Friedrich ACHLEITNER, in: Katalog zur Ausstellung über das Werk Schütte-Lihotzkys, Wien 1993
Wenn ich mich richtig erinnere, kommt die Vokabel Architektur in Margarete Schütte-Lihotzkys Texten nicht vor und wenn, dann in einer sozialwissenschaftlichen Bedeutung, als erweiterter Begriff, der das Bauen eben in einen gesellschaftlichen und sozialen Zusammenhang stellt. Dieser radikale Ansatz war Grete Lihotzky nicht in die Wiege gelegt, schließlich wuchs sie in einem (bildungs-)bürgerlichen Milieu im Wien der Donaumonarchie auf und ihre Lehrer waren sicher keine Sozialrevolutionäre. Interessant ist für uns aber, was sich die junge Studentin — die sich in den Kopf gesetzt hatte, Architektin zu werden — von ihren Lehrern aneignete: Oskar Strnad riet ihr, sich anzuschauen, wie die Arbeiter wirklich wohnen, bevor sie sich an den Entwurf von Arbeiterwohnungen machte; er forderte also den Befund vor einer Stellungnahme; Max Ermers und Adolf Loos bestärkten sicher ihre Begeisterung für die Wiener Siedlerbewegung und das Interesse einer sich artikulierenden Wohnkultur des Arbeiters. Was aber Grete Lihotzky von vornherein ausschloß, das war die romantische Ästhetisierung der Armut, den nicht absichtslosen Imperativ nach Bescheidenheit als kleinbürgerliche Tugend, der oft sogar von einer Avantgarde dem Arbeiter ästhetisch zugemutet wurde. Grete Lihotzkys Architekturauffassung, in vielem jener von Hannes Meyer oder Hans Schmidt verwandt, bestand in der Verbesserung aller Lebensbedingungen durch Bauen, ja mehr, in einer Architektur, die alle jene Kräfte und Prinzipien widerspiegelt, die eine bessere Zukunft herzustellen vermögen. Dies führte natürlich auch zu neuen Formen, aber diese durften nicht Selbstzweck werden.
Lu MÄRTEN, Formen für den Alltag, Berlin o.J.
Aber es scheint mir auch wichtiger, sich dafür zu interessieren, was danach kam und weiter kommen muß — für den Typus Mietskaserne. Ihre Geschichte ist noch jung. Und wenn auch schon in Rom ein ähnlicher Häusertypus für die Proleten bestanden haben soll, so hat doch ihre Bedeutung als Wohnhaus aller Klassen kaum eine Analogie in der Geschichte. Sie war und ist durchaus die Notwendigkeit einer bestimmten Entwicklung. Ein Massenquartier, wie ihr Name sagt. Die richtige Militärkaserne oder andere staatliche Massenquartiere könnten trotzdem, oder gerade, weil sie Massenquartiere darstellen, eine Ästhetik der Architektur bieten.
Ihr Zweck ist reinlich bestimmt und durch andere Interessen in seiner Form nicht verhindert oder vernachlässigt. Der Staat, oder wer diese Bauten bestimmt, kann das erreichen, was Eigenproduktion oder Handwerkszeit erreichte, er kann den fremden, künstlerischen Willen beauftragen. Anders die Produktion der Mietskasernen. Unter den Begriffen Zweck und Notwendigkeit steht der volkswirtschaftlich deutlichere: Angebot und Nachfrage. Unter welchen Umständen wird gefordert und unter welchen wird angeboten. Die Drängung vieler Menschen in der Großstadt und der nur in gewissem Umfang vorhandene und zur Bebauung (aus festen Händen) erst zu erwerbende Grund und Boden machte die Bauform der Mietskaserne notwendig.
