MOZ » Jahrgang 1989 » Nummer 40
Uwe Jungfer
Neue sowjetische Außenpolitik:

Profit statt Solidarität

„Friedenskampf“ statt „Klassenkampf“ lautet die Devise der neuen sowjetischen Außenpolitik. Und ökonomische Unterstützung von „Dritte-Welt“-Ländern weicht zusehends Handelsbeziehungen, die sich für die Sowjetunion rentieren.

Bild: Contrast/Vlastimir Shone

Anfang Februar dieses Jahres besuchte der sowjetische Außenminister Schewardnadse die Volksrepublik China. Wichtigstes Ergebnis seiner Gespräche in Shanghai und Peking ist der für Mai angesagte Besuch des sowjetischen Generalsekretärs Gorbatschow in China. Sollte es zu diesem Gipfeltreffen kommen, bei dem Gespräche mit Deng Xiaoping und Chinas KP-Chef Zhao Ziyang geplant sind, so wird dies das erste Treffen seit dreißig Jahren. Damals traf Chrustschow mit MaoTse-Tung zusammen.

Beide Seiten wollen nunmehr eine „volle Normalisierung“ der Beziehungen. Aller Wahrscheinlichkeit nach würde es auch wieder zu einer Aufnahme der von der Sowjetunion gewünschten und von China bislang verweigerten Beziehung zwischen den beiden kommunistischen Parteien kommen. Deng äußerte schon, daß diese Beziehung im Gegensatz zu den fünfziger Jahren einen „neuen Charakter“ haben werde. Als Grundlage nannte er die Prinzipien der friedlichen Koexistenz — einst Chinas Hauptargument für ihren Revisionismusvorwurf gegenüber der Sowjetunion — und die Gleichberechtigung und den gegenseitigen Nutzen.

Bisher standen einer Aufnahme der Beziehungen von chinesischer Seite „drei Hindernisse“ entgegen. Da war zum einen die chinesische Forderung nach Abzug der sowjetischen Truppen aus Afghanistan, eine Forderung, die durch Einhaltung des Genfer Abkommens vom April 1988 erfüllt worden ist. Zweitens forderten die Chinesen die Verringerung der sowjetischen Truppen an der gemeinsamen Grenze wie auch an der Grenze zur Mongolei. Hierüber wurden beim Besuch Schewardnadses schon Vereinbarungen getroffen. Der dritte Punkt stellte bislang wohl das größte Problem für die Sowjets dar: Kambodscha. Die Sowjetunion verwies immer wieder darauf, daß sie die Eigeninteressen Vietnams akzeptiere. Nun hat Vietnam von sich aus eingelenkt und plant den Abzug aller 100.000 vietnamesischen Soldaten bis spätestens 1990. Damit dürften im wesentlichen die Hindernisse beseitigt sein, so daß einer Annäherung der beiden Staaten nichts mehr im Wege steht.

Diese aktuellen Entwicklungen wie auch der Truppenabzug aus Afghanistan und die Einigung im südlichen Afrika verweisen auf eine „neue Philisophie“ in der sowjetischen Außenpolitik.

„Neues Denken“ in der Außenpolitik

Ausgegangen wird von der Erkenntnis, daß zwei unterschiedliche Gesellschaftsformationen, die des Kapitalismus und die des Sozialismus, sich herausgebildet haben und vermutlich auch noch auf längere Sicht die „Weltgemeinschaft“ bilden werden. Hierbei wird vor allem der Begriff der Interdependenz (gegenseitige Abhängigkeit) in den Vordergrund gestellt. Demnach sind die Staaten der „Weltgemeinschaft“ zwar widersprüchlich, aber eben auch voneinander abhängig und aufeinander angewiesen. Dies führt zu einer Modifizierung des Prinzips der friedlichen Koexistenz. Man erkennt nun den „objektiven Charakter nationaler Interessen“ an und betont weniger den Klassenkampf zugunsten der „gegenseitigen Bindungen“.

