Verspricht die Einleitung auf der Höhe des derzeitigen Wissenstandes über Aktivitäten und Strukturen der Geheimdienste, der österreichischen Zustände und des offiziellen und inoffiziellen politischen Verlaufes des kalten Krieges zu sein, so bleibt davon in der Folge wenig übrig. Bereits die Inhaltsangabe zeigt, daß es sich hier nur um eine halbe Drehscheibe handelt.
Der Autor führt in vielen furchterregenden Beispielen die Machenschaften des KGB und der Geheimdienste der sonstigen ehemals kommunistischen Länder Osteuropas an. Österreich erscheint praktisch als ein den Sowjets und ihren Verbündeten hilflos und willenlos ausgeliefertes Land, das ohnmächtig zusehen muß, wie die kommunistischen Geheimdienste und deren heutige Nachfolger hier Räuber und Gendarm mit den westlichen Geheimdiensten spielen. Über die westlichen Geheimdienste erfährt man nur, wenn sie Opfer der hinterhältigen Intrigen derer aus dem Osten werden. Ab und zu taucht auch der BND auf, und da räumt der Autor dann doch ein, daß dieser ehemals westdeutsche Geheimdienst Österreich „schon aus Tradition“ so betrachtete, „als wäre es ein weiteres Bundesland“. Ich nehme an, er tut es weiterhin. Aber auch den anderen westlichen Geheimdiensten war Österreich gern gefällig. Zitat: „... der österreichische Staat, schon damals strikt und ‚immerwährend neutral‘, opferte oft und gerne seine Souveränität den Wünschen der westlichen Staatsvertrags-Signatarstaaten.“ Na geh! Aber das war es dann schon, kaum Beispiele von Aktionen westlicher Geheimdienste, nur allgemeine Feststellungen, dafür ein Meer an solchen der östlichen, in dem man schön langsam ertrinkt.
Denn es fehlen die Analyse und die historische Einbettung der Ziele und Aktionen der Geheimdienste, es werden keine Strukturen und Kontinuitäten vermittelt, keine Zusammenhänge von geheimdienstlichen Aktivitäten und politischen Veränderungen aufgezeigt. Agentinnen tauchen auf und verschwinden wieder, was einen spannenden Roman ergeben könnte, hier aber durch das Immergleiche langweilt. Eine konzise Darstellung der österreichischen Politik gegenüber dem Geheimdienstkrieg auf neutralem Boden wäre interessanter gewesen.
Der geheime Krieg der Agenten: Spionagedrehscheibe Wien. Kid Möchel, Rasch und Rohring, Hamburg 1997, 470 S., öS 321,—