In den buntesten Farben wird uns die Zukunft der Computerwelt geschildert. Wir brauchen kein Kleingeld mehr herumtragen, keine Automaten mehr, vor denen wir zu Bettlern werden. Mit der elektronischen Geldbörse (Chipkarte) können wir überall bezahlen. (Die Bettler existieren nicht mehr in dieser Welt, obwohl sie immer zahlreicher werden.) Auf der Versicherungskarte kann der Arzt die gesamte Krankengeschichte lesen und so die richtige Behandlung wählen. Zur Arbeit müssen wir das Haus nicht mehr verlassen. Wir loggen uns in den Zentralrechner unseres Arbeitgebers ein. Und wenn die Techniker ins Schwärmen kommen, dann untersuchen Ärzte ihre PatientInnen online per PC-Videokonferenz.
Verschwiegen werden dabei nicht nur die zahlreichen Pannen und die oft noch vorhandene technische Unzulänglichkeit. Nicht gesprochen wird auch über die Datenansammlung, die damit verbunden ist. Möglich werden Persönlichkeitsprofile, Bewegungsprofile und die unbemerkte Überwachung. Daß es sich hierbei nicht nur um Ängste von an Verfolgungswahn leidenden ZeitgenossInnen handelt, belegen zahlreiche Beispiele. Flüchtlinge sollen per elektronischem Ausweis und in einer gesamteuropäischen Datei der Fingerabdrücke permanent überwacht werden können. Die zur Sicherheit vor Ladendiebstählen installierten Kameras überwachen auch Angestellte und kontrollieren deren Effizienz.
Über die polizeiliche Rasterfahndung schließlich können alle an den verschiedensten Orten gesammelten Daten nach den absurdesten Verdachtsbildern durchsucht werden: „Gesucht werden alle Personen zwischen 20 und 40 Jahren, die in der Umgebung von Hamburg in einer Hochhaussiedlung wohnen, mit Tiefgaragenplatz, nahe einer Autobahnzufahrt, und die ihre Miete sowie Stromkosten bar bezahlen.“ All diese Personen könnten Terroristen sein.
Das sind nur ein paar Beispiele, von denen Beat Leuthardt in seinem neuen Buch zahlreiche versammelt. Der Autor zeigt nicht nur, wie groß der Bereich der Computer-Überwachung bereits geworden ist, sondern auch mit welchen Versprechungen und Traumbildern die Menschen an die Selbstverständlichkeit der Datensammlung gewöhnt werden sollen. Das Vertrauen, daß diese Daten in den Händen von Multis, Verwaltung und Polizei in guten Händen sind, kann durch nichts begründet werden.
Beat Leuthardt: Leben online. Von der Chipkarte bis zum Europol-Netz: Der Mensch unter ständigem Verdacht. rororo-Taschenbuch, Reinbek 1996, 224 S., öS 110,—
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