FORVM » Print-Ausgabe » Jahrgänge 1982 - 1995 » Jahrgang 1982 » No. 337/338
Ulrike Holz-Dahrenstaedt

Gejagt von Leibwächtern & Betschwestern

Ich bin seit sechs Jahren in Innsbruck. Eigentlich komme ich aus Salzburg. Ich bin schon sehr lang beim Theater am Landhausplatz. Gegründet hat’s der Ernst Paar, und der beißt sich noch immer durch. Sonst sind bei uns immer sehr verschiedene Leut’, weil das ja kaum auszuhalten ist, dieses ständige Leben am Existenzminimum, dieser ständige Kampf! Wir sind ein Kellertheater, haben da einen eigenen Raum so für 50, 60 Sitzplätze. Das kostet aber 10.000 Schilling reine Miete pro Monat. Sehr hoch! Und mit dem Stück »Was heißt hier Liebe?« von der Roten Grütze Berlin ist es so: Wir haben’s jetzt im ganzen schon 170 mal gespielt. Wir haben vor drei Jahren damit begonnen, und konnten es in Innsbruck ein ganzes Jahr ohne Schwierigkeiten spielen — jeden Tag, en suite, außer Sonntag und Montag, und das Theater immer voll. Dazwischen haben wir schon auch andere Stücke gehabt, aber »Was heißt hier Liebe?« spielen wir halt immer wieder.

Vor allem fahren wir mit dem Stück in kleine Dörfer, was auch sehr interessant ist. Oder wir gehn auf Tournee damit; in ganz Österreich, in die Städte, aber auch in die kleinen Dörfer. Und die Reaktion ist ehrlich gesagt umwerfend, überall! Wohin wir auch kommen verteilt dieser Porno-Humer Flugzetteln und sagt, sie sollen uns mit nassen Fetzen ausm Dorf verjagen, und die Fetzen müssen nicht unbedingt sauber sein. Er hat also panische Angst um seine abendländische Kultur! Daß das, was sie mühsam in der Erziehung aufgebaut haben, in zwei Stund Theaterarbeit vor die Hunde geht ... Er fährt uns überallhin nach, immer mit Leibwächtern und Betschwestern. Große Bullen, die er anscheinend finanziell unterstützt, obwohl er selber kein Geld mehr hat und aufm Existenzminimum lebt, wie er sagt. Na ja, und die Polizei teilweise begleitet ihn. Ihn schützen die, nicht uns! Uns schützt man nicht. Ich glaub, da wärn sie froh, wenn sie uns los wären.

Und es ist überall das gleiche! Wenn’s keine gesetzlichen Mittel mehr gibt ... wie zum Beispiel: am gleichen Tag unserer Aufführung draufzukommen, daß der ÖGB-Saal, in dem wir spielen sollen, seit 25 Jahren nicht kommissioniert ist und keinen Notausgang hat, obwohl er am Tag vorher bespielt worden ist, und solche Tricks. Das war jetzt grad in Rohrbach, das ist die schwärzeste Gemeinde von ganz Oberösterreich. Dann greift man eben zu illegalen Mitteln, das heißt, psychischer Terror wird ausgeübt, auf die Veranstalter, auf den Bürgermeister. Der Pfarrer predigt von der Kanzel. Diejenigen, die uns veranstalten, werden telefonisch bedroht, daß man sie umbringt, ihnen das Haus anzündet ... Es gibt Bombendrohungen, der ganze Saal muß geräumt werden — das war in Lienz. Es gibt Plakatbeschmierungen.

Ich mein’, diese ganze Angstmache ist so beängstigend! Vor allem, wenn man sieht, wie leicht man Leuten eigentlich Angst machen kann. Und wie sehr die Leut’ gleich Angst haben, daß sie ihre Stelle verlieren oder daß ihr Gasthaus nimmer voll ist, das seh ich ja irgendwo ein. Aber grad in Mauthausen! Da ist dieser Wirt so bedroht worden, und wir waren im KZ Mauthausen, und wir haben es also kaum ausgehalten. Wenn man sieht, welche Unterstützung so ein Humer von allen Seiten, von der Kirche und von den Schwarzen und von den Braunen und selbst in den Reihen der Sozialistischen Jugend hat, ist das wahnsinnig traurig.

In Mauthausen haben wir das Stück auch wirklich gespielt, aber dann hat der Wirt uns gesagt, er kann uns nix zum Essen geben, weil er abhängig ist davon, daß die Hochzeitsleut’ und die Taufen zu ihm kommen, und wenn der Pfarrer auf der Kanzel sagt: Gehts nimmer hin!, dann macht er pleite. Das will er auch nicht. Und den haben’s zum Beispiel angerufen und gesagt, sie bringen ihm seine Kinder um, und sie zünden ihm sein Haus an.

Wir spielen überhaupt fast ständig unter Polizeischutz — die sind aber nur dazu da, um zu kontrollieren, daß die jungen Leut nicht reingehn. Weil teilweise haben wir Jugendverbot, obwohl das Stück ja wichtig ist für Dreizehn-, Vierzehn-, Fünfzehnjährige. Wenn wir vor so einem jungen Publikum spielen, was uns ja schon fast nimmer möglich ist, dann sehn wir auch die Notwendigkeit von dem Stück — nämlich an den Reaktionen von den jungen Leuten, die dann sagen: Genauso ist es! Genauso ist es richtig! Wir kriegen aber, wie gesagt, oft auch Jugendverbot, also erst ab sechzehn, wo dann die Gendarmerie kommt und sagt: Wenn das ab sechzehn ist, dann dürfen erst die rein, die schon siebzehn sind!

Wir sind jetzt schon ganz zermürbt. Wir wissen nicht, ob unser Theater sich wird halten können, aber wir sind draufgekommen, je ehrlicher und beinharter man seine Forderungen durchsetzt und sich auf gar keine Kompromisse einläßt, umso mehr Chance hat man, zu überleben. Wir haben eine Pressekonferenz gegeben und gesagt: Wir sperren zu, weil uns der Prior — das ist der Kulturobermacher vom Land Tirol — keine Subventionen mehr gibt ... der uns aber andrerseits wieder gegen viel Anfeindungen der eigenen Partei, er ist kohlrabenschwarz, irgendwie die Stange hält. Nur gibt er uns zum Beispiel Spielempfehlungen und sagt: »Spielts halt was zum Lachen! Die Welt is eh so traurig ...« Wir sind ja auf sein Geld, auf seine Subvention angewiesen.

Nur haben sich jetzt wunderbarerweise aus dem Publikum Leute gemeldet, die einen Theaterverein gründen wollen zur Erhaltung des Theaters am Landhausplatz. Das hat uns wirklich gefreut!

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Erstveröffentlichung im FORVM:
Februar
1982
, Seite 18
Autor/inn/en:

Ulrike Holz-Dahrenstaedt:

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