Context XXI » Print » Jahrgang 1999 » Heft 3/1999
Angelika Kartusch

Diplomatische Sklaverei

Frauenhandel in gehobenen Kreisen

Dieselben Vertreter internationaler Organisationen, die öffentlich die Menschenrechte preisen, halten sich zu Hause Sklaven.

Luis Cid, Syndicat sans frontières [1]

Immer wieder werden in Österreich Fälle publik, wo Migrantinnen in Haushalten von UN-Bediensteten und DiplomatInnen unter miserablen Arbeitsbedingungen ausgebeutet werden. Die betroffenen Frauen können sich aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation und ihres oft illegalen Aufenthaltsstatus aus diesem Abhängigkeitsverhältnis nur schwer befreien. Darüber hinaus macht es die diplomatische Immunität der ArbeitgeberInnen den Migrantinnen fast unmöglich, ihre Entgeltansprüche aus dem Dienstverhältnis durchzusetzen.

Vorab sei festgehalten, daß es keineswegs die Absicht des Artikels ist, pauschal allen DiplomatInnen unlautere Absichten zu unterstellen, sondern lediglich darauf aufmerksam zu machen, daß derartige Fälle immer wieder vorkommen [2] und die Möglichkeiten der Rechtsdurchsetzung sowohl aufgrund der wirtschaftlichen und rechtlichen Situation der Migrantinnen als auch der rechtlichen Stellung diplomatischer Bediensteter de facto aussichtslos sind.

Die Deserteurs- und Flüchtlingsberatung in Wien berichtet von der Lateinamerikanerin A, die im Mai durch eine Agentur an einen in Wien ansässigen Diplomaten zwecks Arbeit in dessen Haushalt vermittelt wurde. Der Vertrag enthielt keine näheren Bestimmungen über die Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen, vielmehr wurde A Kinderbetreuung und die Beaufsichtigung des Haushaltes in Aussicht gestellt. Sie müsse keine außergewöhnlich schwere Arbeiten verrichten. Vertraglich vereinbart wurde ein Lohn von etwa öS 5.000,— bei freier Kost und Quartier. Der Diplomat verpflichtete sich, die Vermittlungsgebühren sowie die Reisekosten für A zu tragen. Allerdings beinhaltete der Vertrag eine Klausel, gemäß der A für den Fall, daß sie das Arbeitsverhältnis vor Ablauf von drei Monaten beenden würde, die Reisekosten selbst zu bezahlen hätte. Nachdem A zu Hause ihr Hab und Gut verkauft hatte, reiste sie mit einem Visum D, [3] das für vier Monate ausgestellt worden war, nach Österreich ein. Hier angekommen, mußte A täglich bis spätabends putzen und für große Empfänge kochen. Außerdem bekam sie von ihren ArbeitgeberInnen kaum zu essen und war Beschimpfungen ausgesetzt. Nach einem Monat ergriff sie die Flucht und fand bei einer befreundeten Familie vorübergehend Unterschlupf. Ihr Arbeitgeber hatte allerdings ihre Dokumente und das Rückflugticket zurückbehalten und weigerte sich unter Hinweis auf die aufgrund ihres Vertragsrücktrittes zurückzuerstattenden Reisekosten auch, ihr den ausständigen Lohn auszubezahlen. Er bestritt A’s Anspruch auf Abgeltung der geleisteten Überstunden und behauptete vielmehr Geldansprüche gegen sie. A hat inzwischen mehrere Beratungsstellen kontaktiert. Versuche, in einem Gespräch eine gütliche Einigung zu erzielen, sind bislang gescheitert. Zwar erklärte der Diplomat schließlich, auf seine gegen A geltend gemachten „Ansprüche“ zu „verzichten“, von dem ihr zustehenden Lohn hat A jedoch bislang nichts erhalten. Wenn die Gültigkeitsdauer von A’s Visum ausläuft, befindet sie sich illegal in Österreich. Der Diplomat hat dem Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten (BMaA) ihre „Blaue Karte“, die sie zum Aufenthalt in Österreich und zur Arbeit in anderen DiplomatInnenhaushalten berechtigt, zurückgegeben.

