Archive & Bibliotheken

Archiv der Sozialen Bewegungen

Selbstverständnis und Geschichte des Archivs der Sozialen Bewegungen

Materialien und Dokumente von sozialen Bewegungen verschwinden mit dem Zerfall von Gruppen und Bewegungen; all die mühsam erarbeiteten Zeitungsausschnittssammlungen, Privatarchive und Broschürenberge landen häufig beim Altpapier oder verschimmeln als private Erinnerung auf dem Dachboden. Der Öffentlichkeit und selbst dem kollektiven Gedächtnis der sozialen Bewegungen bleiben die Quellen verborgen. Auch die staatlichen Archive und Bibliotheken verfügen nur über wenig Material dieser Herkunft. Diesem Verlust entgegenzuwirken war die Motivation zur Gründung des Archivs der Sozialen Bewegungen Hamburg. Als ein unabhängiges Archiv sehen wir es als unsere Aufgabe, die Aktivitäten der sozialen Bewegungen in der BRD (und darüber hinaus) zu dokumentieren und Materialsammlungen möglichst umfassend aufzuarbeiten. Damit sollen aktuelle und zukünftige theoretische Arbeiten und praktische Auseinandersetzungen ermöglicht werden.

Die Geschichte der sozialen Bewegungen zugänglich erhalten

Das Geschichtsbewusstsein vieler Menschen unterliegt aktuellen politischen Trends; uns ist es wichtig, die Vielfalt und Kontinuität von Protest, Widerstand und Alltag der sozialen Bewegungen zu dokumentieren und zugänglich zu machen. Erst so ist die Möglichkeit gegeben, sich mit Hilfe von Quellen ein eigenes Bild der bundesrepublikanischen Zeitgeschichte machen zu können. Dies hat praktische Auswirkungen: Von Erfahrungen kann gelernt werden, alte Diskussionen können verstanden, andere Formen politischer Kämpfe überprüft oder als Anregung gesehen werden. Damit werden die eigenen politischen Formen und Sichtweisen in Frage gestellt und erweitert. Das Archiv der Sozialen Bewegungen Hamburg ist ein Ort der kritischen Reflexion ebenso wie der aktuellen Diskussion.

Der Archivbestand umfasst in der Hauptsache Zeitschriften, Broschüren, Flugblätter überwiegend aus den letzten 30 Jahren. Darüber hinaus existiert ein Plakat-Archiv und eine Postkarten-, Anstecker- und Aufklebersammlung. Dazu kommen noch einige Kuriositäten ....

Der Bestand setzt sich aus einer Reihe von ehemaligen Privatsammlungen und den Archiven einzelner Gruppen zusammen und wird ständig ergänzt und ausgebaut. Wir haben eine Archivsystematik erarbeitet, die sich momentan in 32 Bereiche gliedert, orientiert an den Aktionsfeldern der sozialen Bewegungen z.B. Stadtentwicklung, Repression, Frauen / Lesben, Antirassismus, Internationalismus, Hausbesetzungen usw.

Seit einiger Zeit erfassen wir die Bestände elektronisch in einer Datenbank; die komplette Erfassung wird nicht mehr lange dauern ...

Zeitschriften, Broschüren, Flugblätter, Plakate, Presseausschnitte und vieles mehr

Das Archiv verfügt aktuell über mehr als 3.300 Zeitschriftentitel, mehrere zehntausend Broschüren, unzählige Flugblätter und Presseausschnitte, über 1.500 Plakate, Hunderte von Büchern und Postkarten / Ansteckern / Aufklebern. Wir beziehen über 150 aktuelle Zeitungen und Zeitschriften als Freiabos. Aktuelle Broschüren und Dokumentationen werden uns ebenfalls kostenlos von den HerausgeberInnen oder vom Infoladen Schwarzmarkt und vom Infocafe B5 zur Verfügung gestellt.

Da auch das Foto-Archiv-Kollektiv sein Archiv in unseren Räumen betreibt, ist zusätzlich auch Fotomaterial zu vielen Bereichen erhältlich. Während der Öffnungszeiten kann das Material eingesehen und Bestellungen abgegeben werden.

Das Spektrum der NutzerInnen reicht von Initiativen und Gruppen, die Veranstaltungen vorbereiten oder Dokumentationen erarbeiten, über SchülerInnen und StudentInnen, die Material für Referate und Hausarbeiten suchen, bis zu JournalistInnen, die an Artikeln arbeiten, und Leuten, die sich einfach nur mal so informieren wollen.

Die Geschichte des Archivs

Das Archiv der Sozialen Bewegungen Hamburg wurde 1989 gegründet. In den ersten eigenen Räumlichkeiten in der Thadenstraße 130a entstand zusammen mit dem Medien-Pädagogik-Zentrum und der Hamburger Studienbibliothek ein unabhängiges Zentrum für Information, Dokumentation und Gegenöffentlichkeit. Doch im Sommer 1992 kam die Kündigung zwecks Sanierung — eine gemeinsame Weiterführung des Projekts scheiterte.

Im Sommer 1993 zog das Archiv der Sozialen Bewegungen in die Rote Flora. Die Rote Flora ist ein besetztes politisch-kulturelles Zentrum im Schanzenviertel, das Gruppen und Projekten Möglichkeiten für ihre Arbeit bietet. Das Archiv versteht sich selbst als Teil der sozialen Bewegungen und gehört daher zu den Gruppen, die die Rote Flora tragen.

Am 28. November 1995 brach in der Roten Flora ein Brand aus, bei dem ein Großteil des Archivmaterials zerstört wurde. Obwohl einiges auf eine Brandstiftung schließen ließ, konnte die genaue Brandursache nicht ermittelt werden.

Nach dem Brand mussten wir für drei Jahre Übergangsräume in der Ludwigstraße 13 beziehen. Dank vielfältiger Unterstützung konnte das Archiv weitestgehend wieder aufgebaut werden; heute haben wir mehr Material als vor dem Brand. An dieser Stelle vielen Dank an alle, die uns dabei geholfen haben.

Im Oktober 1998 zogen wir in die Rote Flora zurück. Dabei halfen uns über 200 Leute, die mit dem ‚Paper Move‘ eine Menschenkette von der Ludwigstraße zur Roten Flora bildeten.

Die laufenden Kosten werden durch Spenden von Gruppen und Einzelpersonen getragen. Wir wollen versuchen, dies auch weiterhin zu schaffen , um unsere Unabhängigkeit zu bewahren, aber das „Prinzip Spenden“ gilt auch für unser Material. Das Archiv der Sozialen Bewegungen existiert über einen solch langen Zeitraum, weil wir große Unterstützung bekommen und immer wieder Interessierte uns ihr altes Material überlassen. Daher am Schluss die Aufforderung, uns auch weiterhin mit Altpapier zu versorgen!

Nutzung des Archivs

Archiv-Material wird nicht ausgeliehen. Ein Kopierer und Scanner stehen aber zur Verfügung. Nur in Ausnahmefällen können z.B. einzelne Plakate für Ausstellungen ausgeliehen werden.

Das Archiv hat keine Bibliothek. Zu einzelnen Themen haben wir aber auch die entsprechenden Bücher.

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