MOZ » Jahrgang 1990 » Nummer 56
Franz Hütterer
ORF

Die Funsters sind gelandet

Sommergedanken zum „Comedy Express“, einer ORF-Produktion für Nachwuchskabarettisten.

Wie zum Ozon das Ozonloch, gehört zum Sommer das Sommerloch. Das TV füllt es mit Unterhaltung, in mehreren Folgen wurde Freitag nacht die Unterhaltungsnachwuchssendung „Comedy Express“ ausgestrahlt. Eine ORFeigene Humorproduktion läßt immer Schlimmes befürchten. Da war „D.O.R.F“, die Küniglbergsatire, an der alle beteiligten Kabarettisten rasch die Lust verloren. Und da war „TELEWISCHN“, der Versuch, „Spitting Image“ auf österreichisch abzukupfern. Allerdings ohne Biß, ohne Tabuverletzung, ohne anarchistische Respektlosigkeiten, also ohne alles, was „Spitting Image“ ausmacht. Als Telekasperltheater, das keinem wehtun will, weil „die Österreicher“, so Chefkomiker Peter Hofbauer, „diesen aggressiven Humor nicht so wollen“. Gefällige Köpfe ermöglichten eine Art PR-Aktion für prominente Puppenkopfvorlagen. Satire, die keine ist. Ein vorhersehbarer Flop, ein geräuschvoller Bauchfleck ins leere Becken.

Die Qualität der ORF-Unterhaltung besteht seit je in ihrer unfreiwilligen Komik. Es war zu befürchten, daß dieser ORF, der Moik und Hias für lustig und Flossmann und Heinz! für Kabarettisten hält, auch entsprechenden Nachwuchs fördern würde. Und weil in Österreich alles, was schlecht ist, auch bleiben muß, bleiben der Musikantenstadl und Kurt Waldheim, und es bleibt auch Peter Hofbauer, der gute Chancen hat, bei Bacher Ill hinaufzufallen. Sein jüngster Anschlag auf unsere Geschmacksnerven: „COMEDY EXPRESS.“ Unterhaltung ohne Inhalt sind die ZuseherInnen gewohnt. Daß auch die junge Generation nichts zu sagen hat, ist daher nur traditionsbewußt. Die Yuppies machen Kabarett, ein bisserl Lachen ist gut für die Verdauung.

„Comedy Express“ zeigt, daß der Zeitgeist für Geist keine Zeit hat. Ein dicker und ein doofer Conferencier führen durch die Sendung. Nennen wir keine Namen, die Jungkomiker können sich noch entwickeln, und außerdem werden uns ihre Gesichter in den nächsten Jahren ohnehin nicht erspart bleiben. Ein eigenartiges Deja-vu-Erlebnis stellt sich ein: das Gefühl, das alles schon oft gesehen zu haben. Bei Farkas und Waldbrunn, bei Benny Hill, Harald und Didi und ... Vor allem aber wird parodiert. Teils freiwillig, teils unfreiwillig, weil es an eigener Substanz fehlt. Eine Songcontest-Parodie etwa kann den Schwachsinn weder musikalisch, choreographisch übertreiben noch textlich überdrehen. Sie unterscheidet sich nicht von der Vorlage, und nirgends wird im Parodieren ein Standpunkt erkennbar. Das gilt auch für den besten der Sendung, den Starparodisten Alexander Bisenz, dessen Parodievorlagen so austauschbar sind, daß ihm der gelähmte Ringel genauso lächerlich vorkommt wie der alte Kreisky oder der proletarische Polster. Da hat Kabarett nichs mit Aufklärung, mit Querdenken zu tun, da werden billige Klischees reproduziert.

Natürlich, die Sendung hat Tempo, und die jungen Leute können einiges: Sprechen und Singen, Tanzen und Springen und mit vielen Worten nichts sagen. In dieser Umgebung wirkt am sympathischsten ein Geräuschimitator, weil er nicht vorgibt, irgend etwas aussagen zu wollen.

Doch halt, es findet sich auch Aktuelles im „Comedy Express“. Mini Bidlinsky, der Hektiker-Profi, macht sich lustig über die Karlsplatz-Kinder und über Rumäninnen, die betteln gehen. Es darf gelacht werden! Kabarett gegen Minderheiten? Vielleicht sucht der ausgewogene ORF den Beweis zu erbringen, daß es doch möglich ist, das rechte Kabarett? Oder ist das einfach der Humor der Jahrtausendwende, wenn die 2/3-Gesellschaft herzhaft lacht über jene, die es nicht geschafft haben? 2 Aspekte fallem am „Comedy Express“ besonders auf:

  1. Das Fehlen aller kritischen Kleinkunsttalente der letzten Jahre, von Maurer bis Kratzl. Daß sie der Insider Hofbauer nicht kennt, ist nicht anzunehmen. Sie paßten wahrscheinlich nicht ins Programmschema, weil es die „jungen Österreicher nicht wollen“.
  2. Das Fehlen aktueller, sperriger Themen. Die Jungkabarettisten lieferten Fernsehgerechtes. Bei ihnen ist keine Schere im Kopf nötig, weil keine aufmüpfigen Gedanken drin sind. Das spart allen Beteiligten Ärger, und die Unterhalter ’90 lassen nur ein Interesse erkennen: SICH darzustellen.

Was ist dümmer als die ORF-Unterhaltungssendungen? Die ORF-Nachwuchsunterhaltungssendungen. Was ist dümmer als diese? Die ZuschauerInnen, wie sie in den Leserbriefen eines Jungkabarettisten dargestellt werden. Da kann eine Frau seit Jahren nicht aufs 2. Programm umschalten, weil sie ihren Fernseher mit dem Bildschirm zur Wand aufgestellt hat! Die GebührenzahlerInnen bekommen, was sie verdienen. Dämliches für Dämliche, ein Programm für Programmierte. Mehr Schlicht ins Schunkel.

So könnte man diese Sendung als bedeutungslos betrachten. Sie liefert aber einen Einblick in die Zielgruppenstrategien des ORF. So wie hier die Jungkomiker auftreten, wie sie uns zu lachen geben, hätte der ORF seine Jungkonsumenten gern. Die ideologische Funktion des „Comedy Express“ liegt weniger im Gesagten als im Ausgesparten. Wirklichkeit findet nicht statt. Alle Themen, die die Jugendsoziologie etwa im Band „Schöner Vogel Jugend“ auflistet, gibt es nicht im Sendungsschema.

Das Fernsehen versorgt seine Humorabhängigen mit der täglichen Dosis Gedankenlosigkeit. Die FUNSTERS, die unternehmungstüchtigen, konsumierfreudigen, aufstiegswilligen Narzisse der 90er Jahre wollen abschalten, wenn sie den Fernseher einschalten. Ihnen will der ORF Identifikationsmuster anbieten. Sicher, das TV macht nicht die Trends, es verstärkt sie, es surft auf ihnen. Und es erdrückt durch seine Reichweiten das Unangepaßte jenseits der Sendemauern. Die Rebellion der Jugendgegenkulturen hat keinen Platz in einer Unterhaltungssendung. Denken ist keine Vergnügung, wie uns Brecht weismachen will, sondern Anstrengung und gehört in die Wissenschaftsredaktion. Für die Vergnügung „Dialektik“ ist Herr Hofbauer nicht zuständig.

„Comedy Express“ führt uns die gelungene Domestikation der Jugend vor. Es gibt ihn, den mediengerechten, zukunftsorientierten, pflegeleichten Jungstaatsbürger, der genau an den Stellen lacht, die die Schreiber für Gags halten. Aber vielleicht ist alles ganz anders. Vielleicht haben sich diese geschniegelten FUNSTERS einen bösen Scherz erlaubt. Sich mit einem sarkastischen Ghostwriter (Josef Hader etwa) daran gemacht, den Schwachsinn schonungslos zu persiflieren und eine perfekte Mediensatire inszeniert wie bei der Verleihung des „Salzburger Stieres“. Ach, wär’ das schön, wenn all diese Schickimikki-Lacher im Studio in Wirklichkeit verkleidete Nachwuchskabarettisten wären, die dem ORF ein Kukucksei legten. Aber, Freund, ich fürchte, so ist dem nicht. Das Lächerliche nimmt sich in Österreich viel zu ernst, und vom ORF darf man nicht mehr erwarten, als man in den letzten Jahren in ihm gesehen hat.

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Erstveröffentlichung im FORVM:
Oktober
1990
, Seite 64
Autor/inn/en:

Franz Hütterer:

Studierte Germanistik und Anglistik in Wien, war Lehrer, Lyriker, Kolumnist, Hörspiel- und Kabarettautor. Er organisierte Literaturreihen, trat mit Josef Hader auf, arbeitete mit Lena Rothstein und den „Schmetterlingen“ zusammen, textete für das Kabarett-Duo Steinböck & Rudle sowie für die „Gebrüder Grimmig“ (mit denen er auch spielte). Hütterer war Gründungsmitglied des „Kabarett Fiasko“ sowie engagiertes Mitglied des „Ersten Wiener Lesetheaters und zweiten Stegreiftheaters“. Hütterer war u.a. Mitglied der IG Autorinnen Autoren, der Grazer Autorenversammlung und des Literaturkreises Podium.

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