Schicksale wie das von A stellen leider keine Einzelfälle dar. Oftmals werden Migrantinnen (es handelt sich dabei fast ausschließlich um Frauen) als Hausangestellte ausgebeutet und können sich aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation und ihres oft illegalen Aufenthaltsstatus aus dem Abhängigkeitsverhältnis, in das sie geraten sind, nur schwer befreien.

Publik geworden sind in der letzten Zeit vor allem Fälle, wo Frauen, laut BMaA vor allem Staatsangehörige der Philippinen und Sri Lankas, aber auch lateinamerikanischer Länder, in Haushalten von UN-Bediensteten und DiplomatInnen unter miserablen Arbeitsbedingungen angestellt sind. Die hier tatsächlich vorgefundenen Arbeitsbedingungen entsprechen oft keineswegs den vertraglich ausbedungenen Modalitäten. 80 Stunden harter Arbeit pro Woche bei einem monatlichen Verdienst von öS 4.500,— ohne Sozialversicherung stellen keinen Einzelfall dar. Der Lohn wird den Frauen zumeist zur Abdeckung der Reisekosten vorenthalten. Die Reisedokumente werden ihnen abgenommen, um über ein Druckmittel zu verfügen, falls die Betroffenen beabsichtigen, das ausbeuterische Arbeitsverhältnis zu beendigen. Die sogenannte „Blaue Karte“, die Legitimationskarte, die die Migrantinnen zum Aufenthalt und zur Arbeit in DiplomatInnenhaushalten in Österreich berechtigt, wird ihnen in vielen Fällen niemals ausgehändigt.

Diese Legitimationskarte wird den ArbeitgeberInnen vom BMaA für die jeweilige Dienstnehmerin ausgestellt. Sie ersetzt nach Ablauf des Visums, das bloß einen Einreisetitel darstellt, den erforderlichen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet und ermöglicht den Hausangestellten, die nicht dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) unterliegen, [4] also keiner Arbeitserlaubnis nach diesem Gesetz bedürfen, die Arbeit in Haushalten von DiplomatInnen. Da den betroffenen Frauen keine andere legale Beschäftigungsmöglichkeit offensteht, als ihre bisherige Stelle beizubehalten oder in einen anderen DiplomatInnenhaushalt überzuwechseln, wo sie ähnlich schlechte Arbeitsbedingungen riskieren, bedeutet diese auf den ersten Blick eine Erleichterung darstellende Regelung vielmehr eine Einzementierung bestehender Abhängigkeitsverhältnisse. Zwar besteht in diesen Fällen die Möglichkeit, vom Inland aus [5] eine Niederlassungsbewilligung zu beantragen, die in weiterer Folge auch die Ausübung anderer Tätigkeiten ermöglicht, jedoch unterliegt die Antragstellerin nur dann nicht der Quotenpflicht nach dem Fremdengesetz, [6] wenn sie vom Geltungsbereich des AuslBG ausgenommen ist, [7] also etwa weiterhin in einem DiplomatInnenhaushalt arbeitet. Die vorhandenen Quotenplätze sind jedoch schnell erschöpft. Darüber hinaus müssen auch die allgemeinen Voraussetzungen zur Erteilung einer Niederlassungsbewilligung vorhanden sein, also etwa der Nachweis einer ortsüblichen Unterkunft oder des gesicherten Unterhalts, [8] was angesichts der sozialen Situation der Migrantinnen äußerst schwierig ist.