Sie ist also keine willkürliche architektonische Konstruktion, sondern eine nach Lage der Dinge erzwungene. Die Nachfrage einer großen Anzahl von Menschen nach Wohnungen bedingte noch nicht ohne weiteres eine Wohnhauskonstruktion, in der die Menschen über- und nebeneinander gepfercht wurden, sondern zunächst die Notwendigkeit der nötigen Anzahl Häuser und Wohnungen überhaupt. Da aber die Nachfrage nach Häusern eine solche nach Boden ist und dieser sich in der Großstadt nicht im genügenden Umfange der Bebauung erschloß, so entstand der Zwang, in die Höhe zu bauen statt in die Weite. Damit war auch der Begriff „Raum“, als ein künstlerischer, unverständlich geworden; sein Spekulationswert erniedrigte ihn selbst unter die Grenze der hygienischen Möglichkeiten, und hier in Berlin mußten ihm Gesetze erst die Grenze bestimmen, die ihn vom „Loch“ noch unterscheiden konnte.
So entstand die neue Bauform der „Mietskaserne“ nicht als ein Zwang neuer Lebensgewohnheiten (eher zwang sie solche auf), sondern aus den kompliziert widerstreitenden Interessen derer, die wohnen mußten, und derer, die wohnen lassen konnten. Und so wird sie weiter bestehen; denn ihre Form, ob gut oder schändlich, ist nun einmal bedingt. Aus der primitiven und gleichgültigen rohen Form ihrer ersten Periode hat man sie herausgerissen und hat sie brav herausgeputzt mit Türmchen und Erkern, angeklebten, mit Gips überworfenen Ornamenten (Stuck) und anderen Scheußlichkeiten. Von innen änderte das wenig. Da blieb das Prinzip der Raumausnutzung und dunklen Beengung. Aus all diesem Negativen aber stellt der Mietskasernentyp positive Aufgaben, die ihre künstlerische Lösung finden könnten. Eine Reihe angesehener Architekten beschäftigte sich lange mit diesem Problem und nicht, ohne daß sie hie und da eine glückliche Lösung erbrachten.
Christine ZWINGL im Gespräch mit der »Volksstimme«, 3. Jänner 1997 Soziale Kämpfe — Politische Umwälzungen
Sozialer Wohnbau entwickelte sich in den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts als Folge der Wohnungsnot in den großen Städten und ging einher mit politischen und sozialen Umwälzungen und Kämpfen. Neu war dabei unter anderem, so Christine Zwingl, daß ein „staatlicher“ (genossenschaftlicher, etc.) Auftraggeber „die Aufgabe übernimmt, für ,anonyme Nutzer‘ bauen zu lassen. Wodurch eine ,kollektive Aufgabe‘ entsteht, mit den klassischen Arbeitsgebieten Wohnungsbau und Bau entsprechender Einrichtungen im Umfeld, wie etwa Kindergärten oder Schulen“.
Die dadurch enstandenen Fragestellungen wurden von den meisten Architekten der damaligen Zeit allerdings gar nicht wahrgenommen. Schütte-Lihotzkys herausragende Stellung als Architektin resultiert dagegen für Christine Zwingl gerade aus der Tatsache, daß sie in diesem Komplex „sozialer Wohnbau/soziale Architektur“ von Beginn ihrer Tätigkeit an, „eine Aufgabe erkannte, die sie direkt betrifft“. Erste Anstöße dazu erhielt die junge Architektin während ihres Studiums.
Entsprechend nahm Schütte-Lihotzky, im Gegensatz zu den meisten ihrer KollegInnen, das Elend „der Massen“, das mit der ungelösten Wohnfrage zusammenhing, wahr und entwickelte in der Folge gerade in Auseinandersetzung mit dieser Frage ihr gesamtes Lebenswerk.
Finanzierbarer Wohnraum
Sichtbar wird der entsprechend neue Ansatz, so Zwingl, auch an der Arbeitsweise Schütte-Lihotzkys, die „eigentlich immer in Gruppen und Organisationen gearbeitet hat und dabei an jede Bauaufgabe systemisch herangegangen ist, sie immer als eine Aufgabe für eine Gruppe gesehen hat und dabei — konträr zur klassischen Aufgabenstellung eines Architekten — immer (reproduzierbare ,Typen‘ entworfen hat“. Dabei sah Schütte-Lihotzky ihre Herausforderung darin, unter Ausnützung neuer Technologien, standardisierter Massenfertigung, neuer Organisationsformen etc., für die „verarmten Massen“ Wohnraum zu schaffen, den sich diese Menschen auch leisten konnten.
