Weg und Ziel » Jahrgang 1997 » Heft 1/1997

„Neoliberalismus und Demokratisierung sind nicht vereinbar“

Auszüge aus dem zentralen Dokument des VI. Treffens des São Paulo-Forums

Mehr als ein Viertel der Wählerinnen und Wähler Lateinamerikas und der Karibik repräsentieren heute, sechs Jahre nach dem ersten Treffen von São Paulo, jene Parteien und Bewegungen, deren Vertreter im Juli vergangenen Jahres in San Salvador zum sechsten Mal zusammentrafen. Ursprünglich als Reaktion auf die Krise des Sozia­lismus entstanden, hat das Forum von São Paulo, dem inzwischen 130 Par­teien und Bewegungen angehören, schon früh die Notwendigkeit erkannt, Alternativen zum Neoliberalismus zu entwickeln, dessen Konzept heute in besonderem Maß zu Unterdrückung und Ausbeutung der Völker Lateinamerikas und der Karibik dient. Aus dem umfassenden Dokument, das in San Salvador dazu beschlossen wurde, bringen wir hier einige Auszüge.

I. Die heutige Welt

Die Welt am Ende des 20. Jahrhun­derts ist Schauplatz gewaltiger, schwindelerregender Veränderungen auf wis­senschaftlich-technischem, ökonomischem, sozialem und geopolitischem Gebiet. Auf den Gebieten der Kommunikationssysteme, der Computeran­wendung, der Informatik, der Produktions-, Organisations- und Verwal­tungstechniken vollzieht sich ein ra­scher Fortschritt.

Diese spektakuläre Entwicklung der Produktivkräfte hat zu neuen, im­mer komplizierteren und ausgefeilten Ebenen und Bedingungen der interna­tionalen Arbeitsteilung, der Erzeugungs-, Handels-, Forschungs-, Infor­mationsvernetzung usw. geführt. All das liegt dem Globalisierungsstrom zu­grunde, der in der Welt von heute vor­herrscht und die Tendenz hat, eine all­umfassende Erscheinung nicht nur auf wissenschaftlich-technischem und ökonomischem Gebiet, sondern auch in der sozialen Entwicklung, in Kultur und Politik zu werden.

Die Globalisierung verläuft unter der Hegemonie der kapitalistischen Hauptkräfte und -länder, die sich seit den siebziger Jahren dieses Jahrhun­derts von der Konzeption und Politik des Neoliberalismus und entsprechen­den Programmen leiten lassen. Das macht den Globalisierungsprozeß äu­ßerst widersprüchlich und konflikt­trächtig. Während einerseits die wis­senschaftlich-technische Entwicklung Möglichkeiten für neue Ebenen des Fortschritts sowie für die Lösung der Probleme der Menschheit eröffnet, ver­stärkt andererseits die Globalisierung die Ungleichheiten und Polarisierun­gen, wie sie auch die Zerstörung der Natur beschleunigt. Die globale Umweltkrise bedroht das Leben auf unse­rem Planeten; ihr Einhalt zu gebieten stellt eine der größten Herausforderun­gen für die Menschheit dar.

Diese Entwicklung des Kapitalis­mus hat zwei Grundzüge der Weltwirt­schaft hervorgebracht, die es aufzuzei­gen gilt:

  1. Die astronomischen Volumen des Finanzkapitals, besonders des spekula­tiven, die sich auf der Jagd nach maxi­maler Rentabilität mit großer Ge­schwindigkeit um den Erdball bewe­gen, in völliger Unabhängigkeit und immer mehr losgelöst vom Funktionie­ren der produktiven Apparate, außer­halb der Kontrolle der Regierungen und selbst der transnationalen Unter­nehmen. Das ist ein rastloser Prozeß, der zu jeder Tages- und Nachtstunde allein durch einen Knopfdruck am Computer funktioniert und ökonomi­sche Prosperität hervorbringen kann, meist vorübergehender Art, der aber auch die Wirtschaft von Ländern zu­grunde richten, deren Erwartungen maximaler Rentabilität und Sicherheit enttäuschen kann.
  2. Im Unterschied zur Vergangen­heit, als die Arbeitslosigkeit den rezes­siven Etappen eigen war, wächst und vervielfältigt sich die Arbeitslosigkeit und die Vergeudung der vorhandenen Produktionskapazitäten gleichzeitig mit dem Wachstum und der Expansion der Wirtschaft.
  • Fortschritt und Entwicklung kon­zentrieren sich in einer kleinen Zahl von Ländern, die Sitz der größten Fi­nanzzentren und anderer transnationa­ler industrieller, Handels- und Dienst­leistungsunternehmungen sind, und in den mächtigsten Staaten, die sich im Kampf um die Vormacht auf dem Welt­markt und bei der Lenkung der Geschicke der Welt in wirtschaftlichen und politischen Megablöcken zusammengeschlossen haben.
    Die Rivalität zwischen den drei Me­gablöcken (dem nordamerikanischen unter Führung der USA, der Europä­ischen Union mit Deutschland als ein­flußreichstem Land und dem asiati­schen Block mit Japan an der Spitze) führt zunehmend zu einem erbitterten Handels-, Technologie- und Finanz­krieg, der unter Umständen in Feindseligkeiten umschlagen und Konflikte von großer Tragweite verursachen könnte.
    Diese Länder arbeiten in gemeinsa­men multinationalen Organismen zu­sammen, wie die „G 7“ (die mächtig­sten Industrieländer), die Weltbank, der Internationale Währungsfonds und andere Finanzzentren, die zum Austra­gungsort ihrer Widersprüche werden.
  • Neben der Dominanz der reichen Länder, die sich auf die armen Länder verheerend auswirkt, steht das Diktat der transnationalen Gesellschaften, deren Profitgier und Hegemonie auf den Völkern und ihren Rechten, ein­schließlich der Völker der reichen Län­der, lastet.
  • Die Logik der Globalisierung zielt in zwei entgegengesetzte Richtungen. Auf der einen Seite wird sie zugunsten einer Liberalisierung des internationa­len Handels dahingehend wirksam, al­les zu beseitigen, was die freie Bewe­gung von Produkten und Kapital und bis zu bestimmten Grenzen auch von Technologie und Wissen behindert; sie tendiert dazu, nationale Souveränität und Identität zu schwächen. Auf der anderen Seite vereinigen sich die Na­tionalstaaten — vor allem in der Ersten Welt — in Wirtschaftsblöcken oder Frei­handelszonen, errichten protektionisti­sche Barrieren gegen andere Blöcke und Länder, führen ihre eigenen Zah­lungssysteme ein und kämpfen darum, sie als universelles System aufzuzwin­gen, so daß auf diese Weise Einflußzo­nen gebildet werden (die deutsche, die nordamerikanische, die japanische). Sie blockieren die freie weltweite Zir­kulation der Arbeitskräfte und schlie­ßen sich ab gegen die Einwanderung aus den Ländern des Südens und des Ostens.
    Die USA befinden sich ihrerseits in einer Phase der Neubestimmung ihrer Wirtschaftsbeziehungen mit Latein­amerika und dem karibischen Raum, die an die neuen Erfordernisse des Wettbewerbs mit der Europäischen Union und Japan angepaßt werden sol­len. Deshalb steht im Mittelpunkt ihrer Strategie die Schaffung einer Freihan­delszone der westlichen Hemisphäre, die einen unterstützenden Faktor bei der Rückeroberung verlorenen Terrains darstellen würde, das die USA durch ihre gigantischen Militärausgaben, ihre fortgesetzten Haushaltsdefizite, ihren technologischen Rückstand in ver­schiedenen Zweigen der zivilen Ent­wicklung und den Rückgang ihrer Effi­zienz verspielt haben. Diese Neube­stimmung könnte die internationalen Beziehungen Lateinamerikas und der karibischen Länder gerade zu einem Zeitpunkt vereinnahmen, da die eigen­ständige Integration und die Diversifi­zierung ihrer Beziehungen zur übrigen Welt unerläßlicher Rahmen für ihre Entwicklung von Souveränität und Demokratie sind.
  • Die Polarisierung zwischen den entwickelten und reichen Ländern des Nordens (der Ersten Welt) und den rückständigen Ländern des Südens (der Dritten Welt) wird heute nicht nur durch den raschen technologischen Fortschritt der ersteren und ihre unge­heure Überlegenheit in der Akkumula­tion und Konzentration des Kapitals beschleunigt, sondern auch durch ih­ren fortdauernden Handelsprotektio­nismus gegenüber den Exporten der Dritten Welt und die Subventionierung ihrer eigenen Exporte, während sie po­litischen und finanziellen Druck auf die Länder des Südens ausüben, sie in den meisten Fällen regelrecht dazu zwingen, die totale Deregulierung durchzusetzen, die vollständige Priva­tisierung ihrer nationalen Reichtümer zugunsten der transnationalen Unter­nehmen durchzuführen und die Gren­zen für ihr Kapital und ihre Exporte zu öffnen.
  • Die Beziehungen zwischen allen Ländern werden immer stärker und asymmetrischer: Für die Länder der Dritten Welt bedeuten sie in Wahrheit mehr Abhängigkeit, während immer deutlicher wird, daß die Länder der Er­sten Welt diejenigen sind, die die Re­geln bestimmen und sie anderen auf­zwingen.
  • Mit den Umschuldungsverhandlun­gen, der Festlegung von Konditionen für Kooperation und Handel und ande­ren Druckmitteln (wie die „Zertifikationen“, die die USA anwenden) wer­den die Länder der Dritten Welt von den kapitalistischen Mächten und den internationalen Finanzorganisationen dazu gedrängt, strukturelle Anpassungen zu verwirklichen, die die traditio­nelle Funktionsweise ihrer politischen Systeme, ihrer Wirtschaften und ihrer Gesellschaften als ganzes verändern.
  • In der Dritten Welt gibt es ebenfalls Gruppen von Ländern, die sich — wenn auch noch zaghaft — in Handels- und Wirtschaftsblöcken zusammenschlie­ßen, um ihre Kräfte zu potenzieren und die Bedingungen ihrer Beziehungen mit den reichen Ländern von verbes­serten Positionen aus zu verhandeln. Außerdem haben sich in einigen Län­dern auf Grund des Schadens, den ihr produktiver Apparat durch die einsei­tige Öffnung genommen hat, erneut protektionistische Herangehensweisen herauszubilden begonnen, die früher oder später starke Staaten, regionale Allianzen und eine Diversifikation der Handelspartner erfordern werden.
  • Die neoliberale ökonomische Um­strukturierung ruft auch in der Dritten Welt Veränderungen im Kräfteverhält­nis und in den Hierarchien innerhalb der traditionell dominierenden Kreise hervor, darunter die effektive Verringe­rung des Einflusses und sogar die Ver­drängung bisher maßgeblicher Grup­pen von der Macht.
  • Die Folgen dieser Widersprüche finden ihren Ausdruck auch in der Ver­stärkung der Wanderbewegungen nach dem Norden, denen mit Restriktionen und sogar massiven Abschiebungen be­gegnet wird, wie es in den USA ge­schieht. In diesem Zusammenhang för­dern die herrschenden Interessen in den reichen Ländern den Fremdenhaß und rassistische Bewegungen.
    In den Ländern der Dritten Welt gibt es Minderheiten der Bevölkerung mit Lebensformen und einem Lebens­niveau wie in der Ersten Welt, während sich in dieser breite Bevölkerungsgrup­pen mit Lebensformen wie in der Drit­ten Welt herausbilden.
    So ist also die Welt, in der wir le­ben, nicht globalisiert, sondern eher regionalisiert in Megablöcken, von de­nen jeder Hegemonie in seinem unmit­telbaren Einflußgebiet und in anderen mehr peripheren Bereichen ausübt und die dabei untereinander — graduell un­terschiedlich — in Streit liegen. Es gibt zweifellos bestimmte Erscheinungen der Globalisierung, die über die Regio­nalisierung hinausgehen, wie das be­reits erwähnte Finanzkapital, das eine außerordentliche Fähigkeit zu weltumspannenden Verschiebungen und Um­schichtungen erlangt hat (vor allem das spekulative Kapital).
    Die Regionalisierung wird sich fort­setzen, sie ist langfristig eine mächtige Tendenz in der Ersten Welt und dar­über hinaus auch notwendig für die Länder des Südens, wo sie noch in den Anfängen steckt. Die Regionalisierung ist in der Tat eine Stufe im unvermeid­lichen Übergang zur Globalisierung.
  • Trotzdem sind wir weit davon ent­fernt zu meinen, daß die widersprüch­liche, konfliktreiche und zur Globali­sierung übergehende Welt von heute nur Nachteile und Bedrohungen für unsere Länder und Völker bietet. Wir sind weit davon entfernt zu glauben, daß der beste Rat wäre, sich zu isolie­ren. Diese Welt von heute bietet auch Möglichkeiten und Vorteile für die Ent­wicklung, aber ihre Nutzung erfordert die Konzipierung und Verwirklichung alternativer nationaler Programme, die breitesten Konsens und ein starkes En­gagement erzielen können.
    Der Prozeß der Globalisierung ist mit Sicherheit unumkehrbar, aber er setzt keineswegs voraus, daß die Ein­gliederung der sogenannten Dritten Welt und im besonderen Lateinameri­kas und der Karibik sich notwendiger­weise in den Bahnen des Neoliberalis­mus vollziehen muß.
    Der nationale Konsens, die regiona­le Integration und die diversifizierte Beziehung zur übrigen Welt sind Fak­toren, die die alternativen Projekte gangbar machen können.
    Die Entscheidung darüber zu tref­fen und auszuführen, darin bestehen Selbstbestimmung und Souveränität in der von Abhängigkeitsverhältnissen gekennzeichneten Welt von heute.

