Wurzelwerk » Jahrgang 1983 » Wurzelwerk 23
Hans Diwald

Land der Nahrungsberge

Agrarüberschüsse in Österreich — Der Hunger in der Welt

„Sag’, wie war das möglich, damals in Auschwitz? Wie war es möglich, daß ein Volk es zuließ, daß Auschwitz geschehen konnte?" Ich diskutierte mit einem Mann der im 2. Weltkrieg Soldat war. Nicht um ihm Vorwürfe zu machen, ich wollte es nur verstehen lernen. :

Die Antwort, und sie ist immer wieder die gleiche: „Das hat ja niemand gewußt,“ und, „was hätte ich denn machen sollen ?“

Und doch, Auschwitz war nur möglich, weil das deutsche und das österreichische Volk und die Welt Auschwitz zuließen!

Ich hatte nach diesem Gespräch den Kopf voll mit Gedanken. „Wie war es möglich ...?“ Plötzlich fiel mir ein: „Auf der Welt sterben jede Minute 20 Menschen an Hunger, und ich ...?“ Die österreichische Landwirtschaft produziert Jahr für Jahr mehr Überschüsse. Sagt man! Weinsee, Milchsee, Butterberg, Zuckerberg, Schweineberg, und wie wir den Weizenexport finanzieren sollen, wissen wir schon bald nicht mehr.

Was sind wir doch für ein tüchtiges und fleißiges Volk, wir Österreicher. Österreich hat ein Agrarhandelsdefizit von 13,5 Mrd öS, jährlich! Um 13,5 Mrd öS verbrauchen die Österreicher mehr an Agrargütern, als im eigenen Land produziert werden, pro Einwohner um 1.800,— öS/Jahr. Um 1.800,— öS können Sie 400 kg Weizen kaufen — aus 400 kg Weizen werden 500 kg Brot. Mit 500 kg Brot, knappe 1,5 kg/Tag könnte ein Mensch leben!

Ca. die Hälfte des Agrarhandelsdefizites sind Produkte wie Kaffee, Tee, Kakao, Zitrusfrüchte, Bananen und Baumwolle, Produkte die zum Großteil aus der 3. Welt kommen und dort hauptsächlich auf Großgrundbesitz erzeugt werden.

Würde auf den Kaffee-, Tee-, Baumwollfeldern etc., Weizen oder Reis für den Inlandsgebrauch angebaut, hätten die Menschen dort mehr als genug zu essen. Wie schaffen wir es bloß, solche Unmengen an Agrarprödukten zu verbrauchen? Bei der Baumwolle schafft es die Mode. Wenn voriges Jahr der Hemdkragen rund war, und heuer befinden die Modeschöpfer, hat er eckig zu sein, werfen eben viele von uns das Hemd und damit die Baumwolle weg.

Bei den Nahrungsmitteln schaffen wir es durch unsere Eßgewohnheiten. Kaffee, Tee und Kakao sind Genußmittel mit sehr wenig Nährwert. Der weitaus größte Teil geht jedoch über die Fleischproduktion verloren!

Um 1 kg Fleisch zu erzeugen verbraucht ein Schwein den Futterwert von 3 kg Getreide. Das Schwein kann man jedoch nicht komplett essen. Knochen, Kopf, Därme usw. fallen weg. Für ein kg essbares Schweinefleisch benötigt man somit 4 kg Getreide, und das ist noch mehr als günstig gerechnet.

1 kg Schweinefleisch hat jedoch wesentlich weniger Kalorien als 1 kg Getreide.

Um eine tierische Kalorie zu erzeugen müssen, je nach Tierart 7-12 pflanzliche Kalorien an das Tier verfüttert werden! Oder etwas drastischer: Wenn ein Mensch sich rein von tierischen Nahrungsmitteln ernährt, ißt er 6 bis 11 anderen Menschen die Nahrung weg.

Wenn ich Menschen darauf anspreche, warum sie so leben und warum sie das Tag für Tag geschehen lassen, bekomme ich immer die gleiche Antwort: „Das habe ich nicht gewußt!“ und „was soll ich denn dagegen machen?“

Jede Minute sterben auf der Welt 20 Menschen an Hunger, davon 4 Kinder. Es ist ein langsames qualvolles Verrecken. Jede Minute gehen auf der Welt 15 Millionen öS in die Rüstung.

Es sind in den letzten 20 Jahren mehr Menschen an Hunger gestorben als in der ganzen Geschichte der Menschheit durch Krieg und Mord umgekommen sind! Und es ist nur möglich, weil es die Völker der Industriestaaten zulassen. Diese Verantwortung nimmt jedem von uns niemand ab.

Auschwitz und kein Ende!

FORVM des FORVMs

Vorgeschaltete Moderation

Dieses Forum ist moderiert. Ihr Beitrag erscheint erst nach Freischaltung durch einen Administrator der Website.

Wer sind Sie?
Ihr Beitrag

Um einen Absatz einzufügen, lassen Sie einfach eine Zeile frei.

Hyperlink

(Wenn sich Ihr Beitrag auf einen Artikel im Internet oder auf eine Seite mit Zusatzinformationen bezieht, geben Sie hier bitte den Titel der Seite und ihre Adresse bzw. URL an.)

Werbung

Erstveröffentlichung im FORVM:
August
1983
, Seite 26
Autor/inn/en:

Hans Diwald:

Lizenz dieses Beitrags:
CC by
Diese Seite weiterempfehlen

Themen dieses Beitrags

Begriffsinventar