Man ahnt schon nach dem vorangestellten Zitat aus dem Jahre 1861 die Intention des Autors: Österreich, die immerwährende Krisis.
Schon am Anfang kritisiert der Autor, daß die PolitikerInnen sich zu sehr an den WählerInnen orientieren, und klagt die mangelnde Effizienz und Qualität der Wirtschaftspolitik ein. Was er sich wünscht, ist ein mehr an Expertokratie, die den PolitikerInnen dank wirtschaftswissenschaftlicher Ausbildung zeigt, wo es langgeht. Daß erstens PolitikerInnen in einer Demokratie gewählt werden, erscheint dem Autor demnach als Behinderung eines effizienzorientierten Staates.
Daß zweitens laufend berühmte Wirtschaftstheorien an Hand der politökonomischen Realitäten widerlegt werden, ficht den Autor in seiner Selbstgewißheit auch nicht weiter an, sondern bestätigt ihm nur die eminente Bedeutung jener Kaffeesudleserei, die bereits den Raum und den Namen einer ganzen Universität in Wien benötigt. Aber nun mal ernsthaft: Ohne eine halbwegs vernünftige und vor allem voranzustellende Analyse der liberalisierten und globalisierten Finanzwirtschaft wird die Begründung und Beurteilung von Sparpaketen mangelhaft bleiben. Einerseits weist der Autor auf diese außerhalb der staatlichen Kompetenz liegenden Faktoren hin, die die Belastungspakete erzwingen, andererseits weist er den einzelnen Staaten die Aufgabe zu, die anstehenden Probleme im Alleingang zu lösen. Das kann nur zu einem Standort- und Steuerwettbewerb unter den Staaten um industrielle Ansiedelungen führen, wie er gegenwärtig in der EU voll im Gange ist. Die „Problemlösungskompetenz“ einer kybernetischen Vorstellung der Volkswirtschaft, einem vernetzten Denken zu überantworten, ist als Worthülse nett, will aber hier bedeuten, mehr Markt, weniger Staat. „Ganzheitliche“ Managementmethoden sind aber nur in einer hierarchisch strukturierten Betriebswirtschaft durchsetzbar, ein demokratisch verfaßter Staat aber ist, wenn schon ein Unternehmen, dann ein Gesellschaftsunternehmen und trägt ebenso Verantwortung für seine StaatsbürgerInnen wie diese für ihn, ansonsten verdient er nicht diese Bezeichnung. Österreich soll nicht Singapur werden!
Die Intention des Autors, eine klare und einfache Darstellung volkswirtschaftlicher Zusammenhänge und Fehlentwicklungen zu geben, ist aber als gelungen zu bezeichnen. Daher lesenswert.
Alfred Kyrer: Das Titanic-Syndrom — Teil 1. Über das Schnüren von „Sparpaketen“ in Österreich, in Deutschland und in der Schweiz oder: Wasch’ mir den Pelz, aber mach’ mich nicht naß! Verlag Österreich, Edition Juristische Literatur, Wien 1995, 274 S., öS 498,—