Broder schlingert in seinem Buch zwischen „Kishon für jüngere Deutschsprachige“ und harten Bestandsaufnahmen über eine in sich gespaltene Gesellschaft, deren Kontrahenten sich am liebsten gegenseitig die Identität als Israeli absprechen würden. Am besten läßt man ihn wohl selbst zu Wort kommen: „Zur höheren Geburtenrate der Religiösen kommt noch hinzu, daß mehr religiöse als säkuläre Juden nach Israel einwandern und daß für säkuläre Juden das Leben in einer von den Frommen dominierten Gesellschaft unerträglich wird, weswegen schon heute viele von Jerusalem nach Tel Aviv ziehen, was der einfachste Weg ist, ins Ausland zu fahren, ohne das Land zu verlassen.“ Insbesondere geht er auf die jüdischen Neueinwanderinnen aus den USA ein, die sich gerne als die wahren Bewahrer der Religion gerieren. Auch die Suche nach der „‚authentischen‘ jüdischen Erfahrung“, wie Broder schreibt, zieht viele von den Jungen an, eine Sinnsuche, für die der Staat Israel als Projektionsfläche dient. Durch Interviews und Beschreibungen zeichnet Broder kleine Porträts, welche die Problemlagen und die Irrationalismen deutlich machen in einem Land, das es wohl verdient, normal zu werden. Die Lage der palästinensischen Bevölkerung ist in seinen Schilderungen ständig präsent, genauso wie die mentalen Anspannungen und die Alltäglichkeit der Bedrohungen für Israelis, die einige mit viel Witz in ihr Leben integrieren können.
Auch für gelernte WienerInnen, wie ich einer geworden bin, hat Broder etwas zu bieten: In einer leicht boshaften Skizze wird auch eine österreichische Journalistin zur Kenntlichkeit entstellt, die hier in Wien in einem Brief der arabisch-österreichischen Gesellschaft an das entsprechende Magazin schon einmal als die kompetenteste Israel-Kennerin abgefeiert wurde.
Alles in allem ein unterhaltsamer und lehrreicher Reiseführer ins heutige Israel.
Henryk M. Broder, Die Irren von Zion. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 1998, 288 S., öS 291,—