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Gerald Gmachmeir

Veränderungen der gesetzlichen Grundlagen des Zivildienstes

Seit 1. Jänner 1997 ist sie nun also durch das neue Zivildienstgesetz endgültig abgeschafft: die Gewissensprüfung. Der Zugang zum Zivildienst wurde dennoch nicht erleichtert.

Werden es unsere Vorgänger in den Zivildienerorganisationen, die sich jahrelang für die Streichung der so umstrittenen Gewissensprüfung eingesetzt haben, verstehen, daß sich viele Zivildienstengagierte im Herbst 1996 dennoch gegen dieses neue Gesetz und für eine Rückkehr zum alten Zivildienstgesetz 1986 (mit der Gewissensprüfung!) eingesetzt haben?

Ich bin davon überzeugt: Denn das Zivildienstgesetz besteht aus mehr als nur der Gewissensprüfungskommission. Nicht die Gewissensprüfung ist das schlimmste – das schlimmste ist, (wegen Fristen, Ruhensbestimmungen, Altfall-Sonderregelung o. a.) erst gar keinen Zivildienstantrag stellen zu dürfen.

Die wichtigste Forderung der Petition „Freiheit für das Gewissen – für ein besseres Zivildienstgesetz!“, die am 11.11.1996 im Parlament eingereicht wurde, lautete daher auch: „Keine Einschränkung der Gewissensfreiheit. Die Abgabe der Zivildiensterklärung muß jederzeit möglich sein!“

Zugegeben, das neue Gesetz hat hier eine klare Verbesserung gegenüber der Novelle 1994 mit ihrer 1-Monats-Frist („Wechsel zum Zivildienst nur innerhalb 1 Monat ab Stellung gestattet“) gebracht. Aber Österreich hatte damit eine der restriktivsten Zugangsregelungen in Europa – hätte man die in einem neuzeitlichen demokratischen Rechtsstaat wirklich aufrechterhalten können?

Ein Vergleich der derzeitigen Zugangsregelung für Neugemusterte – Antragsrecht bis zum 3. Tag vor Erhalt des Einberufungsbefehls – mit der alten (bis 10.3.1994 gültigen) – Antragsrecht bis 2 Wochen nach Erhalt des Einberufungsbefehls – zeigt, daß die Frist um wesentliche Tage gekürzt wurde. Wie unsere Vorgänger sicher bestätigen können, schickten nicht wenige die Zivildiensterklärung erst nach Erhalt des Einberufungsbefehls ab – nein, nicht weil sich ihr Gewissen plötzlich entwickelt hatte, sondern weil sie erst der Einberufungsbefehl wieder an die Wehrpflicht erinnerte.

Heute kann die Zivildiensterklärung dagegen bei genauer Betrachtung der Fristen quasi als Bestellschein für einen Einberufungsbefehl verstanden werden, und der Staat einem nachträglich das Recht auf Zivildienst aberkennen.

Da hilft es auch nichts, daß als einer der positiven Aspekte des neuen Gesetzes endlich eine Informationspflicht über den Zivildienst festgelegt wurde – aber wie weit sind wir schon gekommen, wenn wir es als große Errungenschaft ansehen, daß der Staat seine BürgerInnen über die Gesetze informiert?

Mit dem neuen Gesetz massiv verschlechtert wurde dagegen die Aufschubregelung: Aufschub wird nur mehr für jene Ausbildung gewährt, in der man sich am 1. Jänner des Jahres der Stellung befindet.

Zu den sukzessiven Verschlechterungen der letzten Jahre zählen auch die Verbürokratisierung des täglichen Lebens der Zivildienstleistenden (Stichwort Verpflegungsgutscheine) und natürlich ganz besonders die Verlängerung des Zivildienstes: 1992 wurde er „als Ausgleich“ für die (vorläufige) Abschaffung der Gewissensprüfungskommission auf zehn Monate verlängert, dann auf elf bzw. zwölf (zwölf Monate, wenn sich „zu viele“ zum Zivildienst meldeten) und jetzt auf zwölf. Mit dieser gegenüber dem Wehrdienst um 50% längeren Dauer gehört Österreich zu den Spitzenreitern in Europa. Die gesetzliche Grundlage blieb dabei unverändert, 1986 wie heute lautet der § 3 Abs 1 ZDG: „Der Zivildienstpflichtige ist zu Dienstleistungen heranzuziehen, die ... den Zivildienstpflichtigen ähnlich wie der Wehrdienst den Wehrpflichtigen belasten; ...“ Warum war dies bis zum 31.12.1991 der Fall bei acht Monaten Dienst, dann erst bei zehn Monaten, dann bei elf bzw. zwölf und jetzt erst bei zwölf Monaten? An der täglichen Belastung der Zivildiener hat sich nichts geändert.

Stark geändert hat sich dagegen die weltpolitische Lage: 1989 die mehr oder weniger friedliche Revolution im Ostblock, der Ostblock und die Sowjetunion sind zerfallen, der kalte Krieg ist Geschichte. In zunehmendem Maß wird über die Abschaffung der Wehrpflicht oder gar der Heere nachgedacht, es werden sogar konkrete Schritte dafür gesetzt (z. B. in Frankreich oder Rußland). Beim Krieg im ehemaligen Jugoslawien (und nicht nur dort) hätten wir wieder sehen können, daß mit Panzern keine Konflikte zu lösen sind. Wir hätten Zeit gehabt, gescheiter zu werden.

Wir haben in Österreich eine gesetzliche Lage, in der sich viele nach dem alten Zivildienstgesetz von 1986 mit seiner längeren Antragsfrist, gleicher Dauer von Wehr- und Zivildienst und weniger Bürokratie zurücksehnen, in der das Zivildienstgesetz nach wie vor hauptsächlich darauf abzielt, billige Arbeitskräfte für den Sozialbereich bereitzustellen anstatt für vorbeugende Konfliktverhütung.

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Erstveröffentlichung im FORVM:
Juni
1997
, Seite 10
Autor/inn/en:

Gerald Gmachmeir:

Mitarbeiter der Friedenswerkstatt Steyr & Zivildienstberatung ÖH Uni Linz.

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