MOZ » Jahrgang 1990 » Nummer 58
Johanna Dohnal • Ursula Kubes-Hofmann
Interview:

Fällt euch eine bessere Lösung ein?

Ursula Kubes-Hofmann sprach mit der Frauenstaatssekretärin Johanna Dohnal über Frauenpolitik und Koalitionsverhandlungen.

Ursula Kubes-Hofmann (links) und Johanna Dohnal
MONATSZEITUNG: Die Koalitionsverhandlungen, Frau Dohnal, sind noch nicht abgeschlossen. Welche frauenpolitischen Forderungen haben Sie denn in die Diskussion eingebracht?

Dohnal: Ich habe bereits im Sommer mit Frauenarbeitsgruppen aus dem wissenschaftlichen, künstlerischen und autonomen Bereich Forderungen durchbesprochen und den diversen Arbeitsgruppen in den Koalitionsverhandlungen zugeordnet. Von der Verwaltungs- und Demokratiereform, wo die gesetzliche Verankerung des Frauenförderungsprogramms gefordert wurde, über das Gleichbehandlungsgesetz für den öffentlichen Dienst bis zur Forderung der sozialistischen Frauen nach hundert Wahlkreisen im Zusammenhang mit dem Persönlichkeitswahlrecht.

Die EG hat einige Milliarden Schilling für Frauenförderung versprochen. Wird das Einfluß auf die kommende Frauenpolitik in Österreich haben, da die Koalitionsverhandlungen bereits EG-konform ablaufen?

Wir sind noch nicht in der EG und werden vor 1994, ’95 nicht hineinkommen.

Gibt es einhellige Standpunkte innerhalb der SPÖ-Frauenorganisation zum Beitritt Österreichs in die EG?

Nein, gibt’s nicht. Aber es gibt in den sozialistischen Frauenorganisationen größere Bedenken als im freien Wirtschaftsverband. Die Gefahr besteht, daß soziale Standards, die wir haben, durch den EG-Beitritt eingefroren werden können. Die Nivellierung erfolgt ja schon zu einem Zeitpunkt, wo wir gar nicht drinnen sind. Auf der anderen Seite gibt es wieder Empfehlungen, Richtlinien der EG an die Mitgliedsstaaten in Punkto Gleichbehandlungsgesetz.

Gemeint sind Sanktionsmöglichkeiten, die es in Österreich derzeit nicht gibt. Abgesehen davon gibt es jetzt in allen Parteien die Tendenz, integrative Frauenförderungspolitik zu betreiben.

Das muß man ausnützen.

Wohl aber auch hinterfragen und kritisieren. Es muß ja noch klar bleiben, worin man sich abgrenzt, ohne Feindbilder zu schaffen. Sonst haben wir zwar ein paar Managerinnen mehr, aber gleichzeitig Tendenzen zu möglichen Doppelverdienerverordnungen, wie man sie aus unseligen Zeiten kennt. Das sollte man ja nicht aus dem Auge verlieren. Das bedeutet aber, der Kritik- und Utopiefähigkeit von Feministinnen mehr Gehör schenken.

Selbstverständlich. Darauf muß man verstärktes Augenmerk haben.

Frauenpolitik in den neunziger Jahren müßte einer Änderung des Frauenbildes, das nicht nur in konservativen Zeiten in Mütterlichkeit schwelgt, — strukturpolitisch leider immer noch das machtvollere — Rechnung tragen. Wesentlich mehr Frauen leben heute sexuell und ökonomisch unabhängig von Männern, ein Umstand, der politische Konsequenzen haben müßte. Dazu gehört auch der Bereich einer veränderten Alltagskultur von Frauen, die von Feministinnen geschaffenen Freiräume der frauenspezifischen Lebensund Arbeitszusammenhänge. Was wird in dieser Richtung zur Unterstützung getan werden?

Wenn ich das in die Regierungsformen des vergangenen Dezenniums hineingieße, ist gerade hier einiges passiert. Ab 1986 ist sehr viel Energie für die Abwehr des traditionellen Frauenbildes, das wieder gemalt wird, draufgegangen. So etwa gegen die ÖVP-Forderung nach gesetzlicher Verankerung von Ehe und Familie in der Verfassung oder die Erziehungsgeldmodelle.

Wie soll die Zusammenarbeit mit autonomen Feministinnen künftig erfolgen?

Punktuelle Zusammenarbeit in konkreten Sachfragen ist heute eher möglich als früher. In einer Koalition ist die Frage der Bündnisse sehr wichtig. Bezogen auf die politische Entwicklung ist festzustellen, daß Positionen, die einst radikal, radikalfeministisch links-links oder wie immer auch waren, heute mehrheitsfähig geworden sind.

Das würde ich bestreiten, geht man von einem radikaleren und erweiterten Begriff des Selbstbestimmungsrechtes der Frauen aus. Ein radikalisierter Begriff von Selbstbestimmungsrecht muß auch Auswirkungen auf institutionalisierte Frauenpolitik haben. Die Realität von vielen Frauen muß einem patriarchalischen Frauenbild entgegengesetzt werden, das bis jetzt moralische Werte setzt und in dem unabhängige und widerständige Frauen als Normbrecherinnen dargestellt werden.