(...)

II. Lateinamerika und der karibische Raum heute

1. Die Gesamtsituation der Region

Nach mehr als zehn Jahren der An­wendung neoliberaler ökonomischer Modelle sind die Ergebnisse für die Gesamtheit der Länder Lateinameri­kas und der Karibik im wesentlichen die gleichen: Neben dem ungleichmä­ßigen ökonomischen Wachstum und der relativen makroökonomischen Sta­bilität, die als Erfolge des Modells herausgestellt werden, hat sich die Zerstö­rung der Natur erheblich beschleunigt, und die Lebensbedingungen der gro­ßen Mehrheit der Armen auf dem Kon­tinent haben sich bedeutend ver­schlechtert, die „soziale Kluft“ hat ein nie gekanntes Ausmaß erreicht. Zu­gleich bilden sich andere enorme struk­turelle Ungleichgewichte heraus, dar­unter die Zerstörung eines großen Teils der produktiven Basis dieser Länder, mit wenigen Ausnahmen; die riesigen und untragbaren Handelsdefizite „fressen“ die Devisen auf und verhin­dern, daß diese produktiv investiert werden können. Zusammen mit den fortdauernd hohen Auslandsschulden ersticken und blockieren sie die Ent­wicklungsmöglichkeiten auf mittlere und lange Sicht.

Deindustrialisierung, Arbeitslosig­keit, das Wuchern des tertiären und des informellen Sektors verändern die Wirt­schaften und die Gesellschaften. Das führt zur Schwächung verschiedener Körperschaften des Volkes, darunter Teilen der Gewerkschaften, während sich neue soziale Protagonisten heraus­bilden und organisieren, einige der schon bestehenden sich festigen, zu neuen Aktionsformen übergehen und großen Kampfgeist entwickeln. In ver­schiedenen Ländern werden erfolgreich Anstrengungen unternommen, den sozi­alen Bewegungen neues Leben zu ver­leihen und ihre Kämpfe für ihre konkre­ten Forderungen wie auch den Kampf um Demokratie zu intensivieren.