Die atomare und ökologische Bedrohung sowie das Elend in der „Dritten Welt“ sind nach Gorbatschow die „allgemeinen, menschlichen globalen Probleme“, denen ein „Vorrang vor den Aufgaben dieser oder jener Klasse“ eingeräumt werden soll. Im Kriegsfall gäbe es weder Sieger noch Besiegte, und auch die ökologischen Katastrophen betreffen schließlich den ganzen Planeten. Die friedliche Koexistenz und damit die Verhütung eines Nuklearkrieges werden also zur „unerläßlichen Voraussetzung nicht nur für den künftigen weltweiten Sieg des Sozialismus, sondern für den Fortbestand der Menschheit überhaupt“, so Sagladin, ein Gorbatschow nahestehender Militär.

Dies ist eine Modifizierung der konkreten politischen Ziele, da der Klassenkampf nicht durch das Friedensengagement ersetzt wird, sondern beide einander bedingen. So führte Afansjew, der Direktor des Instituts für Weltwirtschaft und internationale Beziehungen, im Dezember 1986 in der Prawda aus: „... wenn sie (die KPdSU, U.J.) den allgemeinmenschlichen Werten der Menschheit den Vorrang einräumt und sich für eine gewaltlose Welt einsetzt, heißt das keineswegs, daß sie auf das parteiliche klassenmäßige Herangehen an gesellschaftliche Prozesse verzichtet.“

Diese Neubewertung bzw. Neuinterpretation der internationalen politischen Verhältnisse brachte auch den internationalen Organisationen und dem Völkerrecht aus sowjetischer Sicht einen neuen Stellenwert. So forderte Gorbatschow, daß „ein allumfassendes Sicherheitssystem zugleich System einer allgemeinen Rechtsordnung sein soll, die das Primat des Völkerrechts in der Politik gewährleistet“. Auf ein in der Vergangenheit konstruiertes „sozialistisches Völkerrecht“ wird damit anscheinend verzichtet. Außerdem plädierte Gorbatschow für eine Stärkung der Autorität des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen und forderte UNO-Vollversammlung und Sicherheitsrat auf, bei strittigen Fragen häufiger den Internationalen Gerichtshof zu konsultieren. Diese Forderungen gelten besonders für die Beilegung von Regionalkonflikten.

Regionale Konflikte

„Solche Konflikte“, so Jewgeni Primakow, erster stellvertretender Leiter der Internationalen Abteilung des Zentralkomitees der KPdSU, „spitzen sich immer weiter zu und haben durchwegs die Tendenz, sich über ihre ursprünglichen Grenzen hinweg auszuweiten.“ Und weiter: „In der neuen außenpolitischen Philosophie der Sowjetunion werden die Beilegung regionaler Konflikte und die Lösung humanitärer Fragen, einschließlich der allgemeinen Beachtung der Menschenrechte, als bedeutende Wege zur Stabilisierung der internationalen Lage angesehen.“ Es sollen also die lokalen Konflikte in der „Dritten Welt“ durch politische Lösungen beigelegt und auf jeden Gewalteinsatz in zwischenstaatlichen Beziehungen — soweit es sich nicht um „Verteidigungskriege“ handelt — verzichtet werden. Dennoch schließt dies, so Primakow, „mitnichten eine Nichtanerkennung der Möglichkeiten ein, daß Kräfte der nationalen und sozialen Befreiung alle ihnen verfügbaren Mittel einsetzen, um ihre legitimen Rechte zu sichern“. Der bewaffnete Befreiungskrieg bleibt somit in den Augen Primakows ein „gerechter Krieg“.

Gorbatschow hingegen spricht in diesem Zusammenhang von dem „Recht auf den sozialen Status quo“ der Völker. Der Klassenauftrag sei nunmehr die Verbannung des Krieges aus der modernen Gesellschaft. Die Beilegung von regionalen Konflikten unter internationaler Beteiligung muß jedoch aus sowjetischer Sicht einhergehen mit einer allgemeinen weltweiten Abrüstung. Eben in diesem Zusammenhang spielt die UNO künftig eine entscheidende Rolle, indem sie die Nichtverbreitung der Atomwaffen kontrolliert und für eine Senkung der Rüstungsexporte eintritt. Die Beilegung des Afghanistan-Konfliktes ist für Gorbatschow dabei eine „Musterlösung“ für zukünftige Konfliktbeilegungen.

„Neuer Realismus“ im südlichen Afrika

Zwar wird den Ländern des südlichen Afrika ein geringer Stellenwert in der Globalpolitik der beiden Supermächte eingeräumt, dennoch trugen sie auf Grund der konkurrierenden wirtschaftlichen und politischen Interessen dieser Region einen Machtkampf aus.

