Die Polizei beschränkt sich längst nicht mehr darauf, die Täter eines begangenen Verbrechens zu suchen, wie dies in Fernsehkrimis vorgeführt wird, sondern hat sich zur Aufgabe gemacht, die Kriminalität — insbesondere die organisierte — zu bekämpfen. Gesucht wird nicht mehr nach Verbrechern, sondern nach möglichen Verdächtigen, die vielleicht ein Verbrechen begehen könnten. Dazu werden von der Polizei neue Methoden gefordert, die größtenteils dem Repertoire der Geheimdienste entnommen werden. Neben Rasterfahndung und Lauschangriff, die zur Zeit in aller Munde sind, werden verdeckte Ermittler und Provokateure eingesetzt sowie von der Polizei selbst Drogenlieferungen inszeniert.
Sicherheit ist zum neuen Schlagwort geworden, mit dem auf der Basis einer Politik der Verunsicherung um WählerInnenstimmen geworben wird. Soziale Sicherheit wird mehr und mehr durch einen polizeilichen Begriff der Sicherheit ersetzt. Es ist wohl kaum übertrieben, die Gefährdung der rechtsstaatlichen Prinzipien und der Substanz der BürgerInnenrechte durch die neuen Methoden als größer zu bezeichnen als jene Gefahren, die bekämpft werden sollen.
Die Beiträge des Buches widmen sich neben der Darstellung der Polizeimethoden und der Verflechtung der Polizei mit den Geheimdiensten auch den Alternativen zur Politik der „Inneren Sicherheit“. Es werden bürgerrechtsfreundliche Alternativen zur herrschenden Politik entwickelt, um die neuen Herausforderungen zu bewältigen. Dabei geht es um das Verhältnis von Sozial- und Kriminalpolitik, neue Präventionsmethoden und die demokratische Reform der Sicherheitsapparate und der Justiz.
Rolf Gössner (Hg.): Mythos Sicherheit: Der hilflose Schrei nach dem starken Staat. Nomos Verl.-Ges., 1995, 512 S., öS 503,30