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Disposable Times

„Wealth is disposable time and nothing more” – auf diesen Satz bezieht sich Karl Marx 1867. Eine unübliche Vorstellung von Reichtum, die aber das geläufige Verständnis bewusst irritieren sollte. Nicht Geld mache den Reichtum aus, nicht die Produktion von Waren, nicht der ewige Kreislauf der Kapitalvermehrung, sondern die den Menschen zur Verfügung stehende („disposable“) Zeit.

Viele Menschen würden diesem Verständnis zustimmen. Und doch widmen sie einen Großteil ihrer Zeit dem Gelderwerb und der Kapitalakkumulation. Die technischen Entwicklungen schreiten voran, die Warenberge wachsen. Und doch nutzen die Menschen die außerordentliche Produktivität nicht dazu, sich freie Zeit zu verschaffen. Marx spricht von „Zeit, die nicht durch unmittelbar produktive Arbeit absorbiert wird, sondern zum enjoyment, zur Muße, so daß sie zur freien Tätigkeit und Entwicklung Raum gibt.“

Wenn im Englischen etwas als „disposable“ bezeichnet wird, heißt das oft, man kann es wegwerfen. Eine Konnotation, die in diesem Sinne durchaus auf die Zeiten zutrifft, in denen wir leben. Wir sollten sie entsorgen und an ihrer Stelle Verhältnisse herstellen, in denen alle Menschen gut leben können.

Unsere Artikel möchten die herrschenden Verhältnisse vor diesem Hintergrund analysieren, an tagesaktuelle Entwicklungen und Debatten anknüpfen und Perspektiven aufzeigen. Die Autor:innen teilen dabei eine Perspektive, die sich an die Wertkritik anlehnt, einer Theorie, die die Kritik an der kapitalistischen Gesellschaft radikal neuformuliert und sich dabei deutlich etwa von traditionell-marxistischen Ansätzen abhebt.

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