MOZ » Jahrgang 1989 » Nummer 43
Franz Schandl

Das österreichische Niveau — zur 200. Ausgabe des „Standard“

Motto: „Ich will Österreich einfach eine gute Tageszeitung geben“ (Oscar Bronner).

Böse Zungen reden schon von der zunehmenden Zahl der Klopapierträger in der Öffentlichkeit. Derweil ist es offensichtlich ganz anders gemeint, sowohl von den Auftraggebern als auch von den Austrägern. Der zur Schau getragene moderne Liberalismus setzt eben Zeichen, und da die Unterschiede zu den anderen Gazetten — sowohl in Inhalt als auch Form — als unbeträchtlich und minimalst zu bezeichnen sind, die Farbe des Papiers ist es allemal, und werbetechnisch — das sei, ohne den Satz zu beenden, gleich angemerkt — verwandeln sich die Träger des gelben Großformats in Werbeträger, in lebendige Sandwichmänner der neuen Tageszeitung. Das fällt mehr auf als den STANDARD-Redakteuren ein.

Alles andere — so würden wir aufs Letzte behaupten — ist Schein. Vor allem jene viele so selig machende Unterstellung: „Solches Niveau gab es noch nie wo!“ Niveau? Noch nie wo? — Iwo!

Gedenken wir einiger Redakteure. — Schauen wir einmal, was da nicht alles dem KURIER entsprungen — Springer macht’s möglich — ist.

Da wäre einmal Gerfried Sperl, der erst im Vorjahr mit einer Serie über die 68er aufgefallen ist (vgl. dazu Wolfgang Beyer, Die magische Acht oder: In 80 Phrasen um die Welt, MOZ 5/88). Das war noch im „Kurier“, im STANDARD verfolgt er die 68er — oder was er dafür hält — emsig weiter. In Zusammenhang mit der Affäre Rushdie wirft er „manchem unserer linken und linksliberalen Berufskritiker“ (2.5.) — man beachte die originelle Wortwahl — ein zu einfaches Feindbild vor, was im konkreten Fall nicht anderes hieß als ein zu lasches Vorgehen der Grazer Autorenvereinigung gegen die muslimischen Feinde der Freiheit. Wer am Eiertanz gegen den Ayatollah nicht teilnimmt, wer versucht, eine differenziertere Position zu entwickeln, der wird schnell aus dem Konsens der Demokraten entlassen.

Vergessen wir nicht Conrad Seidl, jenen eigentümlichen Ideologieverschnitt aus dem Armeekommandanten Philipp und dem Grünabgeordneten Pilz, der es gar haßt Unfertiges zu sehen. So etwa ein unfertiges Bundesheer, das ohne Lenkwaffen die Glaubwürdigkeit verlieren würde (29.4.); so unfertige Grüne, die aber mit ihrer Lucona-Arbeit schon ein Erwachsenwerden andeuten (14.3.).

Doch ganz trauen soll man ihnen nun wieder nicht, weiß der Wirtschaftskommentator Horst Knapp zu berichten, der sich vehement gegen die Idee einer Umweltpartnerschaft wendet, denn, so Knapp knapp: ‚„Fundis sind keine Sozialpartner“ (29.5.). Hier wird Anpassung ohne Wenn und Aber verlangt.

Knapp sorgt sich aber nicht nur um die Domestizierung der hiesigen Grünen, sondern auch um jene der Bewohner der „3. Welt“. Wie die Grünen ihre Schuldigkeit zu erfüllen hätten, so hätten wohl auch die Bloßfüßigen ihre Schulden pünktlich zu begleichen. Was ja ein großes Problem, vor allem wohl für „uns“ ist. Daher — man lese, ohne zu staunen: „Der Sinn eines Ausgleichsverfahrens ist doch der, dem Schuldner die Chance zu bieten, den Geschäftsbetrieb fortzuführen und genügend hohe Erträge für die Bedienung seiner Restschuld zu erwirtschaften“ (10.4.). Nicht um sein Schicksal geht es, sondern um unsere Bedienung, wie Knapp so schön formuliert. Das ist Imperialismus pur, was der Knappe des Westens hier vorschlägt.

Sein Plätzchen erobert hat auch Alfons Dalma, jener Felsen in der Brandung des westlichen Imperiums, ein unerschrockener Kämpfer für Freiheit und Demokratie. Wer sonst würde uns noch warnen vor Arafat, dem Täuscher, vor Gorbatschow, dem Schmeichler? Wer sonst hält die dicke Brille vor unsere kurzsichtigen Augen und mahnt zur Stärke: „Immer mehr läßt sich die öffentliche Meinung des Westens durch Wortspiele von Sachinhalten der Sicherheitspolitik ablenken“ (6.5.).

Selbst bei den Kopfgeldjägern der Aufdeckung, dieser einzigartigen Marotte der heimischen Medien, will der STANDARD nicht zurückstehen. Wissenschaftlich fundiert natürlich. Wozu gibt es denn Publizistikdozenten wie Hannes Haas, die den Kurs freudig bestätigen. Zwar mahnt unser Wissenschaftler davor, den eigentlichen Sinn im Auflagensteigern zu vergessen („Auch für die Journalisten dominiert nicht immer der staatstragende Gedanke“ — denn gut ist heute, was für den Staat gut ist!), doch sonst gibt es am investigativen Journalismus in den rot-weiß-roten Fahnen nichts auszusetzen: „Konzediert man unserem politschen System ein hohes Maß an Selbstreinigungskraft, dann ist dieser Journalismus ein starkes Waschmittel“ (26. 4.), das nachher sämtliche Informationsflüsse versaut, würden wir — ökologisch geschult und wie immer etwas weiter denkend — hinzufügen.

Man frägt sich: Wozu das Gleiche noch einmal? Man antwortet: Darum geht es nicht, die behauptete Andersartigkeit des rosa Neulings ist doch bloß eine argumentative Zumutung. Tatsächlich beobachten wir die Neuaufteilung des österreichischen Medienmarktes, wobei WAZ und Springer ihre ersten Stellungen eingenommen haben. Vor dem nächsten KROKU-Deal kommt womöglich noch eine andere Springer-Zeitung an die Donau. Eine — frei nach Huxley — für die Gammas und Deltas (merke: 70% der STANDARD-Leser gehören zur A- und B-Schicht), eine, in der angebotene Jobs nur noch „Offene Stellen“ heißen und nicht gleich „Karrierechancen“ wie im STANDARD eröffnen.

Trotz alledem: Bronner ist einiges gelungen: seine Zeitung ist von WELT. Die von BILD wird noch folgen.

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Erstveröffentlichung im FORVM:
Juli
1989
, Seite 10
Autor/inn/en:

Franz Schandl:

Geboren 1960 in Eberweis/Niederösterreich. Studium der Geschichte und Politikwissenschaft in Wien. Lebt dortselbst als Historiker und Publizist und verdient seine Brötchen als Journalist wider Willen. Redakteur der Zeitschrift Streifzüge. Diverse Veröffentlichungen, gem. mit Gerhard Schattauer Verfasser der Studie „Die Grünen in Österreich. Entwicklung und Konsolidierung einer politischen Kraft“, Wien 1996. Aktuell: Nikolaus Dimmel/Karl A. Immervoll/Franz Schandl (Hg.), „Sinnvoll tätig sein, Wirkungen eines Grundeinkommens“, Wien 2019.

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