Streifzüge » Print-Ausgaben » Jahrgänge 2001 - 2010 » Jahrgang 2003 » Heft 2/2003
Erich Ribolits

Wieso sollte eigentlich gerade Bildung nicht zur Ware werden?

Heute warnt alles, was sich als fortschrittlich dünkt, vor einer Ökonomisierung der Bildung. Spätestens seit die GATS-Verhandlungen über eine Liberalisierung des Handels mit Dienstleistungen und die damit verbundenen Implikationen für das Bildungswesen einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurden, mehren sich die Publikationen und Veranstaltungen in denen davor gewarnt wird, Bildung als ein kauf- und verkaufbares Handelsgut zu betrachten. „Bildung darf nicht zur Ware werden“, wird von all jenen formuliert, die nicht zur Kenntnis nehmen wollen, dass es in der Marktwirtschaft nicht möglich ist, irgendeinen Aspekt der menschlichen Entäußerung auf Dauer frei vom Vermarktungszwang zu halten. Genauso wie es nicht möglich ist, nur ein wenig schwanger zu sein, ist es auch nicht möglich, die Profitökonomie in Grenzen zu halten.

Als Erziehungswissenschafter freut es mich zwar durchaus, dass über die Gefahren, die das GATS und die verstärkte Privatisierung der Bildungssysteme mit sich bringen, eine zunehmende Diskussion über die Problematik der voranschreitenden Ökonomisierung der Bildung in Gang gekommen ist. Allerdings möchte ich klarstellen, dass die Vermarktwirtschaftlichung der Bildung sicher nicht erst in den letzten Jahren und sicher nicht erst mit den Bemühungen der WTO begonnen hat, verstärkt auch den Bildungsbereich der Kapitalverwertung zugänglich zu machen. Bildung ist nicht erst im Neoliberalismus zur Ware geworden, sie ist es tendenziell, seit der Besuch von Schulen und Universitäten nicht mehr nur einer privilegierten Minderheit vorbehalten war, sondern zum Aufstiegsvehikel im Kampf um vorteilhafte gesellschaftliche Positionen geworden war.

Im Grunde genommen wird mit den derzeitigen Entwicklungen auch im Bildungswesen bloß das kenntlich, was den Kapitalismus von allem Anfang an gekennzeichnet hat, die Verwertungslogik des Marktes. So hat der bekannte Nationalökonom Adam Smith schon im Jahre 1776 in seinem Werk „An Inquiry into the Nature and Causes of the Welth of Nations“ geschrieben: „Der Erwerb solcher (qualifizierten) Fähigkeiten macht infolge der Notwendigkeit, die betreffenden Menschen während der Zeit ihrer Ausbildung, ihres Studiums oder ihrer Lehrlingszeit zu unterhalten, stets Geldausgaben erforderlich, die sozusagen in einen Menschen gestecktes stehendes Kapital darstellen. Diese Fähigkeiten bilden nicht nur einen Teil des Vermögens des Betreffenden, sondern auch einen Teil des Vermögens der gesamten Volkswirtschaft, der er angehört. In derselben Weise lässt sich die gesteigerte Geschicklichkeit eines Arbeiters als eine Art Maschine oder Werkzeug betrachten, die die Arbeit erleichtert oder abkürzt, und die, wenn sie auch Ausgaben verursacht, diese doch mit Gewinn zurückzahlt.“

Solche explizit bildungsökonomischen Überlegungen blieben viele Jahre der Ebene akademischer Diskussionen verhaftet. Spätestens jedoch Ende der 50er und Anfang der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts konnte sich die Vorstellung von der Bildung als ökonomisch zu kalkulierende Größe nachhaltig etablieren. Der Grund für die damalige Entwicklung einer wissenschaftlichen „Bildungsökonomie“ lässt sich in den sozioökonomischen Gegebenheiten dieser Zeit identifizieren. Der unserem Wirtschaftssystem innewohnende Zwang zur Kapitalakkumulation ließ sich zunehmend nicht mehr nur extensiv, d.h. durch eine Ausweitung der Märkte und des Produktionspotentials erreichen. Immer mehr wurden und werden auch weiterhin intensive Faktoren, wie z.B. die entsprechende Qualifizierung der Arbeitskräfte, wichtig.

