FŒHN » Heft 7/8
Markus Wilhelm

Übrigens genaugenommen

Anfang Dezember vorigen Jahres war der Autor dieser Zeilen als Teilnehmer zu einer als Podiumsdiskussion zum Thema Fremdenverkehr getarnten Präsentation des Buches „Kosten und Nutzen des Tourismus“ geladen. Er hat die Ehre, einem katastrophalen Buch und der es edierenden Gaismair-Gesellschaft die Ehre erweisen zu dürfen, nach Lektüre des Manuskripts brüsk abgelehnt. Aber der PR-Mann ließ nicht locker („Nun — da du nicht an der Präsentation teilnimmst [es sollte übrigens genaugenommen eine Diskussion werden], möchte ich dich bitten, das Buch z.B. im Falter öffentlich zu rezensieren. Ich komme darauf, weil ich mich an die Kritik von ‚Gedenken / Umdenken‘ erinnere, die ich vollinhaltlich teile.“) und organisierte die Hinrichtung des von ihm angeblich lektorierten Werks.

„So irgendwie ungefähr“

Preglau, Meleghy, Frantz, Tafertshofer: Fremdenverquer. Kosten und Nutzen des Tourismus am Beispiel Obergurgl, Schriftenreihe der Gaismair-Gesellschaft, Band 4, Innsbruck 1985

Ein Buch zum Thema Fremdenverkehr ist erschienen, in dem weder das Wort Kapital noch das Wort Arbeiter vorkommt. Womit alles, auch das Richtige, falsch ist.

Es ist ein sozialdemokratisches Buch, eines von der Art, wie sie massenhaft in den letzten Jahren herausgekommen sind, von der, wie sie ungezählte kleinere und mittlere und auch etwas größere Karrieren begleitet und befördert haben. Hier ergeht sich hinten ein TV-Talkmaster über den Gegenstand der Buchreihe und kompromittiert sich vorne ein Minister in Ruhe. Man hätte ihn in dieser lassen sollen. „Ein Umdenken tut not“, schreibt er, „eine Abkehr vom unkritischen Wachstumsfetischismus. Das ist meine innerste Überzeugung, die stets Richtschnur meines politischen Handelns war“, schreibt er, über die ich beflissen gehaut habe, schreibt er nicht.

Vier Innsbrucker Universitätsassistenten haben aus zehn Einzelarbeiten (1979 - 1983) ein Buch machen lassen. Macher ist ein sich „Michael-Gaismair-Gesellschaft“ nennendes Gelege von nach Tirol zugezogenen Hochschulbeamten. Gaismayr kämpfte für die Befreiung der Bauern aus der Leibeigenschaft, der Akademiker-Club MGG kämpft nicht einmal in Worten für die Aufhebung der Lohnarbeit. Diese sich gut plaziert habenden Herren wollen keine bessere Gesellschaft, ihnen genügt die Michael-Gaismair-Gesellschaft. Gaismayr wollte eine neue Gesellschaftsordnung, den Vereinsmeiern langt ihr Statut.

Was haben wir also mit denen zu schaffen? Nun, sie haben uns ein Buch vor den Latz geknallt, und sie haben mich genötigt, es zu besprechen. So soll denn sein, was sein muß.

Das als Band 4 der „Schriftenreihe der Michael-Gaismair-Gesellschaft“ erschienene Werk, dem es vorgeblich um „Kosten und Nutzen des Tourismus am Beispiel Obergurgl“ zu tun ist, trägt den ach so komischen Titel „Fremdenverquer“. Diese freischwebende Intellektuellenwitzigkeit zieht sich durch, begleitet von infantilen Rechnereien wie „Würde man sämtliche Schilifte Tirols aneinandereihen, so ...“ und „bei einer Addierung aller präparierten Schipisten entstünde ein Pistenteppich, der beinahe ...“

