FORVM » Print-Ausgabe » Jahrgänge 1954 - 1967 » Jahrgang 1965 » No. 134
Economicus

Dollar go home!

Der Beschluß der französischen Nationalbank, 300 Millionen Dollar aus ihren Devisenreserven in Gold zu konvertieren, ist in der westlichen Welt als Claironsignal zum Angriff gegen die westliche Leitwährung verstanden worden. Goldene Zeiten für die Goldspekulation, die dem Dollar bereits seine Abwertung und dem Gold eine kräftige Preiserhöhung voraussagte und Goldnotierungen hervorzauberte wie in den schönsten Zeiten der Korea-Hausse.

Das aber war nicht der Zweck, den die französische Notenbank verfolgte. Er war ein sehr anderer.

Schon im Herbst, anläßlich der Jahresversammlung der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds in Tokio, hat sich Frankreich für eine Reform des internationalen Zahlungssystems scharf ins Zeug gelegt und seither vor allem seine EWG-Partner an diesem Plan zu interessieren versucht, der auch von der OECD studiert wird, weil ihm sachliche Gründe nicht abgesprochen werden können.

Der internationale Zahlungsausgleich wird bei dem heutigen Gold-Devisen-Standard entweder durch Gold oder durch die beiden Reservewährungen Pfund und Dollar durchgeführt. Da die verfügbaren Goldmengen trotz einer Rekordproduktion Südafrikas beschränkt sind und den Bedürfnissen des Welthandels bei weitem nicht mehr genügen, und da die Pfund- und Dollarreserven der westlichen Zentralbanken von den jeweiligen Zahlungsbilanzen Großbritanniens und der Vereinigten Staaten abhängen, ist der Zahlungsausgleich zwischen den westlichen Ländern ins Korsett gepreßt.

Die Krise des Pfunds, die bei Amtsantritt der Labourregierung die Welt alarmierte, und die Schwäche des Dollars als Folge einer chronisch passiven Zahlungsbilanz, die ständig an den Goldreserven der Vereinigten Staaten zehrt, waren zwei Symptome jener Situation, die Paris durch die Schaffung einer „europäischen Reservewährung“ sanieren will.

Das ist in kurzen Worten der währungspolitische Hintergrund, vor dem sich der Angriff der französischen Notenbank gegen die mageren amerikanischen Goldreserven abspielt. Die Bank von Frankreich besitzt heute dank eines enormen Zahlungsbilanzaktivums trotz passiver Handelsbilanz Reserven in der Höhe von 35 Prozent des amerikanischen Goldschatzes. Derzeit ist dieser auf etwa 15 Milliarden Dollar geschrumpft, d.h. innerhalb eines Jahrzehnts etwa auf die Hälfte. Die Golddeckung des Dollars beträgt nur noch 27,8 Prozent, d.h. um 2,8 Prozent mehr als der gesetzliche Mindestsatz.

Und dies, obschon der US-Außenhandel 1964 mit einem Aktivum von etwa 6,5 Milliarden abgeschlossen hat. Doch die Zahlungsbilanz war wieder mit mehr als 2 Milliarden Dollar passiv, was — neben der amerikanischen Entwicklungs- und Militärhilfe — vor allem den hohen privaten Kapitalexporten anzulasten ist. Diese waren auch im Vorjahr bedeutend; sie dürften, wenn die Vorausschätzungen stimmen und die Politik nicht eingreift, in diesem Jahr noch größer werden. Ihr Totalwert wird derzeit auf mehr als 40 Milliarden Dollar geschätzt.

Diesen wandernden Dollarmilliarden hat die französische Nationalbank den Kampf angesagt. Es ist bekannt, daß die amerikanischen Investitionen in Frankreich mehr als 1200 Millionen Dollar betragen und daß mindestens 65 der größten französischen Unternehmungen von US-Kapital kontrolliert werden. Verständlicherweise will man in Paris die Etablierung von soviel Auslandsgeld in Frankreich schon aus Gründen der Stabilisierungspolitik bremsen, die durch solche „importierte Inflation“ gefährdet wird.