Die am 22. Dezember 1988 in New York unterzeichnete Vereinbarung zwischen Südafrika, Angola und Kuba wird bei Einhaltung zu einer Beilegung des bewaffneten Kampfes zumindest der Hauptakteure in Angola sowie zur Unabhängigkeit Namibias führen. Wesentlich für die Verwirklichung der UN-Resolution 435, in der 1979 die Bedingungen für eine Unabhängigkeit Namibias festgeschrieben wurde, war der von Kuba zugesicherte Truppenabzug aus Angola, der bislang von der südafrikanischen Regierung und den USA immer wieder gefordert wurde (sog. „cuban linkage“). Die Sowjetunion legte nun auch in ihrer Afrikapolitik mehr Gewicht auf politische Lösungen als auf den bewaffneten Kampf. Dies betonte der sowjetische Afrikaspezialist Victor Gontscharow in einem Interview mit der linken südafrikanischen Zeitung „Work in Progress“ im Juli 1987. Er machte deutlich, daß die Sowjetunion kein Interesse in dieser Region habe.

Ein erstes Zeichen für den „neuen Realismus“ setzten allerdings schon 1981 die Mitgliedsstaaten des „Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe“ (RGW), als sie Moçambique die Vollmitgliedschaft verwehrten. Eine Vollmitgliedschaft würde zwar eine feste Einbindung in die realsozialistische Staatengemeinschaft bedeuten, doch für diese auch eine neue Belastung darstellen, da die Mitgliedschaft zu politischem und militärischem Beistand für Moçambique verpflichtet. Kuba, Vietnam und die Mongolei scheinen für die restlichen RGW-Mitglieder schon Belastung genug zu sein. Besonders delikat in dieser neuen Politik war noch die Weigerung Moskaus (gemeinsam mit den USA) im September 1986, Südafrika aus der Internationalen Atom-Energie-Behörde (IAEA) in Wien auszuschließen. Nigeria, das den Antrag für mehrere „3.Welt“-Länder einbrachte, beabsichtigte damit eine weitere Isolierung des Apartheidstaates. Die Sowjetunion begründete ihre Ablehnung, daß nur über die IAEA eine weitere Kontrolle der Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen möglich sei. In die gleiche Richtung gehen auch Empfehlungen sowjetischer Experten an den ANC, „umfassende Garantien für die weiße Bevölkerung (in Südafrika, U.J.) auszuarbeiten, die nach der Abschaffung der Apartheid in Kraft treten könnten“ und Bereitschaft zeigen, „der Bourgeoisie entsprechende Garantien zu geben“. Dies bekräftigte Gleb Staruschenko, stellvertretender Direktor des Afrika-Institutes der sowjetischen Akademie der Wissenschaften, auf einer Konferenz im Juni 1986.

All das deutet auf eine neue Bewertung der revolutionären Bewegungen in der „Dritten Welt“ hin. Die Sowjetunion wird nicht mehr wie bisher vorrangig auf die „revolutionären Avantgarde-Parteien“ setzen und Beziehungen nicht mehr an der Zugehörigkeit zum sozialistischen, anti-imperialistischen oder westlichen Lager messen. Vielmehr sollen auch verstärkt die Beziehungen zu den westlich-orientierten Entwicklungsländern ausgebaut werden. Nach Meinung des sowjetischen „Dritte Welt“-Experten Awakov haben in der Vergangenheit die Befreiungsbewegungen gewisse Erfolge zu verzeichnen gehabt, doch dürfe dies nicht zu einer entsprechenden Ausrichtung der heutigen sowjetischen Außenpolitik führen.

Verhandlungen zwischen dem chinesischen Außenminister und Präsident M. Gorbatschow im Dezember 1988
Bild: Contrast/Bob Nickelsberg

Sowjetische Außenhandelsbeziehungen und Entwicklungshilfe

Das „neue Denken“ enthält jedoch nicht nur eine politische Dimension, es setzt auch andere Schwerpunkte in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit.