Der neoliberale Katechismus ba­siert auf der Entscheidung für eine Po­litik, die die makroökonomische Stabi­lität unter rein monetaristischer Be­trachtung sichert. Sie beinhaltet die unbarmherzige Öffnung für den Au­ßenmarkt von untergeordneten Positionen aus, die Liberalisierung und Deregulierung der ökonomischen Ak­tivitäten, die Entsagung des Staates von allen Funktionen der Leitung der ökonomisch-sozialen Entwicklung, die Privatisierung der Güter, Unterneh­men und staatlichen Aufgaben, vor al­lem zum Nutzen der transnationalen Unternehmen und jener kleinen Grup­pe einheimischer Unternehmer, die mit ihnen verbunden ist, die Durchführung tiefgehender regressiver und volks­feindlicher Steuerreformen usw.

Dieses dogmatische Gebot wird mit dem Versprechen gerechtfertigt, einen globalen Rahmen zu errichten, der den Umbau aller sektorialen ökonomischen Aktivitäten und der produktiven Basis im ganzen stimulieren könnte, mit dem Ziel, auf den Außenmärkten wettbe­werbsfähig zu sein, auf diese Weise die Exporte immer mehr zu steigern, ein nachhaltiges ökonomisches Wachstum zu erreichen und in der Folge den Nut­zen an die Bevölkerung als ganzes „auszuschütten“.

In der Praxis führt die künstliche Gegenüberstellung von makroökono­mischer und sektorialer Politik, die der Neoliberalismus vornimmt, dazu, daß der eine „Teilbereich“ der Wirtschaft eine scheinbare Stärkung erfährt, wäh­rend der andere „Teil“, die Sektoren der produktiven Basis, fortgesetzt ge­schwächt wird und mittelfristig kaum zu reaktivieren ist. So ist es in den mei­sten unserer Länder zu einem Nieder­gang der landwirtschaftlichen, indu­striellen und Handelsaktivitäten be­züglich der nationalen Produktion ge­kommen. Das hat zur Marginalisierung breiter Teile der Bevölkerung geführt, darunter auch Teile der Mittelschich­ten, der kleinen und mittleren Unter­nehmer in Stadt und Land und selbst Sektoren der Bourgeoisie, die die neu­en Monopol- und Oligopolbedingungen des Wettbewerbs, wie er durch die so­genannte Liberalisierung aufgezwun­gen wird, nicht überstehen. Im Ergeb­nis ist der sogenannte informelle Sek­tor der Wirtschaft schnell und massiv angewachsen.

Die Vertreter des Neoliberalismus erklärten, daß Maßstab für den Erfolg ihres Modells die Steigerung des Ex­portvolumens sein würde, dessen stei­les Wachstum die Importe finanzieren und den Abbau der durch frühere poli­tische Fehler angehäuften Auslands­schulden ermöglichen könnte; daß durch diese positive Entwicklung die ausländischen Privatinvestitionen reichlich fließen würden; daß die in­ländischen Investoren über genügend Mittel verfügen und sie in die Entwick­lung investieren würden, stimuliert auch durch die zu ihren Gunsten ge­troffenen großzügigen steuerpoliti­schen Maßnahmen; und daß insgesamt die Finanzierung der Entwicklung ge­sichert sein würde.

In der Realität ist die Mehrzahl der Volkswirtschaften unserer Länder zu Importwirtschaften verkommen, das Gewicht ihrer Exporte im Welthandel hat sich verringert. Der sogenannte In­dex der Öffnung nach außen hat sich mehr durch das unaufhaltsame An­wachsen der Importe als durch die Steigerung der Exporte erhöht.

Das Handelsbilanzdefizit vergrö­ßert sich Jahr für Jahr und wird nur kompensiert durch den Zustrom priva­ten und öffentlichen Auslandskapitals; die Auslandsverschuldung wächst un­aufhörlich, und der Schuldendienst verschlingt einen wachsenden Teil der Exporterlöse. Die Binnenwirtschaften liegen mehr darnieder als zuvor, ihre heimische Basis ist zutiefst geschwächt. Das Modell funktioniert also keines­wegs in der versprochenen Weise.

Obwohl selbst seine Hauptverfech­ter, wie die Weltbank, diesen nicht zu leugnenden Widerspruch zwischen dem Makroökonomischen und der wirtschaftlichen und sozialen Realität erkennen mußten, akzeptieren die mei­sten Regierungen der lateinamerikani­schen und karibischen Länder weiter die neoliberalen Dogmen, um mit in­ternationalen Finanzmitteln rechnen zu können.

Selbst die Weltbank bestätigt, daß die Armut angestiegen ist, aber sie be­harrt darauf, daß das Heilmittel „noch mehr von derselben Medizin“ sei: mehr Handelsöffnung, mehr Zollerleichte­rungen, mehr Liberalisierung der Wirt­schaft und mehr „Kompensation“, um das Elend der Armen erträglicher zu machen, das ein wesentliches Merkmal des Modells geworden ist und nicht nur eine zeitweilige Erscheinung — „bis die Anpassung geschafft ist“.

