Context XXI » Print » Jahrgang 1998 » ZOOM 2/1998
Ludwig Csépai

Gehörlosentheater ARBOS

In einer Pressekonferenz im Literaturhaus am 19.3.1998 präsentierte sich das Gehörlosentheater ARBOS unter seinem künstlerischen Leiter Herbert Gantschacher der versammelten Presse, um das Programm des ersten Gehörlosentheaterfestivals in Österreich zu präsentieren. Sechs Produktionen wurden ab dem 27.3.1998 im Theater des Augenblickes gezeigt, darunter eine Premiere. Das Stück „Das Mündel will Vorbild sein“ von Peter Handke wurde am 5.4.1998 zum erstenmal von gehörlosen Schauspielern aufgeführt.

Gantschacher legte bei der Vorstellung seiner Kompanie Wert darauf, die Professionalität seiner Truppe zu betonen. Als Referenz nannte er die Zusammenarbeit mit dem gehörlosen Regisseur Howie Seago, der weltweit anerkannt ist. Für Fragen stand die gehörlose Schauspielerin Brigitte Palecek zur Verfügung. Dolmetscherin war Brigitta Mikulasek, bekannt auch als Gebärdensprachdolmetscherin in der ORF-Sendung „Wochenschau“ an jedem Sonntag.

Ziel und Mittel des Theaters ist die Gebärdensprache, als Mittel für Gehörlose notwendig und selbstverständlich zur Kommunikation, als Ziel die Darstellung, Verfeinerung und Überhöhung dieser als theatralisches Ausdrucksmittel, als eigene Kunstform, die sich auch den Hörenden öffnet.

Als Fernziel schwingt implizit mit, daß die Gebärdensprache als eigene Sprache vom österreichischen Staat anerkannt werden soll. Bis jetzt ist das menschlich unverständlicherweise unterlassen worden. Die Gehörlosen weisen darauf hin, daß hier das ökonomische Kalkül bei der Ablehnung eine wesentliche Rolle spielt. Unterricht in der Schule, Lehrmittel, augebildete LehrerInnen und DolmetscherInnen bringen Kosten für den Staat. Dem stehen die nackten Zahlen gegenüber: 500.000 Menschen in Österreich sind gehörgeschädigt.

Man kann nur hoffen, daß das Gehörlosentheater die gesellschaftliche Stille um die Gehörlosen durchbricht. Es bleibt aber natürlich problematisch, daß Minderheiten erst dann politische Aufmerksamkeit erhalten, wenn diese sich als nützlich oder bereichernd erweisen und so ihre Gleichwertigkeit und zuleich ihre Besonderheit beweisen. Der in diesem Fall kulturell eingeschlagene Weg zur Aufmerksamkeit und Gleichwertigkeit kann in eine Sackgasse münden und in der Kultur seinen besonderen Platz zugewiesen bekommen, wenn nicht auch die Behinderungen der Gehörlosen durch die Gesellschaft von Kindesbeinen an damit verknüpft werden. Mit einer rein kulturellen Akzeptanz der Gehörlosen als künstlerisch wertvolle LeistungsträgerInnen durch die Gesellschaft ist es nicht getan. Insofern ist die Anwesenheit von Kulturstadtrat Marboe bis zum Schluß trotz geringer Medienpräsenz als kleines, positives Zeichen zu werten.

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Erstveröffentlichung im FORVM:
Mai
1998
, Seite 35
Autor/inn/en:

Ludwig Csépai: Redaktionsmitglied von Context XXI (ZOOM) bis März 1999.

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