Der Widerspruch von Bildung und Ausbildung, den der Bildungsbegriff seit seiner Entstehung in sich trug, begann sich durch diesen ökonomisch bedingten Druck in einer einseitigen Form aufzulösen: Brauchbar machende und verwertbare Qualifikation trat im allgemeinen Bewusstsein an die Stelle umfassender Bildung. Dementsprechend gilt es heute als kaum bestreitbare Binsenweisheit, dass es die primäre Aufgabe des Bildungswesens sei, ein auf den Qualifikationsbedarf der Wirtschaft möglichst abgestimmtes „Humankapital“ in entsprechender Mengenverteilung zu liefern. Und auch von den Betroffenen wird der Besuch von Bildungseinrichtungen heute nahezu ausschließlich unter dem Aspekt gesehen, wieweit sich die damit verbundene Investition an Zeit und Geld für sie später in quantifizierbarer Form lohnt.

Ein solches Denken offenbart sich nicht nur wenn der höchste Beamte des so genannten Bildungsministeriums bei einer Veranstaltung erklärt, dass „Bildung nichts anderes als ein Handelsgut“ wäre. Es spiegelt sich auch im systemlogischen Wunsch jedes Studierenden wider, in seinem Studium jenes Wissen und jene Fähigkeiten vermittelt zu bekommen, mit denen er später am Arbeitsmarkt optimal reüssieren kann. Die Vermarktwirtschaftlichung der Bildung beginnt mit der Vorstellung von der gerechtfertigten Besserstellung der so genannten Tüchtigen und endet dort, wo Bildungseinrichtungen wie Kaufhäuser organisiert sind, in denen Lehrende ihre Waren anbieten. Und wenn seit einigen Jahren alle ganz versessen auf Evaluationen von Lehrveranstaltungen und Rankings von Schulen und Universitäten sind, ist das ebenfalls nur Beleg dafür, dass die Vorstellung, Bildung ließe sich wie jede andere Ware nach Kriterien des Marktes messen, schon tief in den Köpfen des Homo ökonomicus verankert ist.

Was das Neue an der Situation ist, die durch die Ablösung staatlich überformter durch unmittelbarere marktwirtschaftliche Steuerungsmechanismen entsteht, ist die Tatsache, dass sich der über Bildung legitimierte Konkurrenzkampf um attraktive gesellschaftliche Positionen neuerdings nicht mehr so einfach als „gerecht“ schönreden lässt. Der bisherige, vordergründig kostenfreie Zugang zu Bildungseinrichtungen hatte suggeriert, dass die Legitimierung gesellschaftlicher Ungleichheit mittels Bildungstiteln tatsächlich gerecht sei; es also billig sei, wenn jene, die sich den Verwertungsbedingungen der Profitökonomie optimal anzupassen gelernt haben, später auch die Belohnung in Form von hohen Einkünften lukrieren können. Sobald aber von einem „Aufstieg durch Bildung“ gesprochen und nicht gleichzeitig thematisiert wird, dass ein „Gewinnen“ im Konkurrenzsystem immer nur um den Preis möglich ist, dass es Verlierer und an den Rand Gedrängte gibt, gerät Bildung in den Sog ökonomischer Rationalität und mutiert zur systemstabilisierenden Größe. Wenn Bildung mehr bedeuten soll als Zurichtung und Anpassung an die durch das politischökonomische System vorgegebenen Bedingungen, muss sie auch als mehr gedacht werden als ein Vehikel des Aufstiegs. Steht die ökonomische Rationalität Pate für Bildungsargumentationen, mündet das unweigerlich in der „Qualifikationsfalle“. Der Mensch wird funktionalisiert und zum Produktionsfaktor eines wirtschaftlichen Geschehens reduziert, dessen Prämissen seiner Einflussnahme genau dadurch entzogen sind. In Form ihres Zerrbildes Qualifikation wird Bildung selbst zentrale Legitimationsgröße gesellschaftlicher Ungleichheit und Basis individueller Aufstiegshoffnungen im Rahmen von Konkurrenzsystem und bürgerlicher Leistungsideologie.

