FŒHN » Heft 22
Markus Wilhelm

Haider ist der Ziehsohn des recht extremen Kapitalismus

Je eindeutiger das große Geld herrscht, desto wichtiger ist diesem der Eindruck, es herrschten die Politiker: „Clinton bleibt hart“, „Vranitzky setzt Wohnbauprogramm durch“, „Jelzin stärkt den Rubel“ usw. Dieser uns tagtäglich um die Ohren klatschende Unsinn ist Ausfluß und gleich wieder Grundlage des Demokratietheaters, dem wir ausgesetzt sind. Haider spielt auch diese Scheindemokratie am besten. Wenn Klima und Hums die Mächtigen sind, dann ist er ja der, der sich ganz rabiat mit den Mächtigen anlegt. Daß er mäuschenstill ist gegenüber dem Zinsdiktat der Bank Austria, dem Abnahmepreisdiktat der Milchgenossenschaft oder dem Lohndiktat der Kika-Kette, spielt dann keine Rolle. Das ganze Haider-Theater funktioniert ja nur, weil so ein Zirkus gemacht werden muß um das Wählen, und weil das Parlament, das ohne Einfluß ist auf die Wohnungsmietpreise, auf den Eckzinssatz oder auf die Schandlöhne in der Hotelküche, so hinaufgejubelt wird.

In Erfüllung gegangener Berufswunsch: Schauspieler
(Bilderfolge aus der FPÖ-Parteizeitung Kärntner Nachrichten, 25.1.1990)

Haider kommt nicht trotz Wahlen auf, sondern dank Wahlen! Je mehr solche Wahlen, desto besser für ihn. Von den Wahl-Angeboten präsentiert er sich am besten. Wer für’s Wählen eintritt in der kapitalistischen Demokratie, wird so einen als Sieger haben.

Wo von Anfang an alles falsch ist, da ist er in seinem Element. Diese Demokratie ist keine Demokratie. Und wenn sie jetzt einer gerissener und genialer zu nutzen weiß als alle anderen, so geschieht ihnen recht. Seine Anleihen bei den Wahl-Schmähs in den USA bieten in konsequenter Weiterentwicklung noch mehr Demokratie-Show für noch weniger Demokratie, z.B. mit sogenannten Wahlkonventen. Quereinsteiger ermöglichen, daß jeder Parteisitz verkauft werden kann. Präsident Bush z.B. hatte von 60 Jobs im Außenministerium 47 an Personen zu vergeben, die sich nur durch die Finanzierung seines Wahlkampfes qualifiziert hatten. Wenn das eine Demokratie ist, dann ist Haider ihr Vollender. Dann ist Haider der demokratischste Politiker, d.h. der ihrer perfektesten Handhabung. Wer anerkennt, daß die Menge der Geldscheine, die ein Mensch besitzt, seine Stellung in dieser Gesellschaft bestimmt, dem steht große Entrüstung im Gesicht wegen Haiders Systemverbesserungen nicht sehr gut. Ein kapitalistisches Management ist desto besser, je weniger Krankenstände und je mehr unbezahlte Hausfrauen es produziert, je weniger Pensionisten und je mehr Lehrlinge, je geringere Sozialausgaben und je größere Gewinnspannen, je niedrigere Lohnkosten und je höhere Investitionsfreibeträge, je weniger Arbeitsinspektionen und je mehr Wochenstunden usw. Haider ist keine Entgleisung. Die Schienen führen genau in diese Richtung. Wählen im Kapitalismus heißt den Kapitalistischsten wählen. Alles andere wäre ja paradox. Nur in einer Demokratie hieße es, den Demokratischsten wählen!

Viele sagen, Haider will dieses Staatswesen vernichten, unter dem Vorwand, es zu retten. Ich sage, er will es retten, unter dem Vorwand es zu vernichten.

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Erstveröffentlichung im FORVM:
Mai
1996
, Seite 55
Autor/inn/en:

Markus Wilhelm:

Geboren 1956, von Beruf Zuspitzer in Sölden im Ötztal, Mitbegründer des FŒHN (1978-1981), Wiedergründer und Herausgeber des FŒHN (1984-1998). Seit 2004 Betreiber der Website dietiwag.org (bis 2005 unter dietiwag.at), Landwirt.

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