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Ökologische Linke (ökoli) Wien

Österreichs Polizisten – Mörder und ...?

In der Nacht von 2. auf 3. Mai ist ein 26-jähriger nigerianischer Asylwerber im Jungendgefängnis Rüdengasse (3. Bezirk, beim Kardinal-Nagl-Platz) unter myseriösen Umständen gestorben. ARISE IBEKWE, der als Richard Peter Weah aus Sierra Leone um Asyl in Österreich angesucht hatte, wurde am vergangenen Wochenende im Soteria-Heim in der Redtenbachasse bei einer Drogen-Razzia festgenommen und dabei nach Aussagen von Heimbewohnern gefesselt und brutal geschlagen. Danach wurde er 4 Tage lang (!) keinem Arzt vorgeführt, mit der unglaubliche Begründung der Gefängnisleitung: „Am Wochenende war eben kein Amtsarzt zu erreichen“ (zitiert im Falter laut Standard online). Drei Tage lang wurde weder die Staatsanwaltschaft noch die Öffentlichkeit über den Tod Ibekwes informiert.

Harison Ikwebe, der Bruder des Verstorbenen (Ermordeten?) ist inzwischen in Wien eingetroffen. Er wurde weder vom Innenministerium, noch von der Gefängnisleitung noch von der Polizei kontaktiert und stand anfangs unter Schock. Seine Vertretung hat der Anwalt Thomas Prader übernommen, der von Seiten offizieller Stellen ein „offensichtliches Bestreben nach Geheimhaltung“ ortet: der Staat hat gegenüber Häftlingen eine aktive Schutzpflicht. Trifft die von der Gefängsnisleitung selbst angenommene Todesursache — eine verschluckte Drogenkugel — zu, so ist Arise Ibekwe langsam und qualvoll gestorben, und sicher nicht unbemerkt. Ibekwes Mithäftling kann zu den letzten Stunden leider nichts berichten: er hatte nämlich auf Anordnung des Anstaltspsychiaters Schlafmittel verpaßt bekommen, als er aufwachte, war dieser bereits tod. (Quelle: Format, 8.5.2000) „Die Sache stinkt von vorn bis hinten“, so der Rechtsanwalt.

Eine Obduktion, die jedoch nicht von unabhängigen Ärzten durchgeführt wurde, bestätigte angeblich die These vom „Verschlucken von Drogen“, ohne jedoch herauszufinden um welche Substanz es sich gehandelt haben soll, was den Fall noch dubioser macht.

Eine Woche nach dem Tod Arise Ibekwes wurde bekannt, daß nur wenige Tage nach R. Ibekwe ein weiterer „ausländischer“ Mann in Polizeigewahrsam ums Leben gekommen ist.

Auch im Falle LUBOMIR B. aus der Slowakei sind die näheren Umstände seines plötzlichen Todes noch ungeklärt. Die Polizei behauptet auch bei Lubomir, ohne Beweise dafür vorlegen zu können, er wäre durch das Verschlucken von Drogen gestorben.

In der Nacht auf den 19. Mai kam es schließlich zum dritten Toten der neuen „Law and Order“-Politik innerhalb dreier Wochen. Imre B., ein vierundreißigjähriger Jugoslawe, der seit Jahren in Wien lebt, wurde als vermeintlicher Drogendealer von einem Polizeibeamten in seinem Auto erschossen. Die Polizei behauptet, der Schuß habe sich versehentlich gelöst, da Imre B. die Türe seines Autos öffnen wollte und dabei den Polizisten mit der Autotüre so berührte, daß sich ganz zufällig ein Schuß gelöst habe, der ganz zufällig mitten ins Herz traf und den mutmaßlichen Drogendealer sofort tötete. Im Auto des Erschossenen fanden sich nach dem Ableben Imres übrigens keinerlei Drogen, was aber an und für sich zweitrangig ist.

Am nächsten Tag sammelten sich rund hundert DemonstrantInnen spontan um gegen die Erschießung von Imre B. und den immer tödlicheren, rassistischen Polizeiterror zu protestieren. Die Demonstration wurde auf dem Weg zum Innenministerium, am Anfang der Herrengasse, von der Polizei aufgehalten. Rund 24 Personen wurden eingekesselt und von eben diesen Beamten grundlos geprügelt. Selbst die beiden herbeigeholten Nationalratsabgeordnete der Grünen konnten durch ihre Anwesenheit eine wahre Prügelorgie der Beamten, die mehrere Verletzte forderte, nicht mehr verhindern. Zwei DemonstrantInnen landeten im AKH, eine davon mit einer Gehirnerschütterung.