Karl Marx schreibt über den entwickelten Kapitalismus, dass er alle aus vorbürgerlicher Zeit stammenden, „feudalen, patriarchalischen, idyllischen Verhältnisse zerstört (...) und kein anderes Band zwischen Mensch und Mensch (übrig lässt) als die gefühllose ‚bare Zahlung‘“. Auf das Bildungswesen umgelegt bedeutet das, dass auch die Qualität dessen, was weiterhin nobel als Bildung bezeichnet wird, immer stärker über den Marktwert definiert wird. Bildung — in der ursprünglichen Begriffsbedeutung an der Entwicklung des humanen Potentials des Menschen orientiert, an dem, was den Menschen über andere Kreaturen hinaushebt, seiner grundsätzlichen Fähigkeit, das Leben an Prinzipien auszurichten, die der „Rationalität des Nutzens“ übergeordnet sind — wird in den Dienst der Mehrwertproduktionsmaschine genommen.

Der Bildungsbegriff war ursprünglich das Synonym für die Idee, dass der Mensch sich nicht bloß in quantitativer Form, sondern qualitativ von anderen Lebewesen unterscheidet. Er ist jenes Wesen, das die Natur nur in geringem Maß in die engen Bahnen streng vorgegebener Entwicklung und Verhaltensweisen zwingt; der Mensch ist grundsätzlich frei, er ist in der Lage, über seine Existenzweise autonom und mündig zu entscheiden. Über seine Triebe und Instinkte ist er zwar der Notdurft des Daseins unterworfen, er ist aber zugleich in der Lage, sich kraft Vernunft über diese Bindungen zu erheben. Dazu braucht er einerseits Wissen über die ihn umgebende Welt und andererseits Vorstellungen darüber, wie Wissen verantwortungsvoll einzusetzen ist.

Der Mensch ist in der Lage, sich und sein Verhalten zum Inhalt seines Denkens zu machen und sein Verhalten an Kriterien zu messen, deren Wert er durch vernünftige Reflexion erkannt hat. Sein Gehirn ist also nicht bloß ein gewaltiger Informationsspeicher — quasi ein biochemischer Supercomputer —, wo Informationen im Sinne irgendwelcher, ihm quasi „von außerhalb“ auferlegten Regeln verknüpft werden; der Mensch entscheidet selbst, ob und in welcher Form er sein Wissen verwerten will. Der Mensch ist also nicht bloß zu einem instrumentellen Gebrauch seiner Vernunft fähig, er kann sein Wissen selbstreflexiv anwenden; das heißt, er kann — und muss in letzter Konsequenz auch — für sein Tun und Lassen Verantwortung übernehmen.

Aber auch die Kriterien des verantwortungsvollen Lebens sind dem Menschen nicht vorgegeben, sie können nur im gesellschaftlichen Diskurs entwickelt werden.
Nur gebildete Menschen, die bereit sind, Wissen selbstreflexiv und nicht bloß zum eigenen materiellen Vorteil einzusetzen, können zu einem derartigen Diskurs etwas beitragen. Bildung ist das Heraustreten des Menschen aus der Sphäre des bloßen Nutzens. Über Bildung gewinnt sich der Mensch selbst als freies Wesen und er erkennt — wie es der deutsche Erziehungswissenschafter Heinz-Joachim Heydorn einmal formuliert hat —, dass die Ketten, die ihm ins Fleisch schneiden, vom Menschen angelegt sind, und dass es somit auch möglich ist, sie zu sprengen.

Je mehr Bildung jedoch zum Kriterium der Positionsverteilung im Konkurrenzsystem wird, desto mehr wird sie auf den Charakter von Zurichtung pervertiert. Die Vision vom mündigen Individuum, also die Vorstellung, dass Bildung dazu dient, Menschen in die Lage zu versetzen, die Welt besser verstehen und gestalten zu können, rückt weitgehend in den Hintergrund. Der Mensch, der sich in der Neuzeit von der Vorstellung emanzipiert hatte, dass sein Leben durch höhere Mächte bestimmt sei, wird auch in Bezug auf seine Fähigkeiten der vernünftigen Reflexion zu einem Anhängsel des heutzutage faktisch allgemein anerkannten Gottes Markt degradiert. Wie wir wissen, gewährt der Markt seine Gunst nicht jenen, die ihr menschliches Potenzial zu möglichst hoher Vollendung gebracht haben, sondern jenen, die sich möglichst gut den von den Einkäufern diktierten Bedingungen unterwerfen. Was im Zusammenhang mit Lernen deshalb nur noch zählt, ist der Tauschwert — die Frage also, wieweit Menschen durch Lernprozesse marktgängiger werden.

Damit verkehrt sich das, was Bildung ursprünglich meinte, allerdings in sein völliges Gegenteil. Was hinter der weiterhin benützten Begriffsfassade zur Geltung kommt, ist die Reduzierung des Menschen auf den Status eines „intelligenten Tieres“. Zunehmend geht es bloß noch um Qualifizierung — das Brauchbarmachen des Menschen für die Erfordernisse seiner profitablen Verwertung. Der heute permanent vorgebrachte Hinweis auf die Wichtigkeit des „Bildungsfaktors“ für das wirtschaftliche Geschehen einschließlich dem schönen Slogan vom lebenslangen Lernen legt nur offen, worum es tatsächlich geht: nicht um die „Bildung von Menschen“, sondern einzig um die „Bildung von Kapital“ durch die Zurichtung der Individuen hin auf den Bedarf der Käufer der Ware Arbeitskraft.

Bildung und Qualifizierung stehen zueinander gewissermaßen im selben Verhältnis wie Liebe und Sexualität. Sex, Zärtlichkeit und Freundlichkeit sind nicht gleichzusetzen mit Liebe, sie stellen gewissermaBen bloß deren quantifizierbaren Anteil dar. Auch Qualifizierung kann in diesem Sinn als der quantifizierbare Anteil von Bildung charakterisiert werden. Und genauso wie sich Liebe nicht zur Ware machen lässt, Sex und Schmeichelei hingegen durchaus zum Verkaufsangebot im Rahmen der Profitökonomie werden können, lässt sich auch aus Bildung kein Geschäft machen; Qualifizierung hingegen lässt sich durchaus dem Profitmechanismus der Warengesellschaft unterordnen.

Der Kapitalismus war von allem Anfang an im Dilemma gefangen, die Brauchbarkeit der Menschen für den wirtschaftlichen Verwertungsprozess vorantreiben und zugleich dafür Sorge tragen zu müssen, dass dieser Prozess nicht in befreiende Erkenntnis umschlägt. „Bildung“ soll unter kapitalistischen Bedingungen die Revolution der Produktivkräfte forcieren, die Revolution im Bewusstsein der Menschen aber verhindern. Mit dem „Ende der Nationalstaaten“ — womit ja nicht deren tatsächliches Verschwinden, sondern ihre irreversible Funktionsreduzierung zu bloßen Garanten juristisch-stabiler Räume für Verwertungsbedingungen gemeint ist — bekommt diese Paradoxie allerdings eine neue Dynamik.

Heute sind die Nationalstaaten zunehmend gar nicht mehr in der Lage, durch das demokratische Überformen der Begleitumstände des Bildungserwerbs das bürgerliche Gerechtigkeitsempfinden zu bedienen und beim Windhundrennen um attraktive gesellschaftliche Positionen das zu schaffen, was wir als Chancengleichheit zu bezeichnen gelernt haben. Da sie finanziell immer mehr ausgehungert werden, sind sie gezwungen, ihre demokratische Alibifunktion in anwachsendem Maß aufzugeben. In der offiziellen Lesart wird das dann als ein Rückzug des Staates auf seine Kernkompetenzen bezeichnet.

Gleichzeitig hat das Kapital in seiner permanenten Suche nach Verwertungsmöglichkeiten nun auch den Bildungsbereich als Profitquelle entdeckt. Es ist damit nur noch eine Frage der Zeit, dass der Bildungssektor aufhört, bloß ein gesellschaftlicher Bereich zu sein, wo es um die Zurichtung von Humankapital und die Indienstnahme der Köpfe im Interesse der profitablen Verwertung geht. Der Bildungssektor wird zunehmend selbst zum profitablen Wirtschaftszweig. Hatte er bisher bloß Zulieferfunktion für die Verwertung wird er nun selbst zum Verwertungssektor. Und es ist damit zu rechnen, dass diese Veränderung auch recht problemlos über die Bühne gehen wird; denn — wie schon gesagt — Bildung wird in den Köpfen der Menschen sowieso schon längst nur mehr als Ware und nicht als Instrument ihrer Befreiung wahrgenommen.

Wenn heute noch fallweise davon gesprochen wird, dass Bildung Macht sei, dann wird in der Regel gemeint, dass jene, denen es durch ein erfolgreiches Durchlaufen des Bildungssystems gelungen ist, viel von der Ware Qualifikation zu verinnerlichen, damit die Macht gewinnen, sich mehr als andere im Warenhaus der Marktgesellschaft bedienen zu können. Mächtig sind jene, die hohe Bildungsabschlüsse nachweisen können, nur innerhalb der „Ideologie des Habens“, weil sie mehr von jener „Ware Qualifikation“ besitzen, die sie — allerdings nur solange eine entsprechende Nachfrage am Markt besteht — in Geld und soziales Ansehen eintauschen können. Auch für sie geht es nicht um Bildung, deren Gebrauchswert sich in der Befriedigung der menschlichen Bedürfnisse nach Wachstum und Entwicklung äußert, sondern darum, dass sie — selbst zur Ware reduziert — zum Wachstum der Kapitalrendite beitragen.

Was derzeit passiert, ist nicht die Umdeutung von Bildung zur Ware — die ist längst vollzogen —, heute findet die Vermarktwirtschaftlichung des Bildungswesens statt. Parallel zum Gesundheitswesen und Altersversorgungssystem beginnt die Mehrwertproduktionsmaschine sich nun auch den Bildungsbereich einzuverleiben. War bisher nur der Weiterbildungs- und Erwachsenenbildungsbereich marktförmig organisiert, soll nun die Organisation alles Lernens dem Markt anheim gestellt werden. Immerhin schätzt die UNESCO das Volumen des Bildungsmarktes auf rund zwei Billionen Dollar ein — Tendenz steigend —, und private Anbieter halten davon derzeit gerade einmal einen Anteil von etwa 20 Prozent. Dass das Profitmonster angesichts solcher Geldvolumen Begehrlichkeiten entwickelt, liegt auf der Hand.

Dazu kommt, dass die technologische Entwicklung es zunehmend ermöglicht, auch im Bildungssektor die regionalen Grenzen der Vermarktung zu sprengen. Nachdem unter Bildung sowieso nur mehr das Verinnerlichen von markttauglichem Wissen und Fertigkeiten verstanden wird, lässt sich auch die Bedeutung der personalen Begegnung im Bildungsprozess kaum mehr legitimieren. Konsequenterweise wird ja heute auch von allen Seiten das Lernen mit Hilfe von Informations- und Kommunikationstechnologien als riesiger Fortschritt gepriesen. Technologisch vermittelte Lernangebote sind zugleich aber auch bestens für die internationale Vermarktung geeignet. Und die notwendigen Investitionsmittel, um Lernangebote zu entwickeln, die die Möglichkeiten der Informations- und Kommunikationstechnologien wirklich perfekt ausnützen, bringt ein großer internationaler Konzern allemal noch leichter auf, als irgendeine nationale Bildungsagentur.

Die derzeitigen Entwicklungen in Richtung Vermarktwirtschaftlichung im Bildungsbereich entsprechen der Logik der Markgesellschaft. Wer auf den Markt als Regulativ des menschlichen Zusammenlebens setzt, darf sich nicht wundern, wenn zwischen den Menschen irgendwann auch nur mehr Kauf- und Verkaufsbeziehungen existieren. Der Markt funktioniert nach Kriterien des Nutzens, dementsprechend hat das Humane, die Fähigkeit des Menschen sich über die Dimension des Nutzens zu erheben und seinem Leben Sinn zu verleihen, am Markt keinen Platz. Was sich nicht in eine Profit bringende Ware verwandeln lässt, kennt der Markt nicht; dort gibt es nur das, was sich in barer Münze darstellen lässt.

Die Forderung, dass Bildung nicht ökonomisiert werden darf, macht also nur Sinn im Zusammenhang mit einer Kritik des Marktsystems als Ganzem. Wer allerdings A zum Marktsystem sagt, der muss wohl auch B zu einer weiteren Vermarktwirtschaftlichung des Bildungswesens sagen!

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Erstveröffentlichung im FORVM:
Juni
2003
, Seite 19
Autor/inn/en:

Erich Ribolits:

Geboren 1947. Lebte in Wien. Forschte zum Verhältnis von Arbeit, Bildung und Gesellschaft. Zuletzt: Bildung – Kampfbegriff oder Pathosformel (2011). „Traforat“ der Streifzüge.

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