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Jim Lobe

Wirtschaftsfaktor Söldner

Die Vermittlung von Söldnern etabliert sich als ernstzunehmender Wirtschaftszweig. Ein renommiertes Washingtoner Institut plädiert dafür, die Agenturen auf internationale Richtlinien festzulegen.

Von Peru bis Papua-Neuguinea und vom Sudan bis nach Sierra Leone werden ehemalige Soldaten von einflußreichen Unternehmen angeheuert, um Regierungen und Bergbaukonzernen gegen Bares zur Seite zu stehen.

„Die Sölder sind wieder da, und sie werden bestimmt nicht mehr verschwinden“, heißt es im Bericht „Soldiers of Fortune Ltd.“ des Center for Defense Information (CDI), das traditionell die hohen Rüstungsausgaben der US-Regierung kritisiert. Der Trend sei kaum umkehrbar. Aus diesem Grunde empfiehlt das Institut, dafür zu sorgen, daß sich die Vermittlungsagenturen an relevante internationale Menschenrechtsabkommen inklusive der Genfer Protokolle halten. Jedes Söldnerunternehmen, das international operieren wolle, müsse zu verbindlichen Auflagen gezwungen werden. Die CDI forderte die Vereinten Nationen auf, nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Überlegungen ihre bisherige Position zu überdenken, Privatfirmen aus Friedensmissionen herauszuhalten.

Der Einsatz von Söldnern der in Südafrika angesiedelten Agentur Executive Outcomes (EO, siehe Kasten) habe die angolanische Regierung 60 Millionen US-Dollar gekostet, erinnert der Autor des CDI-Berichts, David Isenberg. Im Vergleich zu einer Million Dollar pro Tag, die die UN in den zwei Jahren ihrer Friedensmission ausgegeben habe, sei das ein geringer Betrag. Isenberg betont ferner, daß der Kosten-Nutzen-Effekt der EO weitaus größer als der der UN gewesen sei. Es sei vor allem den Anstrengungen von Executive Outcomes zu verdanken, daß die angolanische Rebellenorganisation UNITA an den Verhandlungstisch zurückgekehrt sei.

In der Vergangenheit gab es eine Reihe von Anstrengungen, das Söldnertum abzuschaffen. Bei der Revision der Genfer Konvention 1977 wurde den Söldnern der Kämpfer- und Kriegsgefangenen-Status entzogen. Parallel dazu verabschiedete die Organisation Afrikanischer Einheit (OAU) die Konvention zur Abschaffung des Söldnertums in Afrika. Zwölf Jahre später zog die UN-Vollversammlung nach, indem sie die Internationale Konvention gegen Rekrutierung, Einsatz, Finanzierung und das Training von Söldnertruppen erließ. Diese verpflichtet die Staaten dazu, Söldner gesetzlich zu verfolgen und auszuliefern. Doch damit die UN-Konvention in Kraft treten kann, muß sie von mindestens 22 Ländern unterzeichnet werden. Bislang haben dies erst 14 getan – unter ihnen Angola und Zaire. Beide Staaten haben jedoch in den letzten zwei Jahren Söldner angeheuert, heißt es in dem CDI-Report.

Der CDI-Bericht nimmt drei der größten internationalen Söldnervermittlungsagenturen unter die Lupe. Gerade EO, Sandline International und Military Professional Resources Inc. (MPRI, siehe Kasten) hätten sich in den letzten Jahren zu regelrechten Konzernen gemausert. Anstatt sich heimlich zu organisieren, operierten sie nun von Büroräumen aus, verfügten über Fachpersonal und Websites im Internet und stellten Werbebroschüren her.

Die Wiederkehr des Söldnerwesens führt Isenberg auf die weltweiten Kürzungen der Militärausgaben und den allgemeinen Trend zurück, staatliche Unternehmen zu privatisieren. Sie erkläre sich zudem aus der wachsenden Zahl internationaler Konflikte in Ländern der Dritten Welt seit dem Ende des kalten Krieges und der allgemeinen Unwilligkeit der Industrienationen, in Krisen einzugreifen. Trotz moralischer Bedenken sei Privatisierung ein effektives Mittel, um Gelder zu sparen, unterstreicht der CDI-Bericht. Dabei spiele es keine Rolle, ob es sich letztendlich um Bereiche wie die Gesundheitsfürsorge, Bildung oder Friedenssicherung handele.