Um den Völkern von diesen Rezep­ten noch mehr aufzuzwingen, muß sich der Neoliberalismus notwendigerweise von der Demokratisierungstendenz ab­wenden, die sich seit den achtziger Jahren auf dem Kontinent Bahn gebro­chen hat, beflügelt durch den intensi­ven Kampf der demokratischen Kräfte und in einigen Fällen als Folge langer revolutionärer Kriege. Die Demokrati­sierung stellt ein Hindernis für den Neoliberalismus dar, und deshalb stärkt das Modell die Unterdrückungs­kapazität des Staates, während seine Fähigkeit zur Einflußnahme auf die Wirtschaft im Namen einer angebli­chen ökonomischen Freiheit und im Vertrauen auf die Wunderkräfte des Marktes abgebaut wird.

In einigen Ländern ist deutlich ge­worden, daß die Wahrnehmung der po­litischen Freiheiten nicht ausreicht, um eine Entwicklung mit sozialer Ge­rechtigkeit in Bewegung zu setzen, daß es darüber hinaus unerläßlich ist, die ökonomischen und sozialen Menschen­rechte anzuerkennen, die der Neolibe­ralismus blockiert.

Und wenn diese politischen Rechte mit Hilfe des Volksvotums gegen offen neoliberale Regierungen in Anspruch genommen werden und zugunsten an­derer Kräfte wirken, die andersgearte­te Programme vertreten, dann annul­lieren die internationalen Finanzorga­nisationen die Volksentscheidung und zwingen den Regierungen das Programm auf, das sie anzuwenden haben. Die neoliberale Woge hat sogar die Tendenz, auf ideologischem Weg den Raum noch mehr einzuengen, in dem der souveräne Wille des Volkes die na­tionalen Geschicke bestimmen kann: Zu den alten Mythen und Tabus sind neue hinzugekommen, vorgeblich Aus­druck des „Realismus“ und des „Mo­dernismus“, die wie unüberwindliche Mauern die Denkweise der Politiker, der Parteien, der Führer der sozialen Bewegungen und der programmati­schen Plattformen einengen sollen.

Die Einführung des neoliberalen Schemas in unseren Ländern und die daraus resultierende soziale Polarisie­rung waren häufig von einem uferlosen Anwachsen der Korruption in der öf­fentlichen Verwaltung begleitet. Die Korruption in allen ihren Formen und ihre straflose Duldung ist Quelle uner­meßlicher Bereicherung der bürokrati­schen und oligarchischen Cliquen, schränkt den Rechtsstaat ein, vertieft den Glaubwürdigkeitsverlust der In­stitutionen. In vielen Ländern verstär­ken sich Wahlenthaltung und Mangel an Vertrauen in die politischen Syste­me und demokratischen Prozesse. Es wird immer mehr zu anderen Aus­drucksformen und Druckmitteln im politischen und sozialen Kampf gegrif­fen. Die produktiven Investitionen ver­flüchtigen sich, und im Endergebnis werden die Entwicklungsmöglichkei­ten der Länder blockiert.

Neoliberalismus ist mit Entwick­lung und politischer, ökonomischer und sozialer Demokratisierung letzt­lich nicht vereinbar. Die Kräfte, die der Entwicklung, der sozialen Gerech­tigkeit und der Demokratie verpflich­tet sind, müssen sich entschlossen dem Neoliberalismus entgegenstellen und ihm eine Niederlage bereiten, um vor­wärts zu kommen.

(...)

III. Partizipative Demokratie, Gerechtigkeit und nachhaltige Entwicklung für Lateinamerika und die Karibik

Selbstverständlich kann es kein einheitliches alternatives Modell ge­genüber dem Neoliberalismus als Re­zept für alle und jedes unserer Länder geben. Aber es gibt gemeinsame Grund­züge, die in den Entwicklungsprojek­ten für jede unserer Nationen vorzufin­den sein werden.

1. Die Menschen, die Völker und die Bewahrung des Lebens stehen im Mittelpunkt unseres Vorschlages

Die Entwicklungskonzeption muß ganzheitlich sein; die Ausübung und Verteidigung der Souveränität und der Schutz der nationalen Reichtümer, der soziale Fortschritt, ökonomisches Wachstum und wirtschaftliche Ent­wicklung sowie tiefgehende Demokra­tisierung sind nicht voneinander zu trennen.

Die Individuen, ihre Würde, ihre Freiheit und ihre Rechte, ihr Wohlerge­hen und der Schutz des Lebens stehen im Mittelpunkt dieser Konzeption. Das bedeutet: die Armut zu überwinden, die extreme Ungleichheit und Margi­nalisierung der Frau zu beseitigen, die ökologischen Voraussetzungen für die Zukunft zu sichern, Ausbildungsniveau und Qualität der Bildung zu erhöhen, Gesundheit und Sicherheit der Bürger zu verbessern und generell die Lebens­qualität der Bevölkerung zu heben, die Wirtschaft wettbewerbsfähiger und ge­rechter zu machen, die Transparenz und die Glaubwürdigkeit der öffentli­chen Verwaltung, der Justiz und des Wahlsystems zu verbessern, entschie­dene Schritte zur Durchsetzung der partizipativen Demokratie auf allen Ebenen des Staates und in allen Berei­chen des nationalen Lebens zu unternehmen.

