Streifzüge » Print-Ausgaben » Jahrgänge 2001 - 2010 » Jahrgang 2001 » Heft 3/2001
Thomas König • Franz Schandl • Gerold Wallner • Maria Wölflingseder

Für eine nicht durchgeknallte Linke!

Kurze Erklärung zur Trennung im Kritischen Kreis

Die Anschläge in den USA haben nicht nur das World Trade Centre und das Pentagon getroffen, sondern auch den Kritischen Kreis. Ausgangspunkt unserer Trennung war die „Erste Stellungnahme der Bahamas zum islamistischen Massaker in den USA“, wo ganz offen Militärschläge gegen islamistische Zentren eingefordert und prophylaktisch begrüßt wurden. Da bekannt ist, dass es ein ausgesprochenes Naheverhältnis einiger Redakteure der Streifzüge zu den Bahamas gibt, war davon auszugehen, dass auch dem Kritischen Kreis eine ähnliche Haltung unterstellt wird.

Diese Erklärung der Bahamas wurde von uns nicht nur im Gestus und Duktus als völlig unannehmbar eingeschätzt, sondern insgesamt als kriegshetzerisch und rassistisch beurteilt. Mit Leuten, die diese Erklärung als Diskussionsgrundlage verstehen, konnten wir uns nicht vorstellen, weiterhin gemeinsam eine Redaktion zu bilden. Bei der Diskussion dazu wurde zwar von der Gegenseite einiges eingeräumt, nicht jedoch wurden unsere grundsätzlichen Bedenken geteilt.

Den Schritt von der radikalen Linken zur extremistischen Agitationssekte, wie ihn die Bahamas schon des längeren vorexerziert, den wollten wir weder mittragen noch tolerieren. Für Kriegsgeschrei und Aufforderungen, die Bedrohten doch endlich direkt dem Wertgesetz zu unterstellen, ist in den Streifzügen kein Platz. Bomben für den Wert ist so ziemlich das Letzte, was wir uns wünschen. Nun wollen wir unseren Ehemaligen solche Phantasien vorerst nicht unterstellen, aber es reicht, einen solchen Standpunkt für diskutabel zu halten. Nur eine kategorische Zurückweisung ist möglich.

Zweifellos: Die Anschläge in den USA haben so die Differenzen auf den jeweiligen Punkt gebracht. Bei der Beurteilung der Ereignisse kamen wir uns teilweise vor, als würden wir in Parallelwelten leben, so unterschiedlich waren die Einschätzungen betreffend: Charakter der Attentate, Kriegshetze, Parteinahme, Stellenwert des Antisemitismus etc. Unter diesen Voraussetzungen erscheint es uns unmöglich, unter einem Zeitungsdach weiterzumachen. Daher wurde dieser Bruch von uns auch bewusst betrieben und angestrebt. Er ist uns nicht unterlaufen. Was nicht mehr trägt, ist nicht aufrechtzuerhalten. Das gemeinsame Label der Wertkritik, so es ein solches gegeben hat, ist spätestens mit 11. September 2001 endgültig gesprengt.

Und doch war es eine fruchtbringende Zeit, in der wir alle einiges gelernt und weitergebracht haben. Den jetzt Abgegangenen wünschen wir auch gar nichts Schlechtes, wenngleich wir meinen, dass sich hier ein Teil, und der gehört nicht zu den übelsten, in Sektierertum, Borniertheit, ja Manichäismus verliert. Das Dümmste wäre jetzt eine Debatte Marke: Kriegshetzer gegen Antisemiten. Der Schmutzkübel ist die Waffe der Ratlosen, die üble Nachrede nur eine niedere Form der Kommunikation. Unser Interesse ist nicht, die anderen zu schädigen, sondern wir hoffen im Gegenteil, dass dort noch Vernunft einkehrt, sie sich nicht auf den Bahamas überhitzen, sondern die Kommandoerklärungen aus Berlin als das erkennen, was sie sind: durchgeknallter Schwachsinn. Wenn wir dazu etwas beitragen können, machen wir das gerne.

Franz Schandl, Gerold Wallner, Maria Wölflingseder, 16.10.2001

Zu den jüngsten Vorgängen in der Redaktion der Streifzüge: Ich sah mich gezwungen,aus der Redaktion auszutreten,weil die von mir eingeforderte Diskussion über einen Text, den ich selbst in keiner Weise unterschrieben hätte, unterbunden wurde.Wie man sich in einem Kollektiv darüber verständigen soll, ob es Sinn macht oder eben auch keinen Sinn mehr, weiter zusammenzuarbeiten,wenn doch von Anbeginn der vermeintliche Grund der Differenz von einer Seite mit grundsätzlichem Diskussionsverbot belegt wird,wird mir bis auf Weiteres ein Rätsel bleiben.

Thomas König

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Erstveröffentlichung im FORVM:
Oktober
2001
, Seite 40
Autor/inn/en:

Thomas König: Thomas König studiert Politikwissenschaften in Wien und ist in der dortigen Basisgruppe aktiv.

Franz Schandl:

Geboren 1960 in Eberweis/Niederösterreich. Studium der Geschichte und Politikwissenschaft in Wien. Lebt dortselbst als Historiker und Publizist und verdient seine Brötchen als Journalist wider Willen. Redakteur der Zeitschrift Streifzüge. Diverse Veröffentlichungen, gem. mit Gerhard Schattauer Verfasser der Studie „Die Grünen in Österreich. Entwicklung und Konsolidierung einer politischen Kraft“, Wien 1996. Aktuell: Nikolaus Dimmel/Karl A. Immervoll/Franz Schandl (Hg.), „Sinnvoll tätig sein, Wirkungen eines Grundeinkommens“, Wien 2019.

Maria Wölflingseder:

Geboren 1958 in Salzburg, seit 1977 in Wien. Studium der Pädogogik und Psychologie. Arbeitsschwerpunkt: Kritische Analyse von Esoterik, Biologismus und Ökofeminismus; zahlreiche Publikationen. Bei den Streifzügen seit Anbeginn. Mitherausgeberin von „Dead Men Working“ (Unrast-Verlag, 2004). Nicht nur in der Theorie zu Hause, sondern auch in der Literatur, insbesondere in der slawischen. Veröffentlichungen von Lyrik sowie Belletristik-Rezensionen.

Gerold Wallner:

Freier Autor und Anbieter antiquarischer Bücher in Wien.

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