FŒHN » Heft 21
Markus Wilhelm

Es ist ein Gfraster

Jede Opposition in der kapitalistischen Demokratie (was so etwas wie ein zumindest dunkelgrauer Schimmel ist) hat die Aufgabe, die Regierung zu treiben. Die Opposition fordert im Interesse der großen Profiteure dieses Systems: „die Zahl der Beamten senken“, „die Repräsentationsspesen halbieren“, „die Regierungspropaganda einstellen“, „die Zahl der Ministerien und Staatssekretäre einschränken“, „das Defizit der Bundesbahnen halbieren“, „keine neuen Steuern“, „Verschwendung bekämpfen“, „mehr Sicherheit“, „Volksabstimmungen“ usw. Die Opposition muß schreien „Arbeit auf Dauer in gesunden Betrieben statt Pleiten und noch mehr Steuern“, „Besser wirtschaften statt Schulden und Verschwendung“, „Freie Bürger statt Abhängigkeit und Bevormundung’. Von wem das ist? Na, von wem schon! Von der Opposition natürlich. Hier halt von der ÖVP-Opposition 1983 (Wahlprospekt „Mit Mock. Damit es wieder aufwärts geht“). Als die ÖVP in der Regierung gebraucht wurde, kam der FPÖ diese Aufgabe zu. So ist das bei uns in Reichenberg. Haider brauchte nur da weiterzumachen. Noch in der ORF-Pressestunde Haiders im Februar 1995 forderte er: „Verkleinerung der Regierung, Kürzung aller Subventionen um 50 Prozent“, „Einstellungsstopp im öffentlichen Dienst“ usw. (Kurier, 6.2.95). Haider spielt die Rolle, die ihm zugewiesen ist. Er muß antreiben. Es ist sein Auftrag, zu drängeln. Auch seine vielgeschmähte „Dritte Republik“ ist keine Wahnsinns-Idee von Haider, sondern eine alte Hetzparole der ÖVP-Opposition von 1982. Ein Stoßtrupp ist Teil einer Armee und erfüllt in deren Auftrag bestimmte Teilaufgaben.

Die FPÖ hatte mit besonderer Hetze vorauszugehen bei der Zerschlagung der Verstaatlichten (Haider: „Verstaatlichtenchaos!“, „Verstaatlichtendesaster!“, „Verstaatlichtendebakel!“), bei der Einverleibung Österreichs in die EU (mit einem parlamentarischen Antrag 1987!), bei der Demontage der Neutralität, bei der Ausweidung des Staatsvertrages — und überall hier haben SPÖ (ÖVP) und FPÖ zusammen, nur zusammen!, ganze Arbeit geleistet. Jetzt hat Haider Dampf zu machen z.B. in Sachen Grenzschutztruppe, in Sachen Berufsheer und NATO-Beitritt. Unter Vorspiegelung eines heftigen Konfliktes über diese Fragen werden sie gemeinsam zum Ziel kommen. Ohne Stoßtrupp kommt die Armee nicht weiter. Und wenn diese nicht nachfolgt, ist er wieder nichts.

Haiders gezielte Vorstöße werden regelmäßig begleitet von wildem Geschrei der Ablehnung (ÖVP: „Instinktlosigkeit“, SPÖ: „Verantwortungslosigkeit!“). Wenn dem Vorreiter in wohlfeilen Worten vehement entgegengetreten, in den Taten aber flugs nachgefolgt wird, gehört das zur erfolgreichen Kriegsführung.

Mitunter tritt bei diesem dauernden Vorschnellen und Nachstossen, Vorauseilen und Hinterdreinplatzen ein derartiges Durcheinander ein, daß fast nicht mehr auszumachen ist, wer in dem allgemeinen Geschubse wen weitersteßt. Da kann es schon sein, daß einmal der vordere hinter den hinteren gerät. Wenn die Freiheitlichen 1995 eine „Ökosteuer“ fordern (Standard, 16.1.95), sind sie hinter die Riegler-Linie zurückgefallen. Bei der von ihnen heute geplanten „Streichung der Erbschaftsteuer“ (Standard, 16.1.95) war doch die ÖVP schon vorgestern. Was war früher, die Abspaltungs-Initiative Pro-Vorarlberg der dortigen ÖVP in den 70er Jahren oder Haiders Freistaat-Kärnten-Idee in den 80ern?

Wenn die Vorhut Haider (am Bundesparteitag der FPÖ in Innsbruck, 14.9.86) dröhnt: „Wir werden keine Österreichbeschimpfung dulden, wie sie von subventionierten Schriftstellern praktiziert wird. Ich nenne den Namen Thomas Bernhard.“ „Die FPÖ läßt unsere schöne Heimat nicht beschmutzen.“, dann trabt er hinter der Nachhut Vranitzky drein, der schon ein Jahr vorher Bernhard unterstellt hat, „sich unter Einstreifen guter Steuerschillinge die eigene Verklemmung über dieses Land vom Leib zu schreiben“. „In diesem Lager ist nicht Österreich.“ (Kleine Zeitung, 12.9.85)

Basta setzt Haider in Szene
(vgl. Bild S. 72)

Und wie ist das bei der Menschenjagd (offiziell: „Ausländerpolitik“)? Wer ist hier vorne? Wer treibt hier wen? Die Sache ist strittig. Hier steht Aussage gegen Aussage. Ich traue mir kein Urteil zu. Vranitzky sagt, Haiders „Volksbegehren“ gegen ausländische Menschen „hinkt hinter den von der Regierung beschlossenen Gesetzen nach“ (zit. nach „Zusammen „, Herbst 1992). Haider behauptet aber schon 1990: „Die Sozialisten befinden sich seit geraumer Zeit — das muß ich hier feststellen — auf den freiheitlichen Spuren in der Ausländerpolitik.“ (Zeit im Bild, 7.6.90) Der SPÖKlubsekretär indes besteht darauf: „Haider hinkt mit seiner aktionistischen Initiative der Regierung hinterher.“ (Profil, 9.11.92) Nein, sagt Haider, erst „ein halbes Jahr nach dem Volksbegehren begannen die Regierungspartelen die Linie zu ändern.“ (Haider, Die Freiheit, die ich meine) Völlig falsch, sagt Cap, die Volksbegehrens-Forderungen „sind abgeschrieben vom Programm der Regierungsparteien“ (zit. nach „Zusammen“, Herbst 1992). Ich kenn mich, ehrlich gesagt, nicht mehr aus. Ist die Forderung nach einer Höchst-Quote von 30-Prozent ausländischen Kindern in den Schulklassen ursprünglich von Haider oder von Höchtl? Hat den Slogan „Österreich zuerst“ der Klestil dem Haider oder der Haider dem Klestil nachgeplappert? „Österreich ist kein Einwanderungsland“ — hat das der Cap dem Haider oder der Haider dem Cap weggeschnappt?

Natürlich stimmt es, daß alles noch viel schlimmer wird, wenn Haider an die Regierung kommt. Aber es wird auch noch viel schlimmer, wenn die SPÖ(ÖVP) an der Regierung bleibt.

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Erstveröffentlichung im FORVM:
Dezember
1995
, Seite 17
Autor/inn/en:

Markus Wilhelm:

Geboren 1956, von Beruf Zuspitzer in Sölden im Ötztal, Mitbegründer des FŒHN (1978-1981), Wiedergründer und Herausgeber des FŒHN (1984-1998). Seit 2004 Betreiber der Website dietiwag.org (bis 2005 unter dietiwag.at), Landwirt.

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