener Rathaus, wo Sie dann selbst ja auch das Wort ergriffen haben.

Bürgermeister Marek: Nicht einmal, sondern mehrmals. Als Bürgermeister habe ich die Bundesländer gebeten, als Zeichen des Föderalismus und der Verbundenheit uns ihre besten Trachtenkapellen und Knappenkapellen nach Wien zu entsenden. Das ist geschehen, und ich habe die Wienerinnen und Wiener eingeladen, an dem nachmittägigen Musikfestspiel teilzunehmen, so darf ich das bezeichnen.

Eine halbe Stunde vor dem angesetzten Beginn bin ich zum Rathaus gekommen, wurde informiert, daß einige Hundert junge Menschen sich vor der Tribüne versammelt haben, mit Hilfe akustischer Hilfsmittel, mit Trichtern, mit Lautsprechern, mit verschiedenen Transparenten eingefunden haben. Ich bin sofort zum Mikrophon gegangen und habe die Wiener und Wienerinnen begrüßt und habe ihnen gedankt, daß sie der Einladung Folge geleistet haben, habe auf Zwischenrufe nicht reagiert, sondern den Standpunkt dargelegt, daß Wien, die Hauptstadt des neutralen Österreich, am Schnittpunkt verschiedener politischer und wirtschaftlicher Systeme liegend, eine Mittlerrolle hat.

Der Standpunkt der Sozialisten wurde in der vormittäglichen Kundgebung ausreichend dargelegt, heute Nachmittag wollen wir den Maientag feiern als einen Tag aller Wiener und Wienerinnen, sich erfreuen an der Musik unserer besten Kapellen, die ich ebenfalls herzlich begrüßt habe.

Ich habe sofort den Kapellmeister der auf dem Podium postierten Kapelle der Gaswerke gebeten, mit den Musikvorträgen zu beginnen, das ist geschehen. Nun war das ja organisiert. Sie haben drahtlose Geräte mitgeführt, sie sind von einer zentralen Stelle gelenkt worden, und sie wollen diskutieren.

Ich habe erklärt, ich bin ja dreimal ans Mikrophon gekommen, daß ich heute, an diesem Feiertag, wo die Wiener sich vergnügen wollen, jede Diskussion ablehne, daß ich aber mit aller Deutlichkeit gesagt habe, daß wir stolz sind, als freie Menschen auf freier Scholle zu leben, daß die Wiener Feinde sind jedes Extremismus, wo immer er kommt, und daß wir entschieden ablehnen.

Ich habe abgelehnt Diskussionen über den Beschäftigungsstand der Elin-Werke und habe den Auftrag gegeben, daß die Kapellen nunmehr ihr Programm beginnen, daß die Wiener und Wienerinnen, die auf den Rathausplatz gekommen sind, sich erfreuen und loslösen von dieser Gruppe intellektueller Nihilisten, die irgendeine Himmelsfahrt vorbereiten.

Das haben die Wiener getan. Sie sind seitwärts gegangen zu den Kapellen.

Die Polizei hat unerhört taktvoll über mein Verlangen, die Demonstranten, die gekommen sind, um unsere Feier, die eine wienerische war, sie war keine politische, zu stören, abzudrängen und dabei wurden, wie mir jetzt erst mitgeteilt wurde, sieben Polizeibeamte, die keine Gewalt angewendet haben, verletzt.

Ich werde morgen die Polizeibeamten besuchen, dem Polizeipräsidenten und seinen Beamten, den leitenden Offizieren, den Dank für die taktvolle Aktion aussprechen.

Ich habe noch den Kapellen herzlich gedankt, und ich habe ihnen gesagt, sie sollen keinen schlechten Eindruck von Wien mitbekommen, das waren keine Wiener und Wienerinnen, sondern Menschen, die haltlos im luftleeren Raum schweben, in einem seelischen Selbstmordstadium, und die gibt es halt überall. Und das sind unglückliche Menschen, die eigentlich einer nervenärztlichen Behandlung zugeführt werden sollen.

Zu dieser Behauptung komme ich, weil die sich während der Musikvorträge formiert haben zu einem Riesen-Reigen und aus mitgenommenen Coca-Cola-Flaschen — ich weiß nicht ob nur Coca-Cola-Getränke sich in diesen Flaschen befanden — Reigen getanzt haben.

Also, die Absicht war, nicht vormittag, wo Zehntausende Arbeiter aufmarschiert und ihnen gebührende Antwort für die Störungen sehr handgreiflich erteilt hätten, sondern nachmittags, wo die Frauen mit ihren Kindern, Mütter mit Kindern im Kinderwagen, alte Leute, die ein paar Stunden Freude erleben wollten, hat diese geistige Elite in Anführungszeichen gestört.

Aber die Wiener sind nicht weggegangen, sie sind bis zum Schluß geblieben, und ich bedaure außerordentlich, daß auch in Wien, in der Stadt der Toleranz und der Verständigung sich nunmehr, wenn auch zahlenmäßig geringfügig, junge Menschen verleiten lassen, das Antlitz dieser Stadt zu schänden.

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Erstveröffentlichung im FORVM:
Juni
1968
, Seite 419
Autor/inn/en:

Bruno Marek:

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