Global betrachtet ist der Handel der Sowjetunion mit den Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas kaum von Bedeutung. Der Anteil liegt bei etwa vier Prozent des gesamten Welthandels. Was davon an Entwicklungshilfe gelten kann, ist nicht eindeutig zu bestimmen, denn weder gibt es eine einheitliche inhaltliche Bestimmung der Entwicklungshilfe, noch weist die sowjetische Wirtschaftsstatistik eine entsprechende Vergleichsgröße wie das Bruttosozialprodukt (BSP) auf.

Legt man jedoch der qualitativen Bestimmung der Entwicklungshilfe die Definition der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) zugrunde, wonach es sich bei Entwicklungshilfe nur um Kredite mit Vorzugsbedingungen handeln darf, so fällt schon ein wichtiger Teil der sowjetischen Hilfe nicht mehr unter „Entwicklungshilfe“: das sind die Handelssubventionen. So bezahlt beispielsweise die Sowjetunion für die Zuckerimporte aus Kuba Preise, die über dem des Weltmarktes liegen. Zählt man Handelssubventionen und Entwicklungshilfe zusammen, so würde der Anteil der sowjetischen Hilfe am Bruttosozialprodukt bei etwa 0,3 bis 0,4 Prozent liegen. Der sowjetische Außenhandelsminister Boris Aristov erklärte im Juli 1987, daß die sowjetische Hilfe bei ca. 1,3% des sowjetischen BSP liege.

Die Entwicklungs- bzw. Kredithilfe (ohne Berücksichtigung der Handelssubventionen) gliedert sich auf nach nichtrückzahlbaren Hilfen, kurzfristigen und vor allem langfristigen Handelskrediten mit Laufzeiten von 10, 15 und mehr Jahren. Letztere stellen den Löwenanteil der sowjetischen Hilfe dar. Die Kredite sind strikt gebunden an den Kauf von sowjetischen Waren. In der Regel sind die Kredite auch projektgebunden, d.h. sie werden nur für bestimmte Vorhaben bewilligt. Lokal entstehende Kosten in den Entwicklungsländern sowie sowjetisches Fachpersonal müssen von den Empfängerländern selbst getragen werden.

Die strikte Bindung an den Kauf sowjetischer Produkte ist für die Außenhandelsbeziehungen von Bedeutung. Der Anteil des Handels mit Entwicklungsländern außerhalb des RGW (Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe) am gesamten sowjetischen Außenhandel liegt bei 13 bis 14 Prozent (mit Kuba und Vietnam bei ca. 25%). Die Hälfte der sowjetischen Exporte sind Militärausrüstungen. Für die Sowjetunion — den weltweit größten Exporteur von Rüstungsgütern — ist dies eine wichtige Devisenquelle, andererseits stehen die Rüstungsexporte im Widerspruch zu den politischen Bemühungen der UdSSR, regionale Konflikte beizulegen und dem Weltfrieden durch Aufrüstung näher zu kommen. Neben Rüstungsgütern liefert die Sowjetunion hauptsächlich Industriegüter und importiert vorwiegend Agrarprodukte und Rohstoffe. Dabei profitiert sie ebenso wie die westlichen Industrieländer von den ungleichen Handelsbeziehungen zwischen „Erster“ und „Dritter“ Welt. Da sie — wie vorher erwähnt — langfristige Abkommen vorzieht, verschafft sie sich noch einen zusätzlichen Bonus. So errichtete z.B. die Sowjetunion in Guinea einen Betrieb zur Förderung von Bauxit. Guinea mußte sich verpflichten, 75% der Fördermenge zu 6 Dollar pro Tonne dreissig (!) Jahre lang an die Sowjetunion zu liefern — auch als der Weltmarktpreis schon bei 30 Dollar die Tonne lag und die Anlage längst bezahlt war! Seit Mitte der siebziger Jahre geht die Sowjetunion dazu über, auf der Basis von sogenannten „harten“ Währungen (US-Dollar oder Pfund Sterling) Abkommen abzuschließen oder diese als Verrechnungseinheit zu nehmen. Die in den fünfziger Jahren dominierende und idealisierte Form des Tausches Ware gegen Ware wurde schnell wieder verworfen.

Trotz alledem betrachtet die Sowjetunion ihre Beziehungen als einen „neuen Typ wirtschaftlicher Beziehungen“, dem im Gegensatz zur kapitalistischen Weltwirtschaft das Prinzip des gegenseitigen Nutzens zugrunde liegt.