2. Partizipative Demokratien aufbauen

Die repräsentative Demokratie ist das offizielle Paradigma von Parteien und Regierungen, die verfassungsmä­ßige Norm des politischen Systems ge­wesen, wie auch die Ausübung des Wahlrechts ihr hauptsächlicher und zentraler Ausdruck ist. Abgesehen da­von, daß dieses Paradigma durch Mili­tärdiktaturen, die im 20. Jahrhundert in weiten Teilen des Kontinents herrschten, vergewaltigt und in den Staub getreten wurde und auch durch die übliche Praxis des Wahlbetrugs ständig verletzt wird, ist offensichtlich, daß die repräsentative Demokratie als politisches System unzureichend ist, um der Gesellschaft jene Räume zu si­chern, von denen aus sie wirksam auf die Entscheidungen Einfluß nehmen könnte, die ihre Freiheit und Lebens­qualität betreffen.

Die Schwierigkeiten, auf die die al­ternativen Projekte treffen, bestehen in den Grenzen, die die „bestehenden Machtverhältnisse“ setzen, die auslän­dische Einmischung, der Widerstand der Oligarchien und der transnationa­lisierenden Eliten. Zuweilen resultie­ren sie auch aus einer bestimmten Bündnispolitik und aus Wahlkompro­missen sowie aus einem breiten Spek­trum sozialer, politischer und kulturel­ler Faktoren, die jedem Land eigen sind. Nicht gering sind auch die Ein­schränkungen, die aus dogmatischer und sektiererischer Ideologie her­rühren.

Auf die Erscheinungen des deutli­chen Verfalls des politischen Systems muß man mit mehr Demokratie, mehr sozialem Rechtsstaat, Partizipation und Bürgerkontrolle über die politi­schen Geschäfte antworten.

Dies müßten Eckpfeiler der stabi­len und dauerhaften Entwicklung un­serer Länder werden. Das Thema der Demokratie ist eine Entscheidungsfra­ge auf unserem Kontinent. Man muß die Wahlsysteme demokratisieren, da­mit sie glaubwürdig und vertrauens­würdig werden. Man muß das Prinzip wählbarer Vertretungen in verschiede­nen staatlichen und gesellschaftlichen Strukturen einführen, wo es heute nicht existiert. Man muß die Informati­onshorizonte erweitern, die Objektivi­tät und Qualität der Information ver­bessern und die Freiheit des Ausdrucks und der Organisation sichern. Aber vor allem ist es unabdingbar, reale Mög­lichkeiten für Beteiligung der Bürger und der Gemeinschaften an der Ent­scheidungsfindung, der Durchsetzung dieser Entscheidungen auf allen Ebe­nen und der Kontrolle über die Tätig­keit der Beamten und der öffentlichen Institutionen zu öffnen.

Die Demokratie zu stärken und zu vertiefen erfordert, von der reinen Aus­übung des Wahlrechts zur Bürgerbetei­ligung bei der täglichen Leitung der Geschicke des Landes zu gelangen, von der kommunalen, lokalen und regiona­len Ebene bis zur nationalen, und es erfordert, diesen Prozeß durch eine Wiederherstellung der politischen Ethik, der Ethik der Parteien und Poli­tiker zu begleiten, durch deren enge und lebendige Verbindung zu den Men­schen und die Förderung und Entwick­lung der Volkskontrolle als wesentliche und unerläßliche Form der demokrati­schen Bürgerbeteiligung.

Die politischen und Wahlprogram­me dürfen nicht die Ideale, die Prinzi­pien und Grundwerte unserer weiter­gesteckten Ziele aufs Spiel setzen. Aber das Eintreten für die Bewahrung unse­rer Ideale darf auch nicht die unmittel­bare politische Aktion lähmen.

3. Ein demokratischer und moderner Staat

Das Projekt des Volkes erfordert ei­nen starken Staat, was kein Synonym für einen umfangreichen, bürokrati­schen Staat oder für Korruption ist: ein Staat, der bestimmten Mechanismen der gesellschaftlichen Kontrolle unter­worfen ist, der die Nutzung der Über­schüsse regelt und die Kosten und Er­gebnisse nach den Kriterien der Ange­messenheit und Gerechtigkeit verteilt. Dieser Staat soll Garant der rationalen Nutzung der eigenständigen Naturres­sourcen im Rahmen eines ökologisch nachhaltigen Wachstums- und Ent­wicklungskonzepts sein.

Es ist unzweifelhaft, daß der öffent­liche Sektor eine höhere Effizienz er­langen muß. Das bedeutet eine Neude­finierung seiner Funktionen und Auf­gaben, um ihn als Promotor der Ent­wicklung, als Mechanismus zur Vertei­lung der Ressourcen und der Regulie­rung der ökonomischen und sozialen Sphäre zu legitimieren.

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8. Globalisierung und regionale Integration

Die Eingliederung in den Globali­sierungsprozeß kann nur vorteilhaft sein, wenn sie die nationale Entwick­lung mit sozialer Gerechtigkeit, die menschliche Entwicklung und die De­mokratie fördert. Es erscheint ange­bracht, die ökonomische Öffnung zur Welt als einen graduellen Prozeß zu realisieren, kombiniert mit selektiven Schutzmaßnahmen, durch Handelsab­kommen mit anderen lateinamerikani­schen und karibischen Staaten und mit anderen Ländern und Blöcken, ohne sich nur an einen Partner zu binden.

