FORVM » Print-Ausgabe » Jahrgänge 1968 - 1981 » Jahrgang 1977 » No. 282/283
Michael Siegert

Dressurakt

Alle drei, vier Jahre wirft die SPÖ eine Ladung Studenten ab. So war’s im Mai 68 und im März 71, als die SPÖ Kader für maoistische und trotzkistische Gruppenbildung freisetzte. Im März 73 begab sich die Partei ihres Mittelschülerverbandes VSM und hat seither keinen.

Wie sie das aushält? Nachwuchssorgen? Man hilft sich mit säkularisierten CVern und bekehrten „Nationalen“.

Der neueste Konflikt mit dem VSStÖ schleppt sich schon lange hin. Die Partei war böse, als am 2. Oktober 1975, vier Tage vor dem Wahltag, bei einer Anti-Franco-Demonstration in Wien Steine gegen die Fenster des Iberia-Reisebüros flogen; der knappe SP-Wahlsieg verhinderte ein größeres „Aufräumen“ bei den Parteilinken. Im April 76 großer Protest der SP-Jugendorganisationen gegen eine Wehrgesetznovelle, die Zwangsverpflichtungen zum Längerdienen enthält; Wallungen bis in die Maifeiern hinein. Am 18. Mai 76 demonstrierte die gesamte junge Linke gegen eine provokatorische Kundgebung des deutschnationalen FPÖ-Abgeordneten Scrinzi in Sachen Kärntner Minderheit vor einem Neonazipublikum in einem Universitätsgebäude. Sozialdemokraten dürfen mit Kommunisten nicht gegen Nazis zusammengehen: die SPÖ bricht am 24. Mai die Beziehungen zum VSStÖ ab (d.h. sperrt das Geld). Im Juni 76 vertieft sich der Parteiunmut, als der VSStÖ gemeinsam mit der ÖH gegen den De-facto-Lehrerstopp demonstriert — eine rein gewerkschaftliche Interessenvertretung also. Ein Signal für die SP-Gewerkschafter?

Am 7. Dezember 76 wird der Parteiboykott aufgehoben — ein Danaergeschenk, das den Verein zum Platzen bringt. Die gestellten Bedingungen werden nämlich nur vom Stamokap-Flügel akzeptiert, die linkssozialistische Fraktion („trotzkisierend“) schlägt zurück und stürzt den Vorsitzenden. Der Nachfolger wird aus der SPÖ ausgeschlossen. Anfang Februar ist die Partei wieder auf Kriegsfuß.

Die Linken beherrschen vier der sieben Universitätsprovinzen des VSStÖ (Schwerpunkt Salzburg); die Rechten — mehr oder weniger drei (Schwerpunkt Linz). Es könnte so ausgehen, daß die Linken den Vereinsnamen mit aus der Partei nehmen, wie schon geschehen anno 73 beim VSM.

Die SPÖ hat zwei Möglichkeiten: entweder sie gründet aus den ihr hörigen bzw. neu zu gründenden Studentenprovinzen einen neuen „Bund“ (BSStÖ), oder sie verzichtet auf einen eigenen Verein und hegt ihren Nachwuchs mittels eines Büros beim Zentraisekretariat. Solche „Jugendreferate“ könnten auch der SJ (Sozialistischen Jugend) blühen, wenn sie sich weiter radikalisiert. Dann hätte die SPÖ überhaupt keine Parteijugendorganisation mehr.

Ein Test: Im Juni kommt die erwähnte Wehrgesetznovelle ins Parlament ...

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Erstveröffentlichung im FORVM:
Juni
1977
, Seite 27
Autor/inn/en:

Michael Siegert:

Geboren am 12. Oktober 1939 in Reichenberg (Liberec), gestorben am 23. Oktober 2013 in Wien; studierte längere Zeit Naturwissenschaften und Geschichte an der Universität Wien; 1963 Vorsitzender der Vereinigung demokratischer Studenten; später Mitarbeiter der sozialistischen Studentenorganisation; war von 1973 bis 1982 Blattmacher des FORVM.

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