Sehr sensibel und detailreich werden die Lebensläufe und die Behandlung verfolgter jüdischer Familien durch den NS-Staat, die WienerInnen und die Schweizer Banken geschildert. Richtigerweise wird dabei auch das Zustandekommen eines schärferen Bankgeheimnisses in der Schweiz auf Grund eines gewaltigen Steuerhinterziehungsskandals in Frankreich 1932 erzählt, um etwaigen Mythisierungen von Seiten der Schweiz entgegenzutreten. Dazu kommt eine Darstellung über die Entwicklung der alliierten Politik gegenüber den Profiteuren des Goldraubes durch den NS-Staat nach dem Zweiten Weltkrieg und deren Einbettung in die Entwicklung des kalten Krieges.
Vincent nimmt im Buch meist eine empathische Position gegenüber denen ein, die sie interviewt. Das ist sympathisch, fördert aber nicht das Verständnis der historischen Entwicklung und der aktuellen Lage. Der Grundtenor ist etwas gegen den Jüdischen Weltkongreß (JWC) gerichtet, insofern als Opfer des Holocaust zu Wort kommen, die sich nicht durch diese Organisation vertreten fühlen, und Schweizer Beamte und Anwälte befragt werden, die den Angriff des JWC auf die Banken und dessen Darstellung der Schweiz als überzogen kritisieren. Das Eingehen auf Interviewpartner hat dort seine Grenzen, wo die Rekonstruktion der derzeitigen Banken- und Staatspolitik der Schweiz gefragt ist.
All das kommt in einer ungegliederten Erzählform daher, in der absatzweise von einer Geschichte zur anderen gesprungen wird.
Trotzdem: Durch das Eingehen vor allem auf Wiener Familien wird die Schadenfreude, die hierzulande gegenüber der Schweiz Platz gegriffen hat, diskreditiert. Daher: WienerInnen auf jeden Fall zu empfehlen!
Isabel Vincent: Das Gold der verfolgten Juden. Wie es in den Schweizer Tresoren verschwand und zur Beute der Banken und Alliierten wurde. Diana Verlag, München-Zürich 1997, 334 S., öS 291,—