Anlässlich des Irak-Krieges ist ein altbekanntes Phänomen zu beobachten: In der öffentlichen Agitation ist immer von „der“ Friedensbewegung die Rede, die einig und entschlossen gegen die amerikanisch dominierte Kriegspartei in Stellung gebracht wird. Sobald jedoch Kritik an bestimmten Inhalten „der“ Friedensbewegung formuliert wird, ist es mit der Einheit und Geschlossenheit vorbei, wird die Heterogenität der verschiedenen Grüppchen und Personen in den Vordergrund gestellt, um sich mit dieser Finte gegenüber jeglicher Kritik zu immunisieren.
So zutreffend es ist, dass innerhalb der Friedensbewegung durchaus unterschiedliche Positionen vertreten werden, so richtig ist es, dass zumindest in einem Punkt tatsächlich Geschlossenheit herrscht. Von den völkischen Beobachtern der „Antiimperialistischen Koordination“ über friedensbewegte Christen und amerikafeindliche Grüne bis hin zu freiheitlichen Europaparlamentariern ist man sich darüber einig, dass im Irak ein „Krieg um Öl“ geführt wurde. Wie schon im Golfkrieg 1991 war „Kein Blut für Öl“ auch diesmal der einheitsstiftende Slogan, unter dem sich das chronisch gute Gewissen in all seinen Ausprägungen protestierend durch die Straßen wälzte. Vor 12 Jahren war „No blood for oil“ vom „anderen Amerika“ ausgegeben worden: Die Vereinigten Staaten, so die Argumentation jenseits des großen Teiches, sollten das Leben ihrer Soldaten nicht für die Durchsetzung vermeintlicher Öl-Interessen aufs Spiel setzen. Schnell wurde die griffige Parole andernorts aufgenommen. Der Historiker Dan Diner bemerkt dazu in seinem Essay über das „Feindbild Amerika“: „Notwendig trat ein, was transkultureller Übertragung von politischer Metaphorik gemeinhin auf dem Fuß folgt: Im veränderten Kontext erfahren die Bilder einen Bedeutungswandel.“ In Deutschland und Österreich, so fügt er hinzu, steht die Losung in einem „dubiosen und wenig durchschaubaren Kontext“ [1]. Im folgenden soll es darum gehen, diesen Kontext zumindest andeutungsweise zu erhellen.
Der 1904 in Wien geborene Anton Zischka war einer der erfolgreichsten Publizisten des Dritten Reiches. Seine unzähligen populärwissenschaftlichen Schriften wurden zu wahren Verkaufsschlagern. [2] Im Jahre 1939, kurz nach Beginn des Zweiten Weltkrieges, erschien sein Buch „Ölkrieg“. [3] Zischka wollte darin die Geschichte der Förderung und Verarbeitung jenes Rohstoffes aufarbeiten, der wie kein anderer in den vergangenen Jahrzehnten die Weltpolitik beherrscht habe. Als Leitmotiv diente ihm hierbei das dem französischen Politiker Clemenceau entliehene Motto: „Ein Tropfen Öl ist uns einen Tropfen Blut wert.“(22) Die seinen Volksgenossen damals wie heute überaus einleuchtende These Zischkas lautete, dass die westlichen „Pluto-Demokratien“ (236), allen voran England, in ihrer Gier nach Öl die Welt in den Abgrund stürzten.
Die Ähnlichkeit dieser These mit den heutzutage von der Friedensbewegung vorgetragenen Argumenten ist frappierend. Nun könnte man das ja für eine bloß zufällige Nähe halten und jeden Zusammenhang mit dem Hinweis leugnen, dass kaum jemand Zischka oder dessen Buch kenne. Ein Blick auf dessen Argumentationen sollte allerdings stutzig machen. So plädierte er für Gesellschaften, in denen „Staatsinteresse vor Einzelinteresse“ (73) gestellt werde, sah er den Grund für die Niederlagen einiger Konzerne „im Erwachen dieser Völker, im Sieg des nationalen Selbstbewusstseins“ (95), sah er im Iran „ein sehr gutes Beispiel dafür, wie Öl aus einer der Ursachen der Unterdrückung, einem Mittel der Ausbeutung, zum wichtigsten Werkzeug der nationalen Erneuerung werden kann“ (209), agitierte er gegen Rockefeiler als einen, der „groß geworden (ist) im Zeitalter der Händler“, mit „fremden Ideen ... und mit der Arbeit anderer, ... nie schaffend, immer nur verteilend“ (38), sah er im Öl des arabischen Raumes ein Mittel „der nationalen Auferstehung“ (209) der von ihm geschätzten islamischen Staaten und warf er dem Westen vor, er hetze „Unzählige in den Tod“ und tarne dies bloß als „Krieg für Freiheit und Recht“ (6).
Vermutlich ist die Person Zischka tatsächlich beinahe in Vergessenheit geraten, seine Ausführungen sind es mit Sicherheit nicht: Der Nazipublizist hätte — wie sein legitimer Nachfolger Peter Scholl-Latour —, ohne größere inhaltliche Konzessionen machen zu müssen, zum geschätzten Experten der Antikriegsbewegung werden können und dabei nicht einmal seine Begeisterung für das ach so friedliebende Deutschland verschweigen müssen.
[1] Diner, Dan: Feindbild Amerika. Über die Beständigkeit eines Ressentiments, München 2002, S.155
[2] Vgl: Graeb-Könneker, Sebastian: Autochthone Modernität. Eine Untersuchung der vom Nationalsozialismus geförderten Literatur, Opladen 1996, S.169ff.
[3] Vgl.: Zischka, Anton: Ölkrieg. Wandlung der Weltmacht Öl, Leipzig 1939. Alle im Folgenden in Klammern angeführten Seitenzahlen beziehen sich auf dieses Buch.