Auf diese Beschäftigungsverhältnisse ist, ungeachtet der rechtlichen Stellung der DiplomatInnen, das österreichische Hausangestelltengesetz, [9] welches etwa Regelungen über die Zurverfügungstellung von Verpflegung und Wohnraum, die Fälligkeit des Entgelts, die höchstzulässige Arbeitszeit oder den Urlaubsanspruch beinhaltet, grundsätzlich anwendbar. Allerdings scheitert die Durchsetzung gesetzlicher oder vertraglicher Ansprüche der Dienstnehmerinnen in aller Regel an der Immunität der DiplomatInnen, die der nationalen Gerichtsbarkeit nicht unterliegen, wobei das Ausmaß der Immunität je nach Kategorie des diplomatischen Status variiert. [10] Die Durchsetzung der Ansprüche vor dem Arbeits- und Sozialgericht ist nur in jenen Fällen möglich, in denen infolge eines Ansuchens des BMaA die Immunität des/der Diplomaten/-in aufgehoben wird. Entscheidungsbefugt ist die betreffende Organisation (etwa der UN-Generalsekretär) oder die Botschaft bzw. das Außenministerium des jeweiligen Staates. Dies geschieht jedoch nur äußerst selten, was sich auf die oft nur mangelhaften Sprachkenntnisse sowie das in der Regel niedrige Bildungsniveau der Migrantinnen ebenso zurückführen läßt wie auf politische Erwägungen. Manche Staaten weigern sich prinzipiell, die Immunität der von ihnen entsandten DiplomatInnen aufzuheben. Zu disziplinären Sanktionen wie Versetzungen kommt es in Fällen der Ausbeutung von Hausangestellten kaum. So berichtet das BMaA von einem Fall aus dem Jahr 1998, wo zwar die Immunität eines hochrangigen UN-Angestellten nicht aufgehoben wurde, jedoch zwischen diesem und der Hausangestellten, die Ansprüche von mehr als öS 100.000,— gegen ihn geltend machte, ein außergerichtlicher Vergleich geschlossen wurde. Dies entspricht natürlich keineswegs dem Regelfall. Zumeist verhindern politische Räson und fremdenrechtliche Konsequenzen die Möglichkeit der Migrantinnen, ihre Ansprüche gegenüber den ArbeitgeberInnen durchzusetzen.

[1Zit. nach: Schönbauer, Roland, Die Unantastbaren, in: Der Standard, 15.5.1998.

[2Vgl. etwa ibidem.

[3§ 6 Abs 1 Z 4 Fremdengesetz (FrG) 1997 (BGBl I 1997/75 idF BGBl I 1998/158). Dieser Einreisetitel wird für höchstens sechs Monate erteilt und berechtigt gem § 6 Abs 3 leg cit nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit.

[4BGBl 1975/218 idF I 1997/82. § 1 Abs 2 lit c AuslBG

[5§ 14 Abs 2 FrG. Dies stellt die Ausnahme da., Im Regelfall sind Anträge auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung aus dem Ausland zu stellen.

[6Gemäß § 18 FrG bestimmt die Bundesregierung mittels Verordnung für jeweils ein Jahr die Anzahl der zu erteilenden Niederlassungsbewilligungen (Niederlassungsverordnung 1999 idF BGBl II 1999/133).

[7§ 19 Abs 1, Abs 2 Z 3 FrG iVm § 1 Abs 2 lit c AuslBG

[8§§ 8 Abs 5, 12 Abs 1 FrG

[9BGBl 1962/235

[10Vgl. Wiener Übereinkommen über die diplomatische Beziehungen vom 18.4.1961, BGBl 1966/96. New Yorker Übereinkommen über die Privilegien und Immunität der Vereinten Nationen vom 13.2.1946, BGBl 1957/126. Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen vom 24.4.1963, BGBl 1969/318

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Erstveröffentlichung im FORVM:
September
1999
, Seite 16
Autor/inn/en:

Angelika Kartusch:

Angelika Kartusch ist Mitarbeiterin der Deserteurs- und Flüchtlingsberatung und des Ludwig Boltzmann-Instituts für Menschenrechte, wo sie an einer Studie über die Bekämpfung des Frauenhandels in Österreich mitarbeitet, die sich neben dem Schwerpunkt Zwangsprostitution auch mit der Ausbeutung von Migrantinnen als Haushaltsangestellte beschäftigt und im Frühjahr 2000 im Verlag Österreich publiziert wird.

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