Fragestellungen einer sozial engagierten Architektin, die, ungeachtet der eben erwachten Wertschätzung für die Person Schütte-Lihotzky, von einem Großteil ihrer KollegInnen — bzw. vor allem auch der Politik — aktuell kaum noch aufgegriffen würden, so Christine Zwingl. Daß ungeachtet — oder gerade wegen solcher Ignoranz, Probleme wie Wohnungsnot bzw. unfinanzierbarer Wohnraum in den letzten Jahren überhand nahmen, macht dagegen die Ideen und das Werk von Margarete Schütte-Lihotzky wohl auch für die aktuelle Architekturdebatte wichtig.
Margarete SCHÜTTE-LIHOTZKY im Ausstellungskatalog 1993
Es ist nicht so, wie man uns Funktionalisten nachsagt, daß, wenn bei einem Entwurf die Funktion erfüllt ist, die Arbeit ihr Ende hat. Ich wäre nicht Schülerin von Strnad und hätte nicht mit Loos gearbeitet, wenn ich so denken würde. Nein, erst wenn die Funktion gelöst ist, fängt die Arbeit an der künstlerischen Gestaltung an. Der Architektur kann im Grunde genommen niemand entrinnen. Ständig bewegt sich jeder Mensch in Räumen, entweder in Innen- oder in städtebaulichen Räumen. Diese erzeugen in ihm, bewußt oder unbewußt, Wohlbefinden oder Mißbehagen, Ruhe oder Unruhe, Harmonie oder Disharmonie. Und das ist letzten Endes eine künstlerische Wirkung, eine Wirkung auf die Nerven und nicht auf das Auge.
Von Anfang an wollte ich immer nur Wohnbau machen,Wohnbau mit allem was dazu gehört: Kinderanstalten, Schulen, Ambulatorien, Bibliotheken, was man eben soziales Bauen nennt. Schon 1917 hab ich mich an der Schule an einem Wettbewerb für Arbeiterwohnungen beteiligt. Vorher ging ich in die Außenbezirke und habe dort gesehen, wie die Arbeiter bei uns wohnen. In Wien gab es damals eine strenge Trennung zwischen bürgerlichen und Arbeiterbezirken. Damals habe ich erkannt, welch angespanntes, schweres Leben Hunderte und Tausende Menschen in unserer Stadt führen mußten. Mir wurde das erste Mal die große soziale Verantwortung der Architekten bewußt, mir wurde klar, daß der Wohnbau letzten Endes ein Spiegel der Lebensgewohnheiten der Menschen zu sein hat, daß wir, ausgehend von diesem Leben, von innen nach außen zu projektieren haben und nicht von der äußeren Form ausgehend nach innen.
Natürlich mache ich mir auch meine Gedanken, wie der Wohnbau heute auszusehen hat. Immer wieder komme ich zu dem Schluß, daß es grotesk ist, daß wir immer noch wie vor 60 oder 70 Jahren abgeschlossene Ein-, Zwei-, Drei-, Vierzimmerwohnungen bauen obwohl sich das Leben in den vergangenen Jahrzehnten so ungeheuer verändert hat. Eine der größten Veränderungen, die sich im Wohnbau niederschlagen muß, ist die allgemeine Berufstätigkeit der Frauen. Diese Tatsache verlangt aber völlig neue Lösungen. Wir Architekten haben deshalb die verflixte Pflicht und Schuldigkeit, uns den Kopf darüber zu zerbrechen, was im Wohnbau getan werden muß, um den Frauen und Männern das Leben zu erleichtern und den alltäglichen Streß abzubauen, zum Beispiel Räume für Nachbarschaftshilfe, zentrale Dienstleistungen usw. zu schaffen.
Christine ZWINGL im Ausstellungskatalog 1993
Die wichtigsten Punkte ihrer Vorträge sind:
- Die Einkommensverhältnisse, und nicht ideale Formvorstellungen bestimmen die Grundrißplanung einer Wohnung in Frankfurt.
- Rationalisierung und Massenproduktion sind für die Erzielung von niedrigen Mieten notwendig.