Die Fähigkeit zur Eingliederung in den Globalisierungsprozeß muß sich auf die Steigerung der Effizienz der ei­genen Wirtschaft stützen, die erreicht werden muß, ohne die sozialen Rechte der werktätigen Klasse zu schmälern, sowie auf die regionale Abstimmung.

Es ist erforderlich, daß unsere Ent­wicklungsprojekte ein Gleichgewicht herstellen zwischen der Stärkung der Binnen- und Regionalmärkte, der effi­zienten Ersetzung von Importen, der Eingliederung in die Weltmärkte und der Öffnung auf dem Gebiet der Zoll­politik. Der Außenmarkt darf nicht mehr der ausschließliche Orientierungspunkt für die nationale Produkti­on sein.

Graffiti in Berlin

Die Substitution der Importe und der Schutz des nationalen Binnen­markts sind Komponenten einer alter­nativen Politik, deren Ergebnisse in früheren Entwicklungsstrategien kri­tisch geprüft werden müssen, die aber nicht grundsätzlich verworfen werden sollte.

Die Entwicklungsstrategie auf dem Gebiet der Produktion sollte die Stär­kung des Binnenmarktes und zugleich den Export im Blick haben.

Die Stärkung und Erweiterung des Binnenmarktes erfordert die Durch­führung struktureller Reformen in der ökonomischen Basis und auch im insti­tutionellen System.

Die Region müßte sich stärker und kreativer an den Foren und Organisa­tionen der internationalen Gemein­schaft beteiligen, die mit den ökonomi­schen, Handels-, Finanz-, politischen und kulturellen Entwicklungsproble­men im Zusammenhang stehen, beson­ders an den Spezialorganisationen der UNO, der Organisation Amerikani­scher Staaten und den subregionalen Organisationen.

Die Abstimmung über Integrations­abkommen und -prozesse, vor allem zwischen den Ländern unserer Region, ist wesentlich für die alternativen Vor­schläge und Bestandteil des lateiname­rikanisch-karibischen Gedankenguts.

Die Integration schließt nicht die Wahrnehmung der nationalen Interes­sen aus, sie wird als ein gradueller Pro­zeß angesehen und nicht als eine über­eilte und unvorbereitete Umstrukturie­rung der nationalen Wirtschaften, die zu einem wirtschaftlichen und sozialen Schock führen könnte, der den ganzen Prozeß diskreditieren und verzögern würde. Die Integration muß als Prozeß in die Wege geleitet werden, sodaß sie zur Zusammenarbeit und gegenseitigen Ergänzung der Länder der Region auf ökonomischem und sozialem Gebiet führt.

Nur durch die subregionale und re­gionale Integration wird es möglich sein, ein spezifisches Gewicht zu errei­chen, das uns gestattet, erfolgreich mit den Wirtschaftsblöcken zu verhandeln, die sich heute in der Welt konsolidie­ren.

Das Projekt der regionalen Integra­tion muß das unterschiedliche Entwicklungsniveau und die Heterogeni­tät in der Region in Rechnung stellen. Um gerecht und solidarisch vorzuge­hen, wird es erforderlich sein, Präfe­renzmechanismen, positive Diskriminierungen und Entlastungen für solche Länder, Sektoren oder Zweige vorzusehen, die sonst durch diesen Prozeß geschädigt würden.

Andererseits ist die Integration nicht nur eine technische oder ökono­mische Frage, sondern stellt eine vor allem politische Aufgabe dar, von so großer Reichweite und Bedeutung, daß sie nicht allein den Regierungen über­lassen werden darf. An ihr müssen sich die politischen Parteien, die Gewerk­schafts- und Bauernorganisationen, die Volksbewegungen, die Nichtregie­rungsorganisationen, die Unternehmer und alle jene beteiligen, die tatsächlich den Reichtum erzeugen.

Der Kampf der politischen Parteien und Bewegungen des Forums von São Paulo und der Gesamtheit der Volks­kräfte für die Integration kann sich nicht auf den Rahmen ihrer jeweiligen Nationen beschränken und kann auch nicht auf die Zeit vertagt werden, wenn sie die Regierung übernommen haben; es handelt sich um eine gemeinsame Aufgabe, die zuallererst erfordert, zu erkennen, daß sich die heutige Welt in einer engen Wechselbeziehung zwi­schen dem Nationalen, dem Regionalen und dem Internationalen entwickelt.

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10. Die Verteidigung der kubani­schen Revolution ist die Verteidi­gung der Souveränität und Selbstbe­stimmung unseres Amerika

Unter den gegenwärtigen Umstän­den einer Neugruppierung und des Aufschwungs der sozialistischen, fort­schrittlichen und demokratischen Kräfte Lateinamerikas und der Kari­bik ist es von entscheidender Bedeu­tung, das Recht des kubanischen Vol­kes zu verteidigen, sein Schicksal selbst zu bestimmen, frei von Einmischung und Druck seitens der USA.

Der Kampf Kubas um einen eigen­ständigen Kurs und um die Verfolgung seiner eigenen Strategie und Politik für ökonomische und soziale Entwicklung hat überragende Bedeutung für die üb­rigen Länder der Hemisphäre. Der wachsende Konsens auf dem Konti­nent, von der US-Regierung die Ach­tung des Selbstbestimmungsrechts und der Souveränität Kubas zu fordern, ungeachtet aller traditionellen ideologischen Standortbestimmungen, ist hervorzuheben und zu begrüßen.

Niemals zuvor sind gesellschaftli­che Organisationen, Unternehmergrup­pen, politische Parteien, akademische Kreise, Massenmedien und Regierun­gen des amerikanischen Kontinents so entschieden mit der Forderung nach Aufhebung der Blockade gegen Kuba und der Achtung seiner Souveränität hervorgetreten. Jedem ist klar, daß sich diese Forderung direkt aus der Not­wendigkeit ableitet, die Souveränität und Selbstbestimmung jedes einzelnen unserer Länder gegen fremde interven­tionistische Bestrebungen zu unter­streichen.

IV. Das Forum von São Paulo, eine Alternative des gemeinsamen Kamp­fes für Demokratie, soziale Gerech­tigkeit und nachhaltige Entwicklung

Im Kampf gegen den Neoliberalis­mus, für Demokratie, soziale Gerech­tigkeit und nachhaltige Entwicklung ist die intensive und aktive Mobilisie­rung und Zusammenführung der na­tionalen und Volkskräfte eine zentrale Aufgabe. Es geht um jene, die in Ge­werkschaften, Bauernorganisationen, Indio- und kommunalen Organisatio­nen, Umweltgruppen, Frauenorganisa­tionen, Kultur- und akademischen Or­ganisationen zusammengeschlossen sind, um Universitäten und andere Zentren der Forschung und wissen­schaftlichen Arbeit, und um die politi­schen Parteien.

Das Schlüsselelement für die Ver­wirklichung der Alternativprojekte, die den Erwartungen des Volkes ent­sprechen, bleibt die Macht. Das we­sentliche Ziel der Parteien und Bewe­gungen des Forums von São Paulo, der politischen Kraft, die den Neolibera­lismus zu Fall bringen will, ist es, die Macht zu erobern und sie für die Entwicklung, Abstimmung und Durchfüh­rung eines Projekts der integralen Entwicklung mit langfristiger Perspektive zu gebrauchen, für ein Projekt, dem ein Programm tiefer ökonomischer, politi­scher und sozialer Veränderungen zu­grunde liegt und das die globale Ten­denz der Verelendung der Mehrheit der Menschen und der Zerstörung der Um­welt umkehren soll. Es soll zum Ziel haben, die strukturellen und anderen Probleme zu lösen, die die Nationen bedrücken, die Streitkräfte und Poli­zeikräfte den gesellschaftlichen Inter­essen der Mehrheit unterzuordnen und eine Außenpolitik zur Verteidigung der Souveränität, der Selbstbestimmung und der Unabhängigkeit festzulegen.

Das alternative Projekt soll plurali­stisch sein und fähig, die nationalen Energien in Bewegung zu setzen und zu bewirken, daß das Land vor der in­ternationalen Gemeinschaft einheitlich auftritt.

Gleichzeitig ist es wichtig, regiona­le Bündnisse zwischen lateinamerika­nischen und karibischen Regierungen und anderen sozialen und politischen Kräften, mit der übrigen Dritten Welt und mit den fortschrittlichen Kräften Nordamerikas, Europas und anderer Kontinente zu schließen.

Von diesen Positionen der subregio­nalen und regionalen Integration aus und mit diesen internationalen Bünd­nissen wäre eine Strategie der ökono­mischen Beziehungen mit den ver­schiedenen Megablöcken in der Welt und mit den internationalen Finanz­zentren vorteilhafter und effektiver zu gestalten. Diese Strategie wird die Souveränität wahren und müßte sich auf flexible und ideenreiche Initiativen stützen, um die Projekte der Entwick­lung mit Gerechtigkeit zu unterstüt­zen, indem man die Internationale Entwicklungsbank, die Weltbank usw. beim Wort nimmt.

Die Aufgabe, vor der wir stehen, ist, einen Entwicklungskurs für unsere Länder zu artikulieren, der eine Alter­native zum neoliberalen Kurs aufzeigt. Wir wollen dadurch erreichen, daß un­sere Völker uns als vertrauenswürdige Kräfte anerkennen, die fähig sind, die ungerechte Realität der Marginalisie­rung, Armut, Unsicherheit und Rückständigkeit, in der sie leben, umzuge­stalten.

Wir fühlen uns den Rechten und der Würde der Individuen und der Be­wahrung des Lebens auf unserem Pla­neten verpflichtet, die durch das herr­schende System bedroht sind. Die theoretische Arbeit an diesem Projekt muß weitergeführt werden, um die Umrisse einer gerechteren Gesellschaft zu zeichnen und die langfristige Perspektive einer Entwicklung klarzustel­len, die nicht auf den Kapitalismus be­grenzt sein wird.

Dazu brauchen wir revolutionäre Ideen, wissenschaftliche Tiefe, Organisations- und Mobilisierungsfähigkeit und Festigkeit bei der Beibehaltung des gewählten Weges.

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Erstveröffentlichung im FORVM:
März
1997
, Seite 9
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