Dafür gibt’s ja ein anderes Wort: Die sind ‚abnormal‘ im allgemeinen Verständnis. Das traut sich heute zwar keiner mehr über eine geschiedene Frau oder eine Alleinstehende mit Kind zu sagen, bei lesbischen Frauen aber wird das so verwendet. Wenn wir bei dem noch bleiben, wo Sie die neue Qualität in der Frauenpolitik sehen, muß man erst schauen, was man da pragmatisch machen kann, um sich dorthin zu bewegen.

Das hängt auch mit der Selbst- und Fremdwahrnehmung der Frauen untereinander zusammen, mit ihrem Demokratieverständnis und ihrem Solidaritätsbegriff. Eine verwirklichte Demokratie richtet sich ja danach, wie in einem Land mit Außenseiterinnen umgegangen wird. Hat sich da Ihrer Meinung nach etwas geändert?

Es geht, auch was Frauen betrifft, um die Schaffung einer Konfliktkultur, ein wichtiger Aspekt, wenn man von Demokratie redet. Die mit dem Geld verbundene Machtfrage löst sich aber damit nicht auf. Ich kann nicht sagen, daß wir in Österreich keine Demokratie haben, aber jede Demokratie ist auch etwas sehr Unvollkommenes. Hinsichtlich Konfliktkultur sind wir relativ unterbelichtet. Verglichen mit der BRD wird bei uns harmonisiert, verschleiert, eher von hinten herum agiert, anstatt Konflikte offen auszutragen.

Der Entwurf des Fortpflanzungshilfegesetzes etwa ist noch veränderbar. Es gibt den Passus, daß Invitro-Fertilisation nur bei eheähnlichen Verbindungen anzuwenden sei. Damit werden alleinstehende und lesbische Frauen ausgeschlossen. Wie stehen Sie dazu?

Das könnte man ändern, nur — ich werde vehement dagegen kämpfen. Der Entwurf ist von mir und ich hab’ wirklich zwei Jahre lang hin und her überlegt. Im Grunde muß man sich mit der Tatsache der künstlichen Fortpflanzungsmöglichkeiten auseinandersetzen, auch wenn man dagegen ist. Wenn man da ein Gesetz macht und sagt, das ist verboten, das ist genauso für den Kanal, wie wenn man die Abtreibung verbietet. Dann wird das in der Grauzone kriminalisiert. Glücklicherweise haben wir wenigstens die Fristenlösung. Ein Verbot ohne Sanktionen geht nicht, und ein Verbot mit Sanktionen lehne ich ab, denn den Letzten, und das sind die Frauen, beißen die Hunde. Das kann man wirklich spiegelgleich mit dem Schwangerschaftsabbruch vergleichen. Daher geht es um Schaffung von gesetzlichen Bestimmungen, die die Durchführung denen eröffnen, die das wollen, aber so restriktiv sind, daß es nicht zur Leihmutterschaft kommt. Das ist der springende Punkt: Das kann man nur machen, wenn man das beschränkt auf jene Paare — die katholischen Organisationen wollen den Trauschein, das haben wir natürlich nicht gemacht —, von denen Samen und Eizelle stammen und die die Verantwortung für das Kind übernehmen. Wenn man das Gametenpaar auf dieses Paar beschränkt, definiert man eine eheähnliche Verbindung. Wenn Euch eine bessere Lösung einfällt, bin ich wirklich offen für Vorschläge.

Der Begriff Fortpflanzungshilfegesetz ist einigermaßen abstrus ...

Der Name muß weg. Das soll ja genau das Gegenteil sein, bitte. Ein Fortpflanzungsverhinderungsgesetz, wenn Sie so wollen ...

Das würd’ ich schon besser finden ...

Ich versteh’ das ja nicht, warum Frauen, die sich dazu bekennen, mit Frauen zu leben, unbedingt ein Kind haben wollen.

Es geht bei der Kritik auch um etwas anderes. Nämlich um eine Bumerangfunktion, die ein Fortpflanzungsgesetz mit diesen Diktionen haben kann. Und zwar hinsichtlich einer gentechnologischen Festschreibung der Familie, die immer noch als Keimzelle des Staates begriffen wird, und die Unterfütterung mit biologistischen Festschreibungen auf Rollenklischees von Frauen und Männern. Die Zementierung konservativer Wertvorstellungen mit Hilfe von gentechnologischen Gesetzesregelungen.

Die reine Lehre ist es natürlich im radikalfeministischen Sinn nicht — radikal ist für mich ein positives Wort —, ich kenne diesen Makel. Ich muß aber fragen: Was ist mir lieber — die Leihmutterschaft zu ermöglichen oder in Kauf zu nehmen, daß Frauen und Männer keine Kinder haben können, wenn sie das wollen? Da entscheide ich mich für die zweite Lösung. Ich werde das noch oft erklären müssen. Es hat keinen Sinn zu sagen, Leihmutterschaft ist verboten, man kann das nicht überprüfen. Man kann die Agenturen nicht verhindern, wir kennen doch die kapitalistischen Mechanismen. Aber ich kann das beschränken, indem ich das beim Arzt machen lasse, und zwar nur Invitro-Fertilisation. Natürlich wird es Ärzte geben, die das auch umgehen werden.

Wie wird das mit den zwei unangenehmen Homosexuellenpragraphen im Sexualstrafrecht weitergehen? Ist anzunehmen, daß die in der kommenden Legislaturperiode endlich verschwinden?

Das hängt von der zukünftigen Regierung und dem Justizminister ab. Es gibt zwei Möglichkeiten — entweder man hat einen Justizminister, mit dem man eine Regierungsvorlage zusammenbringt; wenn das nicht der Fall ist, muß man das über die parlamentarische Initative machen. Ich unterstütze das und werde mit den anderen Parlamentariern, die auch gegen diese Paragraphen sind, eine Initative setzen.

Es gibt hier EG- und Europaratsempfehlungen, und daraus ergibt sich eine pragmatische Notwendigkeit der Abschaffung: Ich kann nicht auf der einen Seite die HOSI auf kommunaler Ebene unterstützen, andererseits kriminalisieren. Es muß eine Gesetzesänderung gemacht werden. Totes Recht kann immer zur Anwendung kommen, wie man kürzlich bei der HOSI gesehen hat. Den Zustand kann man nicht weiter belassen.

Messen Sie der autonomen Frauenbewegung eine politische Avantgardefunktion weiterhin zu oder hat sich Ihrer Meinung nach die Rolle als kritisches Analyse-, Radikalisierungs- und Vorantreibungsinstrument im realpolitischen Spektrum geändert?

Das stellt sich heute anders dar. Es ist aber eine Notwendigkeit für genau eine solche Bewegung entstanden. Vieles an Forderungen ist erst durch die Autonomen Frauen mehrheitsfähig geworden.

Avantgardepolitisch im Sinn der Analyse und Diskussionen, Aktionen. Es gibt auch eine andere Erscheinungsform, die ich auch als politisch einstufe. Die Autonome Frauenbewegung hat in ihrer unterschiedlichen theoretischen und praktischen Vielfalt sehr vieles bewirkt, und viele Feministinnen haben sich in Projekten etabliert. Das ist bitte auch politische Arbeit, das ist zwar Sozialarbeit hauptsächlich, aber nicht nur.

Viele Feministinnen leisten letzten Endes aber Reparaturarbeit für eine Gesellschaft, die in ihrer kapitalistischen und patriarchalen Struktur nicht mehr in Frage gestellt wird. ‚Weibliche Tugenden‘ werden durch — wenn auch geringe — Bezahlung aufgewertet. Das ist insgesamt ein Trend der integrativen Frauenpolitik, wo sich Konservative mit der Vorstellung nach mehr weiblicher Sanftmut auf allen gesellschaftlichen Ebenen anhängen. Sehen Sie darin nicht ein Problem?

Für die Autonomen hat sich das hinsichtlich der Reparaturarbeit deswegen so stark entwickelt, weil die meisten Projekte nur aus der Arbeitsmarktverwaltung (AMV) finanziert werden können. Sie werden so konzipiert, daß sie in die Strukturen der AMV passen. Da ist schon System dahinter. Nicht daß irgendein Sozialminister das schlecht gemeint hätte.

Daher haben wir gerade in den konservativen und kirchlichen Frauenorganisationen aber auch ein anderes, mitunter fortschrittlicheres Frauenbewußtsein erreicht. Außerdem gibt es ein breites Spektrum an jungen Frauen, die den Kampf unserer Generationen nicht kennen, aber aus dem Grund von einer anderen Stufe weg ihr politisches Bewußtsein entwickeln. Dadurch besteht die Gefahr, daß wir einander nicht mehr verstehen. Es gibt von uns auch wenige, die eine direkte Linie dahin finden. Denn es gibt auch Frauen, die über die Medien verkünden lassen, daß es die Frauenbewegung nicht mehr gibt, weil die für sie keine Rolle mehr spielt. Ich würde mir wünschen, daß wieder viel mehr Bewegung nach außen hin besteht, beginnend mit der Analyse.

Nach den Zeiten des Zweckoptimismus und Pragmatismus also wieder ein Votum für mehr Theorie und Analyse und daraus folgende Aktionen?

Ja, unbedingt.

Wir danken für das Gespräch.

Werbung

Erstveröffentlichung im FORVM:
Dezember
1990
, Seite 22
Autor/inn/en:

Ursula Kubes-Hofmann:

Philosophin und Literaturwissenschafterin, lebt und arbeitet in Wien.

Johanna Dohnal:

Lizenz dieses Beitrags:
Copyright

© Copyright liegt beim Autor / bei der Autorin des Artikels

Diese Seite weiterempfehlen

Themen dieses Beitrags

AkteurInnen der Kritik

Politische Parteien