Streifzüge » WWW-Ausgabe » Jahrgang 2016
Maria Wölflingseder

Das Lächeln meines unsichtbaren Vaters

von Dmitrij Kapitelman
Hanser Verlag, Berlin 2016, 286 Seiten, ca. 20 Euro.
Rezension

Vom Judentum ausgeschlossen zu werden ist doch eigentlich ein Geschenk! Wozu will ich einer der allzeit verhasstesten Gruppen angehören?“ Diese Frage ist in Dmitrij Kapitelman – genannt Dima – langsam gekeimt und trotz so vieler anderer interessanterer Fragen als die eigene Abstammung („Warum habe ich meine Packung Biokiwis nicht gegessen? … Warum bin ich so schwerfällig beim Verlieben? … So Kram.“) immer drängender geworden.

Dima ist 1986 in Kiew geboren. Als er acht Jahre alt war, ist die Familie nach Leipzig ausgewandert – als „willkommene Wiedergutmachungsjuden“. Ausgerechnet in jenes Viertel, in dem „jeden Abend Neonazihorden auf Menschenjagd gehen. Reichlich ungestört von der Polizei.“ Sein jüdischer, aber nicht religiöser Vater, der in Russland „ein selbstbestimmteres und erfüllteres Leben“ hatte, wird in Deutschland zunehmend unsichtbarer. Mit 28 Jahren ist Dimas fragwürdiges Dasein als „Falschjude“ noch immer nicht geklärt. So bricht er endlich mit seinem Vater nach Israel auf – um ihr beider „unsichtbares Ich“ zu erkunden.

Lesen Sie das Buch, Sie werden erstaunt sein, wie umwerfend komisch, humorvoll-ironisch und gleichzeitig so tiefgehend und klug Dima über diese Entdeckungsreise zu erzählen vermag. Und Sie werden noch erstaunter sein, was es da über Treue, Tradition und Verbundenheit zu erfahren gibt. Treue vor allem sich selbst gegenüber, dem, was Dima so stark in sich spürt. Kein leichter, aber dennoch leichtfüßiger Tanz über das im Klappentext erwähnte „Minenfeld der Paradoxien“. Eine wunderbare Fortsetzung uralter jüdischer Erzähltradition im ultra-modernen Gewand.

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Erstveröffentlichung im FORVM:
November
2016
Autor/inn/en:

Maria Wölflingseder:

Geboren 1958 in Salzburg, seit 1977 in Wien. Studium der Pädogogik und Psychologie. Arbeitsschwerpunkt: Kritische Analyse von Esoterik, Biologismus und Ökofeminismus; zahlreiche Publikationen. Bei den Streifzügen seit Anbeginn. Mitherausgeberin von „Dead Men Working“ (Unrast-Verlag, 2004). Nicht nur in der Theorie zu Hause, sondern auch in der Literatur, insbesondere in der slawischen. Veröffentlichungen von Lyrik sowie Belletristik-Rezensionen.

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