- Die Rationalisierung der Hauswirtschaft dient vor allem dem Zweck, mehr Zeit für Erziehung der Kinder, für Kultur, Freizeit und Sport zu haben.
- Zur Errichtung von Kleinstwohnungen ist es notwendig, den minimalen Bedarf an Wohnfläche für eine Familie festzustellen. Fehlende Räume für Kinder in der Wohnung steigern die Kriminalität der Jugendlichen. Je kleiner die Wohnfläche, desto besser muß die Wohnung ausgestattet sein. Eingebaute Möbel sparen bis zu 30 Prozent an Grundfläche.
- Gefordert wurden zentrale Einrichtungen in den Siedlungen, die den Frauen die Arbeit erleichtern sollen. Unbedingt notwendig sind dabei die Zentralwäscherei mit modern ausgestatteten Wascheinrichtungen und der Kindergarten, in welchem die Kinder während der Arbeitszeit oder der Erledigungen der Mutter versorgt werden.
Durch ihre Reden möchte sie den Frauen bewußt machen, daß sie sich als Hauptbetroffene gegen den schlechten Wohnungsbau zur Wehr setzen und in Hinkunft den Wohnbau beeinflussen sollen.
Voraussetzung dafür ist aber, daß die Frauen bereit sind, sich mit dem Fortschritt auseinanderzusetzen (das heißt, bereit sind, sich von konventionellen Vorstellungen über Wohnungseinrichtung und Haushaltsführung zu lösen, A.d.A). „Ein Architekt, der eine Villa plant, spricht mit der Hausfrau. Stadtverwaltungen müssen mit den Frauenorganisationen sprechen, die Erfahrungen von allen sollen allen zugute kommen.“
Die Themen ihrer Arbeit sind Bauaufgaben, die vor allem Frauen zugute kommen, und deren Behandlung bereits von Frauenvereinen und Frankfurts Politikerinnen gefordert wurde. So setzte sich Elsa Bauer, die sozialdemokratische Stadtverordnete, für die Ausstattung des Hauswirtschaftsbereiches mit arbeitssparenden Geräten ein.
Margarete Schütte-Lihotzky arbeitet an der Lösung der frauenspezifischen Wohnprobleme. Die damals üblichen Ledigenheime lehnt die Architektin ab. Sie plädiert für eine Durchmischung der Bevölkerung und sieht daher Wohneinheiten für alleinstehende Frauen im letzten Stockwerk normaler Geschoßwohnhäuser vor. Diese bewußte Integration von Sonderwohnungen erweist sich als vorausblickend, insofern dies heute wieder speziell für Altenwohnungen gefordert wird. Der Entwurf basiert auf sehr konkreten Berechnungen zum Einkommensniveau berufstätiger Frauen und versucht, diese Wohneinheiten dem Finanzierungskonzept normaler Familienwohnungen anzupassen. Zusätzlich gelingt es ihr darzulegen, wie innerhalb eines solchen Konzeptes Dienstleistungen, die die Bewohner von der Hausarbeit befreien sollen, funktionieren könnten.
Lu MÄRTEN, Formen für den Alltag, Berlin o.J. Die Zentralisation der Hauswirtschaft (1903)
Fordert man die Befreiung der Frau und macht sie abhängig von deren endgültiger materieller Unabhängigkeit, die durch die Erwerbsarbeit als Beruf gesichert wird, so wird man sich der hieraus entstehenden Konsequenz: der Umgestaltung unserer heutigen Hauswirtschaft, nicht mehr verschließen können. Denn es ist ein Unding zu denken, daß es der Masse der Frauen auf die Dauer gelingen würde, ihrem Beruf, ihrer Erwerbstätigkeit nachzugehen und daneben doch alle Pflichten, die die Einzelwirtschaft erfordert, Beaufsichtigung der Kinder etc., zu erfüllen, ohne seelisch und körperlich Schaden zu nehmen, ohne die eine Tätigkeit auf Kosten der anderen zu benachteiligen. Schon in dieser einen Tatsache, daß nur durch eine Umgestaltung der heutigen Einzelwirtschaftsform jeder einzelnen Frau die Möglichkeit gegeben werden kann, ihren Neigungen und Fähigkeiten entsprechend eine Lebenstätigkeit zu wählen und darin bleibend zu wirken, ohne auf die Familie und ihre Beziehungen verzichten zu müssen, liegt meines Erachtens der wichtigste Grund für die Forderung der Einführung von Wirtschaftszentralen, die in möglichst vollkommenem Ausbau alle hauswirtschaftlichen Bedürfnisse befriedigen und dem individuellen Eigenleben des einzelnen im weitesten Maße entgegenkommen sollen. Es unterliegt keinem Zweifel, daß obige Forderung noch auf mancherlei Widerstand stoßen wird.
