Bisher sind zu diesem Thema nur einzelne Artikel, u.a. in Context XXI, erschienen. Nun ist jedoch in einem kleinen Verlag ein neues Buch dazu erschienen, das davon ausgeht, dass “die Matrix des neuen Feindbildes als identitätsbildendes Moment [...] zweifelsohne nicht in der islamischen Tradition zu finden” ist. Aber nach der Staatsgründung Israels wäre ein halbwegs konfliktfreies Zusammenleben von Muslimen und Juden nicht mehr möglich gewesen.
Von den einst großen jüdischen Gemeinden in arabischen Ländern gibt es heute nur noch in Marokko und Tunesien nenneswerte Reste. In Ägypten. Libyen, im Irak und in Algerien endete blitzartig eine jüdische Gemeindetradition, die teilweise bis in die Antike zurückreichte. Das „Verschwinden“ der Juden aus den arabischen Gesellschaften, bzw. der Verlust des alltäglichen Miteinander-Lebens, ermöglichte den Prozess einer Feindbildkonstruktion, der die Erinnerungen an das viele Generationen überdauernde friedliche Zusammenleben bedeutungslos werden läßt. (S. 11)
Kiefer beschreibt detailliert den Import völkischer antisemitischer Stereotype in islamische Gesellschaften, die sich heute weit über die arabischen Staaten hinaus wiederfinden. Er analysiert den politischen Islam dabei nicht als vormodernes Phänomen, sondern sieht dessen Antisemitismus geradezu als Aspekt der islamischen Moderne, eben als modernen Antisemitismus. Der Analyse der Islamisierung des Antisemitismus folgt eine Nachbemerkung zum islamischen Antisemitismus bei Milli Görüs, Kaplans Kalifenstaat und anderen islamisch-integralistischen Organisationen in Deutschland, die dieses empfehlenswerte Buch noch lesenswerter macht.
Michael Kiefer:
Antisemitismus in den islamischen Gesellschaften
Der Palästina-Konflikt und der Transfer eines Feindbildes
Verlag: Verein zur Förderung gleichberechtigter Kommunikation e.V.
Düsseldorf, 2002
ISBN: 3-9805861-2-X
14,90 EURO