FORVM » Print-Ausgabe » Jahrgänge 1968 - 1981 » Jahrgang 1970 » No. 197/II
Berthold Sutter

Politologie = Revolution
Professor = Angst

Ein vertrauliches Dokument, rechtzeitig zum. 25. Jahrestag der Republik Österreich

Denkschrift

zur Frage der Errichtung einer Studienrichtung
„Politologie“
im Rahmen der geisteswissenschaftlichen und naturwissenschaftlichen Studienrichtungen
Vorgelegt von: o.Univ.-Prof. Dr. Berthold Sutter, Graz

(...) I. Allgemeines (...)

1. Von der Mehrzahl der Fakultäten wird die „Politologie“ als eigenes, an den philosophischen Fakultäten zu lehrendes Studienfach absolut und nachhaltig abgelehnt.

Begründet wird diese Ablehnung damit, daß die methodischen Voraussetzungen dieser Wissenschaft noch nicht genügend geklärt seien, daß gerade von den politologischen Instituten in Frankfurt und Berlin jene revolutionären Bewegungen ausgegangen seien, die weder im Interesse einer staatlichen Gesamtheit noch des wissenschaftlichen Fortschrittes liegen (...)

Außerdem wird mit allem Nachdruck, und wohl auch nicht unberechtigt, betont, daß es für „Politologen“ in Österreich keine realen Berufschancen geben wird, da sich die Führungsschichten der Kammern, Gewerkschaften und politischen Interessenvertretungen auch künftighin nicht aus dem Kreis der „Politologen“ ergänzen werden.

Die Bildungseinrichtungen und Massenmedien, auf die immer wieder als zukünftige Wirkungsstätten der „Politologen“ hingewiesen wird, werden unmöglich eine auch nur einigermaßen nennenswerte Zahl von „Politologen“ aufnehmen können, zumal gerade solche Institutionen auch weiterhin etwa auf Germanisten, Historiker, Betriebswirte und Juristen, also auf „Nichtpolitologen“, nicht werden verzichten können (...)

Wer vor diesen Tatsachen — so wird argumentiert — die Augen verschließe, helfe mit, ein unruhiges, revolutionäres akademisches Proletariat zu schaffen.

Diese Argumente und diese Warnungen, die einer echten und tiefen Besorgnis über die Entwicklungen unserer Gesellschaft und an unseren Hochschulen entspringen, dürfen nicht leicht genommen und überhört werden, denn es ist von den Führern der radikalen studentischen Linken offen ausgesprochen und schriftlich dargelegt worden, daß die Universität als Aktionsbasis für die intellektuelle Revolution zu dienen habe und daß es das erste Ziel sei, aus der Universität eine politische Bastion zu machen. Als Ansatzpunkte zur Eroberung der Universitäten dienten — wie die Erfahrung lehrt — vielfach die Institute für politische Wissenschaften. Eine Entwicklung aber, welche in ihren Folgen nicht abzusehen und — wie genügend Beispiele zeigen — imstande ist, die Freiheit der Lehre und Forschung und die staatliche Ordnung zu gefährden, kann von niemandem, der verantwortungsbewußt denkt, gewünscht und gefördert werden.

(...) 2. Es ist allerdings nicht einzusehen, warum jene „politologischen“ Lehrkanzeln, die, um dem internationalen Status zu entsprechen, an den philosophischen Fakultäten der Universitäten Wien und Salzburg bereits errichtet worden sind, unbedingt eine eigene Studienrichtung „Politologie“ zur Folge haben müssen, da für eine solche Studienrichtung derzeit ein Bedarf in Österreich nicht gegeben erscheint.

3. Zur dritten Gruppe gehören alle jene, die einen weiteren Widerstand gegen die geplante „Politologie“ für aussichtslos halten, aber doch retten wollen, was noch zu retten ist. Diese Gruppe möchte, wenn schon die „Politologie“ nicht aufzuhalten sei, wenigstens aus der österreichischen Tradition heraus einen eigenen österreichischen Weg gehen (...) Es wird von dieser Gruppe mit allem Nachdruck betont, daß nur dann fruchtbar über die Einrichtungen des Rechtes, des Staates und der Gesellschaft diskutiert werden könne, wenn in genügendem Ausmaß Kenntnisse des formalen, geltenden Rechts vorhanden seien. Ohne ein sehr starkes juristisches Korsett müsse politologisches Philosophieren in die Irre laufen (...)

In Blindheit aber wollen viele gerade das Erziehungswesen eines Staates mehr und mehr nachahmen, das in steigendem Maße weder die hochprozentige Rauschgiftsüchtigkeit der Jugend zu verhindern noch die hohe Kriminalitätsquote einzudämmen vermag.

(...) II. Studienordnung (...)

(...) B. Gegenwärtiger Stand (...)

(...) 2. Wien (...) Fest steht jedenfalls — siehe den beiligenden Bericht Nr. 1 — die Ansicht der Wiener juristischen Fakultät, die daran festhält, daß die „Politologie“ erstens nur in Salzburg und zweitens nicht als Grundstudium, sondern nur in der höheren Form des Post-graduate-Studiums einzurichten sei (...)

Sollte sich das Salzburger Beispiel als fruchtbar erweisen und der Andrang zum brotlosen Studium „Politologie“ tatsächlich so groß werden, daß Salzburg diesen Zustrom nicht mehr bewältigen kann, wird es noch immer möglich sein, an der Universität Wien die Studienrichtung „Politologie“ einzuführen (...)

Das Argument, es wäre für Studenten oder bereits graduierte Jungakademiker unzumutbar, nach Salzburg gehen zu müssen, wenn sie „Politologie“ studieren wollten, ist nicht stichhältig (...) Es wäre dann auch jenen, die Berg- und Hüttenwesen studieren wollen, nicht mehr zumutbar, daß sie an die Montanistische Hochschule Leoben gingen, wobei ohne Zweifel die Leobner Berg- und Hütteningenieure im Wirtschaftsleben unseres Staates stets für das Bruttonationaleinkommen eine weit bedeutendere Rolle als die „Politologen“ spielen werden (...)

Auch darf nicht verschwiegen werden, daß in Wien die Studienrichtung „Politologie“ — wie an anderen großen Hochschulen in Europa — zum Sammelbecken aller unruhigen und unausgegorenen studentischen und der von ferne her manipulierten intellektuell-revolutionären Kräfte werden würde (...)

FORVM des FORVMs

Vorgeschaltete Moderation

Dieses Forum ist moderiert. Ihr Beitrag erscheint erst nach Freischaltung durch einen Administrator der Website.

Wer sind Sie?
Ihr Beitrag

Um einen Absatz einzufügen, lassen Sie einfach eine Zeile frei.

Hyperlink

(Wenn sich Ihr Beitrag auf einen Artikel im Internet oder auf eine Seite mit Zusatzinformationen bezieht, geben Sie hier bitte den Titel der Seite und ihre Adresse bzw. URL an.)

Werbung

Erstveröffentlichung im FORVM:
Mai
1970
, Seite 591
Autor/inn/en:

Berthold Sutter:

Lizenz dieses Beitrags:
Copyright

© Copyright liegt beim Autor / bei der Autorin des Artikels

Diese Seite weiterempfehlen

Themen dieses Beitrags

Begriffsinventar

Geographie

Organisationen