Wo das Buch herkommt, und wo es hinwill, zeigte die Präsentation in einem. Zu einer Kathederdiskussion in einem Unihörsaal waren ein Gletscherschigebiet-Manager, ein SP-Landtagsabgeordneter und der Landesfremdenverkehrsdirektor geholt worden. Aus Obergurgl war niemand eingeladen worden. Was geht auch die Leute an, was wir uns über sie gedacht haben! Vorweg: Es geht sie wirklich nichts an. Chef der Autorengemeinschaft schloß seine einleitende Kurzdarstellung des Druckwerks mit einem Wort, das das Zeug dazu hat, zu einem geflügelten zu werden, eines, das so gültig die alternative Fahrigket zu bezeichnen weiß, der es entspringt. Wir haben es rücksichtlich der Bilderlnschauger und Überschriftenschmecker (unter den „Falter“-Lesern, Anm.) fett und groß über diese Spalten gesetzt.

Der Titel des Buches ergab sich von alleine aus dem Umstand, daß die Autoren die Literatur zum Fremdenverkehr quergelesen haben. Durchschnittlich in jeder achten Zeile heißt es „(vgl. Knebel 1960)“, „(vgl. Balla 1978)“, „(vgl. Erhard, S. 26 ff.)“. Wie denn „vgl.“? Ich will etwas über die Fremdenverkehrs-Wirtschaft erfahren und nicht ein Absätzchen hier mit einem dort vergleichen. Scheinwissenschaftlich ist nicht fast wissenschaftlich, sondern das gerade Gegenteil. Daß das Buch, das zu vielleicht zwei Dritteln aus zitierenden und referierenden Passagen besteht, dennoch kein Materialienband zum Thema ist, liegt daran, daß den vier Autoren bei aller jahrelangen Vorarbeit eine ganze Reihe grundlegender Publikationen zum Tourismus von Armanski bis Zuzan schlicht unbekannt geblieben ist. Die fünf angehängten Seiten mit Literaturangaben, die Belesenheit und Kompetenz signalisieren sollten, belegen damit nur Arroganz und Schludrigkeit. (Ein wirklich probates Bändchen mit klassischen Texten zum Touismus ist dagegen als Reclamheftchen um S 15,— zu haben.)

Dies sind scheinbar Äußerlichkeiten, bar des Scheines aber sind sie das im Äußeren sich spiegelnde Innere. Ich will Beispiele nennen: Der größte Teil dessen, was über Obergurgl vorgebracht wird, geht nicht von der Wahrheit aus. Die Verfasser (aus Wien, Budapest, Salzburg und Oberbayern) erzählen uns eine Geschichte der Geschichte des Ortes, ohne in die sehr verläßliche und umfängliche Chronik des Pfarrers Trientl Einsicht genommen zu haben. Als einzige Quellen dienen ihnen, ich muß die Leser um ihrer Gesundheit willen jetzt bitten, sich festhalten zu wollen, dienen ihnen zwei Festreden des berüchtigten Bildungsoffiziers des Bundes der Tiroler Schützenkompanien. Der konstruierten These, daß der Fremdenverkehr ein „Dorf in der Krise“ vor dem Ruin gerettet habe, ähnliches ist übrigens auch vom Tiroler Landeshauptmann laufend zu hören, wird die historische Wahrheit bedenkenlos geopfert. In Wirklichkeit waren gerade die beiden höchstgelegenen Orte Tirols, Vent und Gurgl, verschiedener Umstände wegen (Pachtweiden z.B.), die wohlhabendsten des ganzen Ötztales. Eben weil die Bauern dieser Gegend relativ gut gestellt waren, waren sie völlig desinteressiert, als ihnen der Kurat Franz Senn den Fremdenverkehr einzureden versuchte. Die Legende, der Geistliche habe die armen Bergler aus ihrer bitteren Armut erlöst, ihr Erfinder ist der Senn-Biograph E.F. Hofmann (1929), diese Legende ist platte kapitalistische Propaganda, die meinetwegen einem Schützenoffizier gut ansