FORVM » Print-Ausgabe » Jahrgänge 1982 - 1995 » Jahrgang 1988 » No. 411/412
Brigitte Hader

Vernichtungsfeldzug mit Hilfe

Seit Indonesien die portugiesische Kolonie Osttimor widerrechtlich annektierte, ermordeten Angehörige der Indonesischen Sicherheitskräfte ein Drittel der Bevölkerung, führen einen grausamen Krieg auf allen Ebenen, doch die Weltöffentlichkeit will von den 300.000 Toten nichts wissen.

Begonnen hat das große Sterben, als Portugal, das nie großes Interesse an der Kolonie zeigte, 1974, nach der „Revolution der Nelken“ und dem Sturz der Militärdiktatur, sich auf den Rückzug aus den Kolonien vorbereitete. Die Osttimoresen empfanden bis dahin die portugiesische Kolonialherrschaft nicht als drückend, bereiteten sich aber nun ihrerseits auf die Unabhängigkeit vor und bei den im Juli 1975 abgehaltenen Wahlen ging die „Revolutionäre Front für ein unabhängiges Osttimor“, kurz Fretilin, als Sieger hervor.

Indonesien meldete jedoch Gebietsansprüche an, erklärte die Fretilin zur kommunistisch unterwanderten Organisation, besetzte im Dezember 1975 kurzerhand Osttimor und versucht nun, dem Ruf, die grausamste Armee der Welt im Sold zu haben, gerecht zu werden: Sie ist für den größten Pogrom seit dem Zweiten Weltkrieg verantwortlich, als sie 1965 im Verlauf der „Anticommunistcampaign“ eine Million Menschen ermordete. Jetzt geht sie mit unvorstellbarer Brutalität gegen die 550.000 Osttimoresen vor.

Trotzdem gelang es bis heute nicht, den Widerstand der Fretilin zu brechen — in den Untergrund gedrängt, ist sie nicht mehr Partei, sondern Befreiungsbewegung und im ganzen Land aktiv, und sie genießt die Unterstützung der gesamten Bevölkerung. Den 2-3.000 Guerilleros stehen 40.000 Militärs gegenüber, das ist ein Fünftel der gesamten indonesischen Armee, die dazu überging, in erster Linie nicht die Freiheitskämpfer anzugreifen, sondern den Besatzungsterror auf die gesamte Zivilbevölkerung auszudehnen. Die Anschläge der Fretilin auf die Militärs werden im Verhältnis 1:10 vergolten, ganze Dörfer ausradiert. Bei den Rachefeldzügen werden Frauen und Kinder in Stücke geschnitten, Frauen oft von so vielen Soldaten vergewaltigt, daß sie daran sterben.

Gleichzeitig versucht Indonesien, die Fretilin von der Unterstützung durch die Bevölkerung mittels deren Umsiedlung abzuschneiden. So hat sich in weiten Teilen des Landes das Siedlungsbild völlig verändert. Im Zentrum und im Osten der Provinz wurden die Bergbewohner in die Täler umgesiedelt, mancher Timorese wurde bereits mehrmals deportiert. Während die Regierung die Umsiedlung mit dem Wunsch nach besseren Lebensbedingungen für die ehemaligen Bergbewohner begründet, sehen sich diese unfruchtbaren Böden in den Deportationsorten, daraus resultierenden Hungersnöten, chronischer Unterernährung und Krankheiten gegenüber. Sind dennoch Ernteerträge zu erwarten, werden diese durch Napalmbombardements vernichtet. Die notwendigen Flugzeuge mit Eignung für den Abwurf jeglicher chemischer Kampfstoffe wurden 1975 von Amerika geliefert, die diese Bronco-Bomber in Vietnam eingesetzt hatten. Noch im Dezember 1987 wird von Verbrennungen mit Napalm berichtet.

Auch die Weltbank und Unterorganisationen der UNO tragen ihr Scherflein zur Ausrottung bei, sie finanzieren mit hunderttausenden Dollars das Programm zur Geburtenkontrolle. So finden sich trotz einer Frauensterblichkeit von 20 bis 25% während Schwangerschaft und Geburt nur drei Spitäler, dafür aber 50 Geburtenkontrollkliniken und mehrere hundert Geburtenkontrollstationen, in denen Zwangssterilisationen vorgenommen und Dreimonatsspritzen verabreicht werden.

