Wer, wie ich, seine Schulzeit schon über zehn Jahre hinter sich hat, kann sich vermutlich nur noch dunkel an lähmende Führungen durch Kunst- und Geschichteausstellungen erinnern durch die mensch von Lehrerinnen und unterschiedlichsten KulturvermittlerInnen auf Wienwochen und Exkursionen geschleift wurde. Schon ein Jahr später wußten wir kaum noch welche Museen wir überhaupt aufgesucht hatten. Einer späteren Generation von SchülerInnen, die im Frühling 2001 von einer jener VermittlerInnen durch die Ausstellung Verbrechen der Wehrmacht begleitet wurden, könnte jedoch ein anderer Eindruck geblieben sein. Nun haben die VermittlerInnen von trafo.K ein Buch über ihre Erfahrungen bei der Ausstellungsvermittlung an Schulkinder und Jugendliche publiziert. Dass sich manch SchülerIn länger an diese Ausstellung erinnern könnte, dürfte nicht nur aufgrund des Themas der Ausstellung, das direkt in die in den Familien tradierte Geschichte intervenierte und den Mythos von der Zugehörigkeit des (Ur-)Opas zur „sauberen Wehrmacht“ in Frage stellte, der Fall sein. Auch die durchdachten Versuche der AusstellungsvermittlerInnen die Shoah und die Verbrechen der Wehrmacht weder durch billige Alibibetroffenheit, noch durch „sinnstiftende“ Moralerziehung im Sinne eines „Lernens aus der Geschichte“ zu vermitteln, sondern die Shoah in ihrer ganzen Sinnlosigkeit so darzustellen, dass ihr auch nicht nachträglich als Immunisierungsimpfung gegen Antisemitismus und Rassismus „Sinn“ verliehen werden kann, trug sicher dazu bei, dass die Ausstellung nicht so schnell vergessen wird. Gerade die darzustellende Sinnlosigkeit der Vernichtung führt jedoch nicht nur bei erwachsenen „ganz normalen ÖsterreicherInnen“ immer wieder zu Abwehrreaktionen. Auch für Kinder und Jugendliche scheint dies schwer zu vermitteln sein. Dass sich die AusstellungsvermittlerInnen dieser Problematik nicht nur bewußt sind, sondern sie auch aktiv thematisieren und diskutieren, zeigt, dass hier nicht nur pädagogische Konzepte einer Ausstellungsvermittlung mitgedacht wurden, sondern diese auch auf einem inhaltlichen Fundament aufbauen, das aus der intensiven Beschäftigung mit der Shoah, mit Antisemitismus und dem Vernichtungskrieg im Osten, aber auch mit der Geschichtspolitik und dem Fortleben von Aspekten nationalsozialistischer Ideologie nach 1945 resultiert. Das Buch der Auststellungsvermittlungsgruppe trafo.K, die im Frühling 2004 auch die Vermittlung der Ausstellung Gastarbajteri — 40 Jahre Arbeitsmigration übernommen hatte, wird gerade durch diese Verbindung geschichtsphilosophischer, sozialwissenschaftlicher und pädagogischer Aspekte interessant und dadurch mehr als reine Ausstellungspädagogik. Die Beiträge von Nora Sternfeld, Charlotte Martinz-Turek, Renate Höllwart und Alexander Pollak sind dabei nicht nur für MuseumspädagogInnen oder LehrerInnen von Interesse. Obwohl sie sich an der Frage der Vermittlung des Wissens um die nationalsozialistischen Verbrechen an SchülerInnen und Jugendliche abarbeiten, ist es geradezu unvermeidlich, dass dabei auch grunsätzliche Aspekte der österreichischen Vergangenheitspolitik und der privaten Tradierung von Geschichtsbildern in den Familien ebenso zur Sprache kommen wie die grundsätzliche Frage, wie die Sinnlosigkeit der Verbrechen überhaupt „erzählt“ werden kann. Diese Fragen betreffen keineswegs nur Jugendliche, werden aber für diese durch das langsame Sterben der Überlebenden und Augenzeugen für die nächste Generation österreichischer SchülerInnen umso wichtiger.
Interessant sind dabei auch jene Kapitel die sich u.a. mit den Reaktionen der jugendlichen AusstellungsbesucherInnen beschäftigen. Hier ist einerseits die auch auf quantitativen Erhebungen mittels Fragebogen beruhende Studie von Ines Garnitschnig und Stephanie Kiessling zu erwähnen, die auch den familiären Hintergrund der befragten jugendlichen AusstellungsbesucherInnen mit einbezog. Aber auch in den Beiträgen von Nora Sternfeld und Charlotte Martinz-Turek sind immer wieder Unterschiede mit den Vermittlungserfahrungen in Deutschland beschrieben. Dabei werden auch die Differenzen zwischen Kindern und Jugendlichen mit „mehrheitsösterreichischem“ Hintergrund mit jenen mit migrantischen Hintergrund herausgearbeitet. Gerade angesichts der exemplarischen Fokussierung der Ausstellung auf den Vernichtungskrieg der Wehrmacht in Südostreuropa sind die Unterschiede zwischen Kindern, deren Eltern aus dem ehemaligen Jugoslawien eingewandert sind und jenen, deren Großeltern aus einem Täterhintergrund ihre Geschichte erzählten, augenfällig und vervollständigen damit die umfangreiche Dokumentation.
Büro trafo.K/Renate Höllwart/Charlotte Martinz-Turek/Nora Sternfeld/Alexander Pollak (Hg.): In einer Wehrmachtsausstellung. Erfahrungen mit Geschichtsvermittlung. Wien: Turia + Kant 2003, 223 Seiten, Euro 22,—, ISBN 3-85132-371-8