Wurzelwerk » Jahrgang 1982 » Wurzelwerk 14 » Wurzelwerk Extra
Erich Kitzmüller • Wolf Steinhuber

Arbeit

Wenn etwas es wert ist, getan zu werden, sollte es so getan werden, daß es Spaß macht, sonst kann es nicht wirklich die Arbeit wert sein.

(Ökotopia, S. 92)

Wer arbeitet, sieht immer deutlicher, daß er Mittäter an einem großangelegten Zerstörungswerk ist: So, wie die Arbeit derzeit organsiert ist, summieren sich ihre Ergebnisse zusehends mehr zur ökologischen Katastrophe; und diejenigen, die arbeiten, erfahren ihre Arbeit als unbefriedigend, sinnlos und krankmachend.

Warum kann „Arbeit“ nicht gleichbedeutend sein mit dem Aufbau und der Erhaltung einer friedlichen, ökologisch intakten Welt? Warum kann Arbeit nicht so gestaltet sein, daß sie als sinnvoll und wenigstens teilweise auch als befriedigend empfunden wird?

Arbeit kann mehr oder weniger eigengesteuert sein, d.h. daß ihr Ablauf und ihr Ergebnis im direkten Austausch und nach eigenem Willen gestaltet werden. Heute überwiegt allerdings die FREMDarbeit, d.h. die Arbeit ist nicht nur aufgeteilt, sondern einer starren Hierarchie unterworfen, die den Entscheidungsspielraum der einzelnen, isoliert Arbeitenden einengt und ihnen die Kontrolle über den technischen Fortschritt und die Verwendung der Produkte raubt. Kein Wunder, daß sich die Arbeitsprodukte gegen die Arbeitenden richten. Dieser Zustand ist in den Unternehmens- und Betriebsverfassungen festgeschrieben und politisch von Parteien und Interessensvertretungen gegen Veränderungen abgesichert.

Die Schäden und künstlichen Mängel, die auf diese Weise „erarbeitet“ werden, sind zusätzliche Anlässe für eine weitere Ausdehnung der Fremdarbeit; denn zur Wiedergutmachung dieser Schäden müssen zusätzliche Produktionen organisiert werden, sei es über den Markt oder sei es über den Staat. Wenn beispielsweise das Trinkwasser verschmutzt wird, muß mit großem Aufwand aus weit entfernten Gebieten sauberes Wasser herangebracht werden oder es müssen teure Anlagen zur Reinigung installiert werden. Auf diese Weise muß wie unter „Sach“-Zwang immer mehr und immer weniger eigenbestimmt gearbeitet werden.

Die Alternative dazu ist eine DUALE WIRTSCHAFT. Damit meinen wir eine Wirtschaftsweise, in der die Entwicklung in den beiden großen Bereichen gerade umgekehrt verläuft wie jetzt:

Der Bereich der eigenbestimmten Arbeit („Eigenarbeit“, „autonomer“ Sektor) wird ausgebaut, d.h. daß immer mehr Bedürfnisse und Wünsche nicht mehr über staatliche oder sonstwie ferngesteuerte Großunternehmen befriedigt werden. Speziell die wichtigsten Lebensmittel, also die Nahrung und die Zuwendung können am leichtesten in kleinen Gruppen, in Eigenarbeit oder Nächstenhilfe sichergestellt werden. Und nur im autonomen Sektor kann gelernt werden, Wirtschaft nicht nach Profit oder technischem Optimum, sondern an menschlichen Zielen und ökologischen Grenzen zu orientieren.

Der verbleibende Bereich der Fremdarbeit („formeller“ Sektor) wird dadurch besser kontrollierbar, daß immer mehr Menschen aus den Erfahrungen im autonomen Sektor heraus fähig werden, ihre Interessen und Ansprüche auch im formellen Sektor zur Geltung zu bringen. In vielen Betrieben, aber nicht in allen (z.B. bei der Bundesbahn) kann Selbstverwaltung verwirklicht werden. Der Vorrang der Arbeit und die Selbstverwaltung sind nur solang utopisch, als Menschen nicht die Erfahrung machen, daß sie z.B. in Widerstands- oder Initiativgruppen miteinander in einer produktiven Weise umgehen und erfolgreich sein können.

In einer dualen Wirtschaft bedeutet Arbeitslosigkeit nicht mehr Existenzunsicherheit und die Gefahr des sozialen Unfriedens, sondern die Chance, die Verteilung der Arbeit zu ändern:

  • Möglichst viele Tätigkeiten auf eigenbestimmte Weise gestalten; und was den Zugang zu guter und schlechter Arbeit betrifft — die Verteilung der Arbeit gerechter zu machen;
  • dementsprechend die Fremdarbeit zu verringern.

Auf dem Weg zur Dualwirtschaft wird Arbeitslosigkeit nicht mehr bekämpft durch immer ausgedehntere Produktion im formellen Sektor (Staat und Markt). Denn dieses „Wirtschaftswachstum“ ruiniert nicht nur unsere Lebensgrundlagen, sondern funktioniert sehr oft auch als ArbeitsplatzVERNICHTUNGSmaschine: Neue Arbeitsplätze durch Produktion von arbeitsplatzersetzenden Industrierobotern.

Der alternative Weg besteht darin, jenen Menschen, deren Arbeitsplätze entbehrlich sind, Einkommen und Übergangsmöglichkeiten zu sichern. Diese unmittelbare Solidarität kann den Weg zur dualen Ökonomie freimachen. Je produktiver unsere Arbeit im autonomen Sektor wird, desto geringer wird die Abhängigkeit vom Staat und von fremdbestimmten Märkten. Wenn die im formellen Sektor angerichteten Schäden geringer werden, brauchen wir weniger Steuermittel, aber auch weniger von jenem Teil des Lohnes, der nur zur Reparatur der angerichteten Schäden aufgewandt werden muß („Irreal“-Lohn). Und nur unter diesen Voraussetzungen ist eine Arbeitszeitverkürzung ohne vollen Lohnausgleich vertretbar.

Erich Kitzmüller und Wolf Steinhuber
AL Graz

FORVM des FORVMs

Vorgeschaltete Moderation

Dieses Forum ist moderiert. Ihr Beitrag erscheint erst nach Freischaltung durch einen Administrator der Website.

Wer sind Sie?
Ihr Beitrag

Um einen Absatz einzufügen, lassen Sie einfach eine Zeile frei.

Hyperlink

(Wenn sich Ihr Beitrag auf einen Artikel im Internet oder auf eine Seite mit Zusatzinformationen bezieht, geben Sie hier bitte den Titel der Seite und ihre Adresse bzw. URL an.)

Werbung

Erstveröffentlichung im FORVM:
September
1982
, Seite 19
Autor/inn/en:

Erich Kitzmüller:

Wolf Steinhuber: AL Graz

Lizenz dieses Beitrags:
CC by
Diese Seite weiterempfehlen

Themen dieses Beitrags