lsenberg unterscheidet vier Formen des Söldnertums. Der erste, der traditionelle Typus, beschäftige Männer, die vor allem durch die Aussicht auf gute Bezahlung oder die Lust auf Abenteuer motiviert würden. Als Beispiel führte der Experte die serbischen Rekruten an, die kürzlich auf der Seite des letzten Präsidenten Zaires, Mobutu Sese Seko, gekämpft hatten. In die zweite Kategorie ordnet lsenberg kleinere militärische Truppen ein, die in einer konkreten Region eines fremden Landes im Auftrag der Regierung für Sicherheit sorgen sollen. Die dritte Form umfaßt transnationale Organisationen, die von einer Ideologie oder Religion geleitet werden, wie die ehemaligen Mudschaheddin-Kämpfer in Bosnien, Tadschikistan und Algerien.

Der vierte Typus, der explizit im CDI-Bericht berücksichtigt wird, zeichnet sich durch interne Strukturen aus, wie sie bei großen Konzernen zu finden sind. In diese Kategorie paßt die 1989 gegründete EO, die eine Datenbank unterhält und für die mehr als 2000 vertraglich beschäftigte Söldner tätig sind. Die meisten der Kämpfer stammen aus Südafrika. Das größte Geschäft schloß die EO 1992 mit den beiden Erdölgiganten Gulf Chevron und Sonangol ab, die sich den Schutz ihrer technischen Anlagen in Angola 30 Millionen Dollar kosten ließen. EO, das einzige Unternehmen, das über eine eigene Luftflotte verfügt, ist seither auch für die Regierungen von Angola und Sierra Leone tätig geworden.

Für die Ausbildung ihrer Soldaten und für verschiedene Einsätze des EO-Personals gaben die beiden Regierungen 80 Millionen Dollar aus. Darüber hinaus überließen sie dem Söldnerunternehmen Bergbaukonzessionen, über die nichts Näheres bekannt ist. Mit weltweit 32 Büros stellt EO ein Wirtschaftsunternehmen dar, das Anteile in verschiedenen afrikanischen Ländern erworben und seine Operationen bis zum Golf und Ostasien ausgedehnt hat.

Eine weitere im CDI-Bericht untersuchte Söldner-Vermittlungsfirma ist die in London und auf den Bahamas angesiedelte SI (ehemals „Plaza 107 Ltd.“), die Teil eines multinationalen Konglomerats mit besten Beziehungen zu Bergbauunternehmen ist. Eigenen Angaben zufolge akzeptiert SI ausschließlich international anerkannte Regierungen als Kunden. Ihre bisher bekannteste Operation war der Versuch, neunjährige Unabhängigkeitsbestrebungen in Bougainville, Papua-Neuguinea, niederzuschlagen. Dafür kassierte das Unternehmen 36 Millionen Dollar.

Bei der MPRI handelt es sich um ein Unternehmen, das in erster Linie aus Ruheständlern der US-Streitkräfte besteht. MPRI arbeitet eng mit der US-Regierung zusammen. Besonders aktiv wurde die Organisation im ehemaligen Jugolsawien, wo sie die kroatischen und bosnischen Armeen trainierte.

Executive Outcomes (E0)

Sitz in Pretoria, mit Verbindungen nach London. Gegründet 1989 von ehemaligen südafrikanischen Geheimdienst- und Special-Operations-Leuten (Eeben Barlow, Lafras Luitingh, Nicolas Palm). Heutiger Chef ist der bisherige Geschäftsführer Nick van den Bergh. Enge Verbindungen bestehen zu Firmen, die Bodenschätze ausbeuten (Branch Energy, Branch Mining u.a., Holding: Strategic Resources Corporation/SRC). EO verfügt über eine eigene Luftlinie (Ibis Air), eine kleine Luftwaffe und Panzer, die v.a. aus Osteuropa eingekauft wurden. Sie bieten Beratung und Kriegführung sowie diverse andere Staatsaufgaben. EO gilt als der „Marktführer“ des neuen Söldnergeschäfts, mit bisher über 30 Einsätzen von Papua-Neuginea bis Osteuropa und ganz Afrika. Pikant: Tony Buckingham, ein britischer Ex-Soldat und eng mit dem Firmennetzwerk von EO verbandelt, ist gleichzeitig Direktor des Verlagshauses Forth Estate. Dieses gehört zur Hälfte einer Zeitungsgruppe, die auch den renommierten Guardian herausgibt. EO erhielt für die „Stabilisierung“ der Lage in Angola und Sierra Leone öffentliches Lob von den Regierungen der beiden Staaten, in deren Auftrag sie in die Kriege eingegriffen hatten. Von den UN werden sie noch skeptisch betrachtet, obwohl eine der Partnerfirmen von EO, Falconer, für die UNO und ihre Sonderorganisationen Logistikdienste leistet. Südafrika plant derzeit ein Gesetz zur Kontrolle von Söldnerfirmen, doch EO haben bereits Angebote aus anderen Staaten, sich dort niederzulassen. 1997 waren sie erstmals auf der Waffenmesse in Abu Dhabi vertreten. Der einzige bisher mißglückte Einsatz fand in Bougainville (Papua-Neuguinea) im März 1997 statt, als sich die Armeeführung öffentlich gegen die von der Regierung engagierten Söldner stellte.

Quellen:

  • William Reno: New South African Business in Africa’s weak States, Papier präsentiert auf der 38. Annual Convention der International Studies Association, Toronto, März 1997.
  • Bartholomäus Grill, Caroline Dumay: Der Söldner-Konzern, in: Die Zeit, 17.1.1997
  • Gebrewold, Weltweiter Vormarsch.
  • Vgl. ausführlich: Rolf Bendrath: Söldnerfirmen in Afrika. Neue Politische Vergesellschaftungsformen jenseits des modernen Staates. Manuskript, FU Berlin, Januar 1998.
Entnommen aus: Ralf Bendrath: Die neue Welt der privaten Kriegsdienstleister. Söldnerfirmen: Global Players mit Staatsaufgaben;
in: antimiltarismus information 1–2/98. Komplette Studie veröffentlicht unter: http://bicc.uni-bonn.de/coop/afk/bendrath.doc

Military Professional Resources, Inc. (MPRI)

Sitz in MacLean, Alexandria, Virginia, gegründet 1987. Das Management besteht aus ehemaligen Top-Generälen der US-Streitkräfte, u.a. den Ex-Kommandeuren der Regional Commands South, Pacific und Europe sowie Ex-Mitarbeitern des Joint Special Operations Command, der Defense Intelligence Agency (DIA) und der Joint Chiefs of Staff (US-Generalstab). Die Firma wird vom State Department (Office of Defense Controls) lizensiert und z.T. über den Umweg „Entwicklungshilfe“-Gelder finanziert. MPRI leistet vor allem Beratung und Intelligence und verfügt über keine eigenen Kampftruppen. Sie hat 2000 ehemalige US-Soldaten in ihrer Datenbank. Gute Kontakte bestehen zum „Special Operations Command“ des Pentagon, das für verdeckte Operationen in der „3. Welt“ zuständig ist. Zu den bedeutendsten Einsätzen von MPRI gehören die Beteiligung auf kroatischer Seite beim Sturm auf die Krajina 1995 (haben dort angeblich der kroatischen Armee „demokratische Normen“ gelehrt) und in Angola (trainieren zwei Luftlandebrigaden und sollen eine Militärakademie in Cabinda eröffnen), nachdem die MPLA-Regierung 1995 auf Druck der USA den Vertrag mit Executive Outcomes auslaufen ließ. DIA veranstaltete im Sommer 1997 ein geschlossenes Symposium zu Perspektiven für MPRI und andere Söldnerfirmen im südlichen Afrika. MPRI wird seit 1996 von der bosnischen Regierungsarmee zu „Trainingszwecken“ genutzt, die Kosten von 400 Mio. US-$ zahlen vor allem Saudi-Arabien, Kuwait, Brunei und Malaysia, gleichzeitig fließen Waffen aus den USA. Die Aufsicht hat hier das Büro des US Special Representative for Military Stabilisation in the Balkans. MPRI konnte sich hier gegen Konkurrenzgebote von B.D.M. und SAIC durchsetzen. Sie arbeitete auch in Liberia und wollte schon 1995 Mobutu in Zaire unterstützen. Dies wurde aber vom State Department abgelehnt, weil Mobutu von den USA schon fallengelassen worden war.

Quellen:

Entnommen aus: Ralf Bendrath: Die neue Welt der privaten Kriegsdienstleister. s.o.

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Erstveröffentlichung im FORVM:
Mai
1998
, Seite 12
Autor/inn/en:

Jim Lobe:

Geboren 1949, ist Journalist und Leiter des Washingtoner Büros der Nachrichtenagentur Inter Press Service (IPS).

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