In der Sonderausgabe des Times Literary Supplement vom September 1964 über die Avantgarde schrieb Michèle Bernstein am Schluss ihrer Notiz About the Situationist International folgendes: „Es ist selbstverständlich unmöglich, in ungefähr 100 Zeilen Argumente der situationistischen Thesen darzulegen oder gar diese mit gebührender Genauigkeit auszuführen … In den ersten Intellektuellenkreisen, die schon die Gelegenheit hatten, von diesen Thesen Kenntnis zu nehmen, fragen sich die meisten, ob die Situationisten scherzen oder ob sie sich vollständig irren, da sie einen ziemlich selten festgestellten Grad an Dummheit erreicht hätten. Die Situationisten behaupten, dass sich in etwa hundert Jahren keines dieser Bedenken ihnen gegenüber weiter vertreten lässt.“
Als die ersten Veröffentlichungen des von Alexander Trocchi geleiteten „sigma-Projekts“ im Herbst 1964 in London herauskamen, wurde einstimmig vereinbart, dass ein so offenes Unternehmen der kulturellen Forschung die S.I. nicht verpflichten könnte, trotz des von uns zugegebenen Interesses für einen Dialog mit den anspruchsvollsten der Individuen, die so besonders in den Vereinigten Staaten und in England in Kontakt treten können. Nicht mehr als Mitglied der S.I. hat also seither unser Freund Alexander Trocchi eine Tätigkeit weiterentwickelt, die wir in mehreren Punkten vollkommen gutheißen.
Ebenfalls 1964 wurden Dokumente über drei Filme von Guy Debord sowie deren Skripte in dem Buch Gegen den Film zusammengetragen, das vom Skandinavischen Institut des vergleichenden Vandalismus in Aarhus veröffentlicht wurde. Zu beachten ist, dass trotz dieser lobenden Ausgabe den Situationisten seither kein einziges Mittel angeboten wurde, sich filmisch auszudrücken (Godards Epoche dauert an).
In Dänemark hat J.V. Martin im Februar 1965 seine Kommentare — schwer von gravierenden Umständen — über den Prozess veröffentlicht, der vom Lokalzweig der „Moralischen Wiederaufrüstung“ gegen die S.I. angestrengt wurde (Im Namen des Volkes, deutsch im Text). Die links-sozialistische Zeitschrift Aspekt hat eine dänische Übersetzung von zwei unserer Texte veröffentlicht: in ihrer ersten Nummer die in S.I. Nr. 9 veröffentlichte Antwort auf eine Untersuchung mit dem Titel Die Philosophie verwirklichen — Die Kunst verwirklichen und die Theorien über die Kommune aus dem Flugblatt In die Mülleimer der Geschichte in ihrer dritten Nummer. Dieselbe Zeitschrift veröffentlichte einige unserer des öfteren in der europäischen Presse nachgedruckten spanischen „comics“, die eben die gerichtliche Verfolgung durch die „Moralische Wiederaufrüstung“ veranlasst hatten.
Am 17. März 1965 haben in Strassburg Situationisten die Konferenz unterbrochen, die der Kybernetiker Moles und der Bildhauer Schöffer geben wollten. Bei dieser Gelegenheit haben unsere Genossen das Flugblatt Die Schildkröte im Schaufenster — Dialektik des Roboters und des Signals verbreitet, sowie eine Neuauflage der Korrespondenz mit einem Kybernetiker aus der S.I. Nr. 9. Laut der Lokalzeitung vom 28.3.65 (die vielleicht einen Mord erwartete?) „konnte ein am Anfang des Abends von einem kleineren Situationistenkommando angezetteltes Geplänkel den weiteren Verlauf der Konferenz nicht stören …“
Gleichfalls im März wurde Uwe Lausen, nachdem er uns seine Absicht mitgeteilt hatte, in München ein „happening“ zu veranstalten, aus der S.I. ausgeschlossen.
Im Juli 1965 hat die S.I. die vervielfältigte Adresse an die Revolutionäre, die den kurz vorher veranstalteten Putsch von Boumedienne charakterisiert, illegal in Algerien verbreitet.
Die S.I. war bisher materiell nicht imstande, weder die deutsche Zeitschrift Der Deutsche Gedanke noch ihre dänische Zeitschrift weiter herauszugeben. Eine Ausgabe der letzten Situationistisk Revolution wird jetzt für die nächste Zeit ins Auge gefasst. Das lange aufgeschobene Projekt eines Wörterbuchs der situationistischen Begriffe wird jetzt in einer umfangreicheren Form unter der Leitung von Mustapha Khayati durchgeführt (siehe sein hier veröffentlichtes Vorwort).
Im November hat die S.I. die Adresse in einer französisch, deutsch, spanisch, englisch und arabisch verfassten Broschüre neu herausgegeben. Im Dezember sind zwei Extrabeilagen für die vorliegende Nummer dieser Zeitschrift separat gedruckt worden: Der Klassenkampf in Algerien in einem an Ort und Stelle verbreiteten Flugblatt und die Analyse der Los Angeles-Ereignisse in einer Broschüre auf englisch mit dem Titel The decline and fall of the „spectacular“ commodity-economy.
Ab jetzt geht die Korrespondenz an die S.I. an: B.P. 307-03. Paris. An die Zeitschrift Accion Comunista (vgl. unseren Beitrag zum Programm …) c/o F. Lardinois, 13 rue du Géron, Liège, Belgien. An die Föderation Zengakuren: Hirota Building 2-10 Kandajimbo-cho, Chiyoda Ku, Tokyo, Japan.
Das Buch, in dem Debord die Theorie des Spektakels ausführt, ist noch nicht beendet; dagegen hat Vaneigem sein Handbuch der Lebenskunst zum Gebrauch für die jungen Generationen Ende 1965 fertig gestellt und seitdem wurde das Manuskript von den Pariser Verlegern verschleppt.
Die VII. Konferenz der S.I. wird im Sommer 1966 abgehalten.