Was schon mit administrativen Kontrollmaßnahmen erreichbar wäre, vollführt man jedoch mit der schweren Artillerie der Goldpolitik. Dies zeigt wohl, daß de Gaulle sein Ziel viel weiter gesteckt hat. Sein Finanzminster hat zwar ausdrücklich erklärt, daß die Konversionsoperation der Notenbank keine politischen Ziele verfolge, sondern durchaus ‚‚im Rahmen sorgfältiger Verwaltung der Reserven“ liege, doch wird es schwerlich ein Zufall sein, daß gleichzeitig eine sehr lebhafte Kampagne gegen den Einfluß des US-Kapitals in der französischen Wirtschaft begonnen hat. Die verschiedensten offiziösen Stimmen legen Washington nahe, zur Sanierung seiner angespannten Goldsituation den privaten Dollarexport unter Kontrolle zu bringen.

Das ist eine Aufforderung zur Entliberalisierung des internationalen Kapitalverkehrs, also zu einer Politik, die im extremen Gegensatz zur Liberaliserung des Warenverkehrs stünde, die vor allem Washington dringend erstrebt. Tatsächlich ist auch kaum anzunehmen, daß die USA durch die Not ihrer Zahlungsbilanz so weit vom Gebot ihrer Liberalisierungspolitik abweichen und dirigistische Methoden für den Kapitalexport einführen werden. Weit eher ist zu vermuten, daß Johnsons Plan, durch eine Herabsetzung der Golddeckungspflicht die verfügbaren Goldreserven zu erhöhen, die Zustimmung der amerikanischen Legislative finden wird.

Eine staatliche Lenkung der privaten Auslandsinvestitionen wäre das letzte, zu dem sich Washington verstehen könnte, und tatsächlich haben einflußreiche Sprecher des Finanzkapitals allen solchen Plänen bereits schärfsten Kampf angesagt.

Denn offenbar sind Investitionen in stark expandierende europäische Volkswirtschaften lohnender als sonstwo. Doch angesichts der Notwendigkeit, die Expansion und damit die Inflation unter Kontrolle zu bringen, weist eine europäische Regierung nach der anderen dem Dollar, dem Europa noch vor wenigen Jahren nachjagte, die Tür. Bern hat das durch die Sterilisierung der Auslandsgelder und entsprechende Vereinbarungen mit dem Bankenapparat getan, Bonn will es durch die Couponsteuer für „gebietsfremde Gelder“ und die Forçierung des eigenen Kapitalexports tun. Jetzt ist de Gaulle daran, den Dollar durch Angriff auf seine Golddeckung aus Frankreich hinauszuprügeln.

Doch damit wird sich Paris wohl nicht bescheiden. Was es als Fernziel erstrebt, ist eine europäische Reservewährung unter ähnlicher Führung durch den Franken wie sein Europa der Vaterländer unter der Führung des Vaterlandes Frankreich.

Die währungspolitischen Verhältnisse sind solch einem Unternehmen günstig. Es kommt nicht von ungefähr, daß de Gaulles Finanzminister urbi et orbi verkündet hat, Paris sei im Begriffe, der erste Finanzplatz des Kontinents zu werden. Ob die weltpolitischen Verhältnisse einer solchen Politik ähnlich günstig sind, dürfte in Paris sehr anders als in Bonn, London und Washington beantwortet werden. De Gaulle sieht offenbar den Augenblick gekommen, in dem er wie die politische und militärische so auch die währungspolitische Abhängigkeit Europas von den USA lockern kann.

Der Dollar hat in Europa seine Schuldigkeit getan — Dollar go home.

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Erstveröffentlichung im FORVM:
Februar
1965
, Seite 59
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