MOZ » Jahrgang 1990 » Nummer 55
Wolfgang Beyer

Sommerpost

Werter Oberpostmeister der Nation!

Was ist Ihnen und Ihren ausgefuchsten Postfüchsen denn da wieder eingefallen? Da wollen Sie der hehren Kunst was Gutes tun — und was kommt dabei heraus? Eine Sondermarke mit dem Konterfei „eines der bedeutendsten Dichter des Landes.“ Toll. Wie, sagen Sie, ‚heißt der Mann? Josef Friedrich Perkonig. Auch toll. „Ein Landschaftsdarsteller von fast klassischem Gepräge“ sei er gewesen, der Ferlacher local hero (Ferlach, ausgerechnet, die Heimat der Waffenschmiede!), beseelt von „antikisch-heiterer Philosophie voll Lebensweisheit und Lebenskunst“, die „uns lehrt, daß das Glück nicht im Besitzen, sondern im Besinnen liegt.“ Das alles und noch viel mehr dergleichen darf in Ihrem Auftrag ein Helmut Scharf in einem Begleittext schreiben, und nicht lassen kann er’s, darauf hinzuweisen, daß des Perkonig Schreiberei „gebrochen“ sei „durch das slawische Bluterbe“ (!!!).

Ja, ist Ihnen denn nicht wenigstens und spätestens hier ein, wenn auch nur geringes Lichtlein aufgegangen? Ja, haben Sie sich nicht wenigstens gefragt, was das denn nun ist, was Sie da mitverantworten — die Moderne Post oder die postmoderne Bewußtlosigkeit?

Nein, ist Ihnen nicht und haben Sie nicht. Peinlich. Zumal der solcherart abgefeierte und zu SondermarkenEhren Gekommene ein ganz übler Schreibtisch-Täter war, der „Für Volk und Führer“ Tinte und Herzblut vergoß, Hitler als Geschenk Gottes und Großdeutschland als Geschenk Hitlers begrüßte sowie Kärntner MadIn und Buam den schönen Heldentod anzuempfehlen pflegte.

Und was darf der Scharf zu diesem Thema an Entschärfung beitragen? „Politischer Fanatismus und nationales Schwärmertum waren dem Dichter fremd“. Ja, werter Herr Oberpostfuchs, wissen Sie denn nicht, daß hierzulande ein weit geringeres Maß an Realitätsverlust genügt, um in geschlossenen Anstalten zu verschwinden? Und was, wenn sich herausstellt, daß des Blut- und Boden-Pathetikers Gesamtwerk weniger wert ist als jene fünf Schilling, die Sie uns für sein zackengerahmtes Porträt in stimmigem Rot-Braun berappen lassen? Haben Sie da nicht Angst vor dem Vorwurf der Preistreiberei?

„Es ist wahr“, schreibt der Scharf, „daß er 1938 den Anschluß begrüßt hat.“ Wahr isch’, aber machen tut’s nix, gell ja.

Denn schließlich wird diese kleine Verirrung wettgemacht durch die ungeheure moralische Leistung, ab 1946 nicht mehr für den Anschluß gewesen zu sein. Ja, wenn das genügt für ein Sonderunwertzeichen, dann wird der heimische Briefverkehr demnächst geradezu babylonisch verwirrt werden durch eine wahre Flut von aufrecht dreinblickenden Charakterköpfen spät-geläuterter Exund Alt-Nazis! Und wie, werter Wertzeichen-Herausgeber, können Sie verantworten, daß ich jetzt eventuell einen Lohnschreiber der Faschisten am Ar(Rest unleserlich) ... pardon: hinten abschlecken muß, nur um Ihnen diesen Brief zu schicken?

Oder soll ich vielleicht einen Postbeamten bitten: „Ach, lecken Sie mir doch den Perkonig!“? Geht nicht. Eben. Und deshalb schick ich Ihnen diesen Brief auch unfrankiert. Ätsch.

P.S.: Eine kleine Anregung: 1995 ist es genau fünfzig Jahre her, daß ein ebenso begnadeter wie verkannter Braunauer Maler unter tragischen Umständen ums Leben kam. Ein Landschaftsdarsteller von klassischem Gepräge auch er, dem nationales Schwärmertum fast ebenso fremd war. Und auch er war — nachweislich — 1946 nicht mehr für den Anschluß. Wie wär’s mit einem netten Satz heimelig-heimischer Motive?

Sehr gepriesener Herr Verteidigungsminister!

Also Ihre jüngste Bedrohungsbewußtseinsverstärkungsplakatinititative — alle Achtung und Helmi auf! Was mich daran begeistert, ist nicht nur das optisch ansprechende Styling, das einen doch irgendwo an alte Tage (Fotos vom Papi aus Polen) erinnert, sondern vor allem jene eindringlichen Slogans („Im Wald herrscht Krieg!“), die mir persönlich die Lust am Schwammerlsuchen gründlich ausgetrieben haben. Bitte, weitentfernte Bekannte in der Steiermark behaupten zwar steif und fest, daß sie vor Kindberg keinerlei Anzeichen von Kampfhandlungen bemerken konnten, aber: ich fahr’ nicht hin. Weil ich vertraue Ihnen, Herr Minister! Und daß unter Nachbarn Krieg herrscht, das kann ich nur voll und ganz bestätigen. Die Vopava zum Beispiel, die neben uns wohnt: ständig hängt sie die vergammelten Unterleiberln vom Vopava, der was der Ihrige ist, auf unsere Wäscheleine. Frau Vopava, hab’ ich ihr schon wiederholt und vor Zeugen gesagt, wenn das nicht aufhört, gibt’s Krieg! Und, werter Herr Minister: Es hat nicht aufgehört. Deshalb möchte ich Sie inständigst bitten: Helfen Sie mir doch, weil andere nicht mehr helfen können! Schicken Sie mir doch eine Ihrer Nahkampftruppen, damit wir gemeinsam der Vopavas, ihrer Unterwäsche und ihres ständigen Gulasch-Gestanks Herr werden. Der beste Termin wäre am kommenden Mittwoch: da hat die Vopava wieder Waschtag!

P.S.: Eins versteh’ ich nicht, Herr Minister: wenn Ihre Burschen so gut sind im Katastrophen-Einsatz, warum konnten Sie dann nicht zum Kreisky-Begräbnis kommen — wegen eines Unwetters?

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Erstveröffentlichung im FORVM:
September
1990
, Seite 21
Autor/inn/en:

Wolfgang Beyer:

Geboren 1958, Autor von Drehbüchern für Dokus und Spielfilme sowie von satirischen und kulturkritischen Beiträgen, Gestalter zahlreicher TV-Dokumentationen für ORF u. a.

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