Obwohl es ein ganz konsequent geführter Vernichtungsfeldzug ist, werden die Hilferufe der Osttimoresen überhört, und bei Osttimorabstimmungen der UNO enthalten sich die westlichen Industrieländer, allen voran die USA und Japan, der Stimme oder stimmen für Indonesien.

Retten kann die Östtimoresen jetzt nur mehr eine wache Weltöffentlichkeit und internationale Solidarität und um diese bemühen sich die Teilnehmer aus acht Ländern des Mitte Februar in Wien vom österreichischen Komitee für Osttimor veranstalteten Internationalen Treffens der Solidaritätsgruppen.

Ihre Arbeit ist jedoch bis jetzt kaum von Erfolg gekrönt, wollen doch die Industrieländer ihren Handelspartner nicht vergrämen und sehen im Hinblick auf ihre wirtschaftlichen Interessen Menschenrechtsverletzungen nur dort, wo sie ins Konzept passen. Indonesien ist jedoch, gemessen an der Bevölkerung, das fünftgrößte Land der Welt, produziert jährlich 51 Mio. t Erdöl und kauft gerne Waffen. Die Firmen Northrop, Rockwell, Mercedes und Boeing werden genannt, es bestehen aber auch Handelsbeziehungen zu VÖEST, Noricum, Steyr und Hirtenberger.

Um das Waffenexportgesetz zu unterlaufen — Indonesien gilt ja als kriegsführender Staat — werden die Geschäfte über Malaysia abgewickelt. Dort soll jetzt auch in einem Joint Venture mit Steyr eine Gewehrproduktion entstehen, wo eine Maschinenpistole produziert werden soll, deren Polizeiversion mit verschiedener Munition geladen werden kann. Da es in Asien kaum Handelsrestriktionen gibt, werden in zwei bis drei Jahren alle asiatischen Länder bei der Steyr Tochterfirma ihren Bedarf decken.

Österreich pflegt aber auch noch andere gute Kontakte, so kommen immer wieder indonesische Minister zu Gesprächen nach Wien und Ende 1986 trat Österreich einem Staatenkonsortium, der „Inter Governemental Group on Indonesia“ bei und gewährte sofort einen 300-Millionen-Kredit mit dem erstaunlich niedrigen Zinssatz von 3,5%.

Ganz klar, daß sich auch Österreich bei UNO-Abstimmungen regelmäßig der Stimme enthält und so verwundert auch der Kommentar eines österreichischen Außenministers nicht, als er 1986 vom österreichischen Osttimorkomitee mit dessen Forderungskatalog konfrontiert wurde: „Naja, das interessiert ja nicht viele Leute.“ Auch Österreichs Journalisten glänzten bei der Pressekonferenz im Anschluß an das Treffen der Solidaritätsgruppen durch Abwesenheit und das ist ganz im Sinne Indonesiens.

Zwischenruf und Postscriptum „liberal“

Oder es wird ein Flop, weil sich die Waffenmafia unliebsamer Anbieter allemal hübsch zu erwehren weiß; das zeigt der verunglückte Iran-Kanonendeal, mit wenigstens zwei bis drei teils unschuldigen Toten hier und ungezählten weit hinten.

Daran wird auch eine „Liberalisierung“ des österreichischen Waffenexports nichts ändern; der Vorschlag — zuerst von der seinerzeitigen Männin des Jahres, Frau Richterin Partik-Pablé gemacht — zeigt nur, was dorten „liberal“ heißt: die Aushöhlung der Neutralität; zwecks freieren Geldverdienens auf liberalisierten Kriegsschauplätzen, das sind solche, wo vom Kriegsrecht befreit sind.

Das soll natürlich alles der Erhaltung von Arbeitsplätzen dienen, drum tun wir sie fleißig dorthin exportieren, weil die Entwicklungshilfe ist auszuweiten.

G.O.

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Erstveröffentlichung im FORVM:
März
1988
, Seite 3
Autor/inn/en:

Brigitte Hader:

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