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Hubert Maierwieser

Die Spinner haben ein Netz

Alternative Liste Niederösterreich gegründet

Am 2.10.1982 wurde in St. Pölten in offen-basis-demokratischer Manier die AL-NÖ aus der Taufe gehoben. Mehr als 30 Vertreter verschiedenster Gruppierungen aus ganz Niederösterreich — am stärksten vertreten die Aktivisten der Alternativen Liste Baden — verabschiedeten die Statuten der AL-NÖ, die nun die Möglichkeit hat, als wählbare alternative politische Kraft an die Öffentlichkeit zu treten. Grundsätze und Statuten wurden mitunter heiß diskutiert. Das Gespenst des destruktiv-langatmigen Palavers im Durcheinander und Gegeneinander saß schon mitten im Sitzungssaal, doch konnte es schließlich durch ein vernünftiges Miteinander vertrieben werden. Disziplin und Toleranz sind die Kehrseiten der Basisdemokratie-Medaille. Die Zusammensetzung der Personen war mannigfaltig, was sich in gewissen inhaltlichen Differenzen und emotionalen Barrieren zeigte, doch nicht widersprüchlich. So wurde auch das Grundsatzprogramm in solidarischem Einverständnis einstimmig angenommen (Kitzmüller, siehe WURZELWERK 9/82). Erst am späten Nachmittag wurde ein neunköpfiger Geschäftsführender Ausschuß gewählt. Daß das Verhältnis mit 5 Frauen und 4 Männern zugunsten des weiblichen Geschlechts gewichtet ist, scheint der beste Beweis zu sein, wie ernst es die AL-NÖ mit der Gleichberechtigung nimmt.

Weitere Eindrücke: Die Grundsätze der AL scheinen mir genug Profil zu zeigen und auch gut genug zu sein, um in der Bevölkerung auf positive Resonanz zu stoßen. Mißtrauen gegen etablierte Parteien und ein Bedürfnis nach neuen Perspektiven sind ja hinreichend vorhanden. Die Repräsentanten — auch in einer nicht-hierarchischen Struktur mit Hauptgewicht auf Basisarbeit sind sie bis zu einem gewissen Grad nötig — erachte ich für durchaus kompetent, die Bewegung nach außen hin zu vertreten. Doch wortgewaltig aufrührerische Töne zu spucken ist zu wenig. Für die politische Umsetzung der alternativen Ideen bedarf es der Arbeit, Arbeit und noch einmal Arbeit. Erstellung von Problemkatalogen spezifisch für Niederösterreich, inner- und außerorganisatorische Arbeit wie auch Offentlichkeitsarbeit erfordern eventuell eine Erhöhung des Mitarbeitergrundstocks.

Obwohl viele Skeptiker der Meinung sind, daß das Streben nach persönlichem Vorteil viele Rollen spielt, sogar die des Selbstlosen, bin ich auf der Gründungsversammlung restlos von dem ehrlichen Willen zu politischer Sauberkeit überzeugt worden. Allein die statutarisch festgesetzte Bezügeregelung, das „Imperative Mandat“ und das durchdachte Rotationsprinzip verhindern Auswüchse, wie wir sie von anderen Parteien her kennen.

Zum Schluß, die Arme müde vom vielen Abstimmen, verblieb die Hoffnung, daß gezeigte Anfangseuphorie und Aufbruchsstimmung nicht zu Resignation verebben, sondern der Anfang einer neue Ära sind.

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Erstveröffentlichung im FORVM:
Oktober
1982
, Seite 11
Autor/inn/en:

Hubert Maierwieser:

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