Selbst in solchen Kreisen, denen sie nach ihren Bestrebungen die Konsequenz einer fortschreitenden Entwicklung sein müßte, wird sie noch nicht immer als selbstverständlich erhoben. Man fürchtet in der Hauptsache Gefährdung des alten „heiligen Familienideals“, Vergewaltigung individueller Interessen und ähnliches mehr. Der lauteste Widerspruch ertönt naturgemäß da, wo Neigung und Möglichkeit bestehen, den Haushalt in mustergültiger Weise selbst oder durch Dienstpersonal zu führen und zu überwachen, wo eigene günstige Wirtschaftslage das Verständnis für die Interessen der arbeitenden Massen, auch der Gebildeten darunter, nicht aufkommen läßt oder erschwert. Diese Gegner bedenken in der Hauptsache nicht, daß jenes mit der Einzelhauswirtschaft verbundene Familienideal schon heute für Millionen Menschen nicht mehr besteht und nicht mehr verwirklicht werden kann, daß viele Tausende verheirateter Frauen gezwungen sind, in oder außer dem Hause mitzuerwerben und entweder zugrunde zu gehen an der Überlastung, die ihre komplizierten Pflichten der Wirtschafts- und Erwerbsarbeit mit sich bringen, oder sie auf Kosten ihrer und ihrer Kinder Gesundheit zu vereinen. Sie denken ebensowenig an die zahlreichen Beamtinnen, Studentinnen, Handlungsgehilfinnen etc., denen gerade, wenn sie alleinstehen, durch entgegengebrachtes Mißtrauen und geringe Mittel die Führung eines Einzelhaushaltes, sei er noch so klein, erschwert wird und denen in den wenigsten Fällen so etwas wie ein „gemütliches Heim“ gewährleistet werden kann. Sie bedenken ferner einen Umstand nicht, der fast allen gemeinsam ist, für den Armen und Minderbemittelten aber die größte Bedeutung hat: nämlich die Verschwendung von Arbeitskraft und Material und die unhygienische Arbeitsweise, die mit der privaten Einzelwirtschaft bei den immer schwieriger werdenden Wohnungsverhältnissen verbunden ist. Denn da sich für den kleinen Haushalt die Einführung maschineller und technischer Vervollkommnungen nicht lohnt, wird in primitivster Weise mit primitiven Werkzeugen gearbeitet. In einem einzigen Hause quälen sich täglich an 20 bis 30 Herden 20 bis 30 Frauen; aus ebensoviel Küchen verbreitet sich die mit Küchendünsten geschwängerte Luft in die engen Wohnräume, und das Ungesunde dieses Zustandes wird erhöht durch das Beherbergen von Schmutzfalleimern, offenen und Abfeuchter Wäsche und andern ungesunden Dingen. Wie viele müde Mädchen und Frauen schleppen abends die Kohlen bis in die höchsten Stockwerke und quälen sich täglich bis zur Erschöpfung, um für 100 bis 120 Personen Nahrung, Heizung etc. zu besorgen, ohne dabei bedeutende Ersparnisse zu erzielen, ohne sich eine Ruhestunde gönnen oder anderen Ansprüchen nachkommen zu können. Daß alle Funktionen des privaten Einzelhaushalts, wie Reinigung, Wäscherei, Heizung u.a., in einer zentralisierten Wirtschaftsführung mit vollkommener technischer Ausrüstung besser, schneller und billiger erledigt werden können, daß auch darin der Großbetrieb dem Kleinbetrieb überlegen ist, versteht sich von selbst und wird keinem modernen Menschen utopisch erscheinen.