MOZ » Jahrgang 1989 » Nummer 40

Exhibitionismus an der Wienzeile

(MOZ) „Für unsere Szene wäre es ein Schlag ins Gesicht, wenn die Schrift wegkommt“, umreißt Rudi Katzer die Problematik. Der Organisator im Büro der Rosa Lila Villa an der Wienzeile in Wien Mariahilf kann aber aufatmen. Ein dementsprechender Antrag der FPÖ im Bezirksrat des 6. Bezirkes wurde gegen die Stimmen der Haider-Partei abgelehnt.

Den Stein ins Rollen brachte im vergangenen Oktober die FP-Bezirksrätin Ilse Arié mit einer Anfrage an Bezirksvorsteher Mag. Kurt Pint (der allgemein als Anti-Grünbaum-Park-Kämpfer bekannt ist), in der sie wissen wollte, ob es eine Möglichkeit gebe, die Aufschrift „Erstes Wiener Schwulen- und Lesbenhaus“ an der frisch renovierten Villa entfernen zu lassen. Arié begründete ihre Anfrage damit, daß viele die Aufschrift genauso anstößig empfänden, „als würde an einem Haus mit roten Laternen die Aufschrift ‚Hurenhaus‘ in großen Lettern prangen.“ Daraufhin herrschte Aufregung unter den Lesben und Schwulen in der Rosa Lila Villa, Gespräche und Verhandlungen wurden geführt, Polemiken seitens der Bezirkspolitiker via Zeitungen ausgetauscht. Die die Volksseele vertretende FP-Politikerin forderte in einem Antrag die Entfernung der Schrift, da „Steuergeld nicht für eine Art Exhibitionismus mißbraucht“ werden dürfe.

In der Zwischenzeit gingen die BetreiberInnen des Lesben- und Schwulenhauses zur Gegenoffensive über. Getreu nach dem Motto „Was drin ist, steht auch drauf“ riefen sie zu einem Ideenwettbewerb für eine neue Namensgebung auf. „Wir haben damit einen Dialog mit den Parteien gesucht“, begründet Rudi Katzer, der 1983 erstmals Aufsehen als Nationalratskandidat der ALÖ (Plakattext: „Popolitik ist mehr“) erregt hatte, das Suchen der Öffentlichkeit. Ausserdem sollte die Szene mit der Problematik befaßt werden, was sie auch zahlreich tat. Innerhalb von knapp vierzehn Tagen langten über 250 Vorschläge zur Namensgebung und Fassadengestaltung ein, die bei einem Jour Fixe im Vereinscafé „Willendorf“ prämiert wurden. Verwirklicht wird keiner dieser Vorschläge werden, die meisten TeilnehmerInnen hatten sich für die Beibehaltung des Status quo ausgesprochen. Überraschenderweise wurde dann auch noch der FP-Antrag in der Bezirksratsitzung von allen anderen Parteien geschlossen abgelehnt, was das vorläufige Ende des „Kasperltheaters“ (Aussendung R.L.V.) bedeutet. Nicht zu Ende ist der Ideenwettbewerb. Im Gegenteil, er wurde bis zum Juli verlängert und auf allgemeine Schwerpunkte wie etwa Lesben-/Schwulenverfolgung und -diskriminerung erweitert.

Jeden Montag um 18 Uhr findet dazu ein Jour Fixe im Café Willendorf, Linke Wienzeile 102, 1060 Wien statt. Telefonischer Kontakt: 0222/587 17 78 (Mo-Fr, 15- 18 Uhr).

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Erstveröffentlichung im FORVM:
April
1989
, Seite 67
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