Den stundenlang festgehaltenen DemostrantInnen wird nun von der Staatsgewalt „Beihilfe zum Widerstand gegen die Staatsgewalt“ und „Beihilfe zu schwerer Körperverletzung“ vorgeworfen, was eindeutig darauf hindeutet, daß nun verstärkt versucht werden soll, die regierungsfeidlichen Demonstrationen mittels Polizeirepression zu beenden.

Ein etwas anders gearteter Todesfall eines Kindes einer afghanischen Flüchtlingsfamilie in Österreich wurde wiederum erst zwei Tage später bekannt. Das fünfjährige Flüchtlingskind Hamid S. befand sich mit seiner Familie in Polizeigewahrsam, als „gelinderes Mittel“ der Schubhaft wurde die Familie in einer Art lockerem Hausarrest in der Pension Wolfram in Gols untergebracht. Das schwerkranke Kind mußte von den Eltern zu einer Ärztin getragen werden, da sich die Wirtin weigerte, es mit dem Auto zu einer Ärztin oder einem Arzt zu bringen. Als sich am nächsten Tag für den älteren Bruder Hamids die Situation des Fünfjährigen so verschlechtert hatte, daß er einen Rettungsnotruf anrief, kam die Rettung einfach nicht. Das Kind wurder erneut zur Ärztin gebracht, die es schließlich sofort mit der Rettung ins Spital schickte, wo das bereits bewußtlose Kind vor dem Abtransport in die Intensivstation nach Wien starb.

In diesem Fall ist zwar nicht allein die österreichsiche Polizei schuld am Tod des Flüchtlingskindes. Volksgemeinschaftliches Zusammenspiel zwischen Pensionsbesitzerin, Rettung und Staatsgewalt, führten aber schließlich zu einer mangelnden medizinischen Versorgung, die sich in diesem Falle tödlich auswirkte.

Angesichts des massiv rassistischen Klimas in der österreichischen Polizei und Bevölkerung ist es unbedingt erforderlich, all diese Todesfälle in Polizeigewahrsam, sowie die Erschießung Imre B.s von einer unabhängigen Kommission überprüfen zu lassen – und unter keinen Umständen von der heimischen Polizei, da ansonsten diese Todesfälle ebenso folgenlos bleiben werden wie der Tod Marcus Omofumas, der vor einem Jahr bei seiner Abschiebung nach Bulgarien von österreichischen Beamten so gefesselt und geknebelt worden war, daß er daran bereits im Flugzeug verstarb.

Für uns gilt es aber auch eine menschenverachtende und rassistische Praxis des Einsperrens und Abschiebens von MigrantInnen anzuprangern, die Todesfälle wie jene von Marcus Omofuma, Arise Ibekwe, Lubomir B. oder Hamid S. erst ermöglichen.

Selbst wenn die These der Polizei vom Drogentod Arises und Lubomirs stimmen sollte, stellt ihr Tod einen Skandal dar, der erst durch die Kriminalisierung und Marginalisierung von MigrantInnen und AsylwerberInnen einerseits, und den sinn- und verantwortunglosen und Anti-Drogen-Krieg der Staatsmacht andererseits ermöglicht wird.

Es gilt für uns deshalb nicht zu spekulieren ob Arise Ibekwe, Lubomir B. oder Imre B. mit Drogen gehandelt haben oder nicht, sondern erneut festzustellen, daß es in diesem Lande (noch) keine Todesstrafe für Drogendealer gibt und vor allem kein geben darf!

Wir dürfen nicht zulassen, daß die FPÖ ihr Wahlversprechen „Keine Gnade für Drogendealer!“ so protestlos umsetzen kann.

Wir fordern deshalb weiterhin:

  • Offene Grenzen für Alle!
  • Schließung aller Gefängnisse!
  • Keine Kriminalisierung von DrogenkonsumentInnen, -produzentInnen und - händlerInnen!

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Erstveröffentlichung im FORVM:
Mai
2000
, Seite 0
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