Neuere Entwicklungen in den Wirtschaftsbeziehungen

Als sich der sowjetische Außenminister Aristov auf der 7. Welthandelskonferenz 1987 in Genf für „gemeinsame Lösungen“ der Probleme der Entwicklungsländer aussprach, war dies schon erstaunlich. Hatte doch bislang die Sowjetunion entsprechende Forderungen der Entwicklungsländer immer wieder mit der Begründung, daß schließlich nicht sie für die Folgen des Kolonialismus und Imperialismus verantwortlich sei, zurückgewiesen. Überhaupt kommt sie in der jüngsten Vergangenheit den Entwicklungsländern mehr entgegen, indem sie die Forderung nach einer neuen Weltwirtschaftsordnung unterstützt oder für eine Reduzierung der Schuldenzahlungen eintritt (nicht jedoch für die u.a. von Castro geforderte Streichung).

Sie will in Zukunft weniger auf die unrentablen Großprojekte setzen und mehr kleine und mittlere Projekte fördern. Dies führt zu einer verstärkten Zusammenarbeit mit dem privaten Sektor in den Entwicklungsländern, die bisherige einseitige Ausrichtung auf staatliche Partner wird entsprechend zurückgenommen. Die mit sowjetischer Hilfe errichteten Projekte sollen sich mehr als bisher an den Bedürfnissen des sowjetischen Marktes orientieren. So hofft sie, in Zukunft mehr von der internationalen Arbeitsteilung profiteren zu können.

Die Sowjetunion wird stärker als bislang sogenannte „Buy-back-Abkommen“ abschließen, bei denen ein großer Teil der Produkte des unterstützten Unternehmens direkt für den sowjetischen Markt produziert werden. Eine weitere wichtige Form der Zusammenarbeit werden künftig „Joint ventures“ darstellen, Gemeinschaftsunternehmen zwischen der Sowjetunion und den Partnern in der „Dritten Welt“.

Hinter diesen Änderungen verbirgt sich eine andere Auffassung von Entwicklung, ein anderes Entwicklungsmodell. 1988 brachte die in Moskau erscheinende „Neue Zeit“ ein Gespräch mit vier sowjetischen Wissenschaftlern, die allesamt die einschlägige Ausrichtung auf Entwicklungsländer mit „nicht-kapitalistischem Entwicklungsweg“ verurteilten. Dabei gingen sie hart mit den „sozialistisch-orientierten Ländern“ ins Gericht. Sie kritisierten deren autoritäre politische Strukturen, die „Auswüchse des Sozialutopismus“, die ökonomischen Mißerfolge und bescheinigten dem sozialistisch-orientierteten Entwicklungsweg, „in einer tiefen Krise“ zu stecken. Mit dieser ideologischen Öffnung hin zu den westlich-orientierten „neuen Industrieländern“ wie z.B. Südkorea, hofft die Sowjetunion auf günstige Importe (z.B. Computer) und auf vermehrte Exporte von Maschinen und sonstigen Bauteilen.

Die Änderungen der „zweiten russischen Revolution“ (Untertitel des Gorbatschow-Buches über die Perestroika) scheinen im politischen und wirtschaftlichen Bereich zumindest gegenüber den Ländern des Trikont wenig revolutionär zu sein. Die Reduzierung von Militärausgaben (u.a. bei Regionalkonflikten) und „unrentablen Hilfen“ bzw. deren Umwandlung in solche, die eher Nutzen versprechen, kommen der ökonomischen Entwicklung der Sowjetunion zugute.

Dies wiederum ist eine Voraussetzung für erfolgreiche Reformen innerhalb der Sowjetunion. Das Abrücken von den militärischen Engagements in den Ländern der „Dritten Welt“ verläuft zugunsten eines Ausbaus der wirtschaftlichen Beziehungen, bei denen die Sowjetunion mehr als in der Vergangenheit auf ihre eigenen ökonomischen Vorteile bedacht ist. Der politische Aspekt fällt nicht einfach weg, sondern tritt dabei in den Hintergrund.

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Erstveröffentlichung im FORVM:
April
1989
, Seite 33
Autor/inn/en:

Uwe Jungfer: Experte für „3. Welt“-Probleme, lebt in Freiburg.

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