FORVM » Print-Ausgabe » Jahrgänge 1968 - 1981 » Jahrgang 1980 » No. 321/322
Jiří Kosta

Zwölf Reformapostel

Jan Osers: Sozialistische Wirtschaftsmodelle, Frankfurt 1980, Campus Verlag, 205 Seiten, DM 44, öS 338,80

Wir wissen heute besser als seinerzeit, daß die Organisation eines sozialistischen Wirtschaftssystems bei weitem keine so einfache Sache ist, wie es den Pionieren der Bewegung erschien: zu viele Versuche, den „Sozialismus aufzubauen“, sind fehlgeschlagen oder haben eine andere Entwicklung genommen, als es dem angestrebten Ideal entsprach. Zu wenig wurde bislang untersucht, wo die theoretischen Schwachstellen der ursprünglichen Zielsetzungen und der späteren Orientierungen liegen und welche Konsequenzen daraus resultieren.

Insofern ist die Arbeit von Jan Osers, eines Mannheimer Ökonomen Prager Herkunft, besonders begrüßenswert. Er behandelt die bedeutendsten Entwicklungen „sozialistischer Wirtschaftsmodelle“ (verstanden als Grundzüge sowohl theoretisch konzipierter als auch realisierter ökonomischer Systeme) von Marx und Engels über die sowjetrussischen Konzepte bis zu den jüngsten Reformansätzen osteuropäischer Provenienz. Der Leser bekommt nicht nur einen äuBerst informativen Überblick über die unterschiedlichen Ansätze, sondern kann darüber hinaus nachvollziehen, welche Elemente der originären Ideen von Marx der Konfrontation mit der Praxis nicht standhalten konnten.

Bei Osers wird deutlich, warum der naturalwirtschaftlich organisierte „Kriegskommunismus“ bereits unter Lenin durch die auf Geld und Erwerbsanreize basierende „Neue Ökonomische Politik“ abgelöst wurde. Die theoretischen Sozialismusmodelle von Oskar Lange in den dreißiger und von Jaroslav Vanek in den sechziger Jahren sieht er als Reaktion auf die hierarchischzentralistische marktähnliche Steuerungsform unter Beibehaltung von Gemeineigentum an Produktionsmitteln (Lange), Kombination von Marktwirtschaft und Arbeiterselbstverwaltung (Vanek).

Diese Auffassungen Widersacher in der traditionellen bürgerlichen Wirtschaftswissenschaft (Ward, Domar), wie auch Anhänger im Bereich modifizierter Sozialismuskonzepte: zu ihnen gehören der Jugoslawe Horvat sowie die Prager Reformökonomen Ota Sik und Radoslav Selucky.

Sik entwickelt eine Plan-Markt-Synthese bei gleichzeitiger „Neutralisierung“ des demokratisch verwalteten Kapitals, Selucky die Verbindung einer Plan-Markt-Ökonomie mit selbstverwaltenden und repräsentativen Entscheidungsformen. Beides versteht Osers auch dem Laien näherzubringen. Eine tabellarische Übersicht liefert einen Vergleich der institutionellen Unterschiede der 12 erörterten „sozialistischen Wirtschaftsmodelle“.

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Erstveröffentlichung im FORVM:
September
1980
, Seite 60
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Jiří Kosta:

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