FORVM » Print-Ausgabe » Jahrgänge 1968 - 1981 » Jahrgang 1973 » No. 228
Adalbert Krims

Antijugoslawismus

Als vor 10 Jahren Österreich das Südtirol-Problem vor die UNO brachte, fand man es hierzulande für selbstverständlich, die Frage der deutschsprachigen Minderheit in Italien zu internationalisieren. Rechtsextremisten, die Terroranschläge auf italienische Einrichtungen verübten und in Italien in Abwesenheit verurteilt wurden, fanden in Österreich Unterschlupf und wurden von Gerichten freigesprochen.

Für Außenminister Kreisky war es klar, daß Österreich legitimiert war, die Südtirol-Frage zu internationalisieren und daß es sich dabei nicht um Einmischung in innere Angelegenheiten Italiens handelte. Warum ist Bundeskanzler Kreisky so überrascht, daß Jugoslawien ankündigt, die Frage der slowenischen Minderheit in Kärnten zu internationalisieren?

Die österreichische Regierung hat seit über 17 Jahren die staatsvertraglichen Verpflichtungen gegenüber den Slowenen nicht erfüllt. Dies gilt nicht nur für die topographischen Aufschriften, sondern ebenso für die Gerichtssprachenregelung und die Schulfrage. Als der Nationalrat mit 17jähriger Verspätung eine für die Slowenen nicht einmal voll befriedigende Ortstafelregelung beschloß, war die österreichische Regierung nicht in der Lage, dieses Gesetz auch tatsächlich auszuführen. Gesetzesverstöße von Rechtsextremisten bei antislowenischen Ausschreitungen führten in keinem Fall zu einer Strafverfolgung. Die Exekutive unternahm nichts, um diese Gesetzesübertretungen zu verhindern. Die Kärntner Slowenen fühlen sich bedroht, und nicht zu unrecht. (Vgl. das umfangreiche „Dossier Kärnten“ im NF Dezember.)

All dies wäre eine ausreichende Begründung für die jugoslawische Regierung gewesen, das Problem zu internationalisieren und zumindest die Staatsvertragspartner der Republik Österreich zu informieren. Dennoch unternahm Jugoslawien vorerst nichts. Erst als der Druck der Bevölkerung in Slowenien immer größer wurde, in Ljubljana mehrere zehntausend Menschen demonstrierten, die beiden autorisierten Zentralverbände der Kärntner Slowenen in Beograd vorstellig wurden — erst dann brach die jugoslawische Regierung ihr Schweigen. In einer Note an die österreichische Bundesregierung, die auch den vier Signatarmächten des Staatsvertrags übergeben wurde, wiesen die Jugoslawen auf die ungenügende Erfüllung der völkerrechtlichen Verpflichtungen Österreichs gegenüber der slowenischen Minderheit hin.

Daraufhin entfachten österreichische Massenmedien geradezu eine antijugoslawische Kampagne. Kreisky kam dies nicht ungelegen, konnte er doch nun sein Zurückstecken in der Kärnten-Frage dadurch verschleiern, daß er die antijugoslawische Stimmung ausnützte. Statt über Maßnahmen zur Garantierung der Rechte der slowenischen Minderheit zu sprechen, redete Kreisky über innenpolitische Schwierigkeiten Jugoslawiens und daß das arme Österreich nun der willkommene Außenfeind sei, durch den Tito von den eigenen Problemen ablenken könne. Er übersah dabei, daß die jugoslawische Regierung nur zögernd, erst aufgrund des Drucks im eigenen Land und des Wunsches der Kärmtner Siowenen, die im übrigen maßvolle Note verfaßt hatte. Es ist kein Geheimnis, daß der Bevölkerung in Slowenien die bisher unternommenen Schritte Beograds als dürftig erscheinen. Um den slowenischen Nationalismus nicht weiter aufzuheizen, sprach Tito am 12. Dezember 1972 in Slowenien etwas deutlicher — nach fünfwöchigem Schweigen der österreichischen Regierung auf die jugoslawische Note.

Tito nannte die in Österreich für die antislowenischen Ausschreitungen verantwortlichen politischen Kräfte beim Namen. Kreisky wurde in Kärnten von eben diesen Leuten persönlich beschimpft, körperlich attackiert und beinahe verletzt; Kreisky erklärte dennoch, es gäbe in Österreich keine faschistische oder neonazistische Aktivität ...

Gegenüber der noch immer maßvollen Haltung der maßgeblichen Kreise Jugoslawiens scheint es übertrieben, den lauteren Tönen eines Generals — Schöneres konnten sich die Kärntner und sonstigen Nationalbetonten nicht wünschen — übertriebene Bedeutung beizumessen.

Daß die Frage der Kärntner Slowenen in österreichischen Massenmedien nun zum Anlaß einer Kampagne gegen Jugoslawien wird, hat seine Ursachen nicht nur im großen Einfluß ehemaliger Ustascha-Leute (Dalma etc.) in solchen Medien, sondern ist auch Bestandteil einer in den letzten Monaten international entfachten antijugoslawischen Propaganda. Jugoslawien wurde längere Zeit in den kapitalistischen Ländern geschont, z.T. sogar gelobt, da man auf eine schrittweise Rückkehr des Landes zum Kapitalismus rechnete (vgl. Mihajlo Markovich, Die Zukunft der Selbstverwaltung, NF Dezember 1972). Für diese Hoffnung gab es genügend Anzeichen. Um so wütender ist man jetzt, da sich zeigt, daß der greise Tito imstande scheint, einen Strich durch die Rechnung des Imperialismus zu machen.

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Erstveröffentlichung im FORVM:
Januar
1973
, Seite 6
Autor/inn/en:

Adalbert Krims:

Geboren 1948 in Freistadt, Oberösterreich. Ehemals katholischer Religionslehrer und Diözesanjugendführer in Linz, Angestellter des Wiener Instituts für Entwicklungsfragen, Sekretär der Paulusgesellschaft‚ Mitbegründer der Aktion Kritisches Christentum, ab 1970 Redakteur des FORVM und Obmann des Vereins der Redakteure und Angestellten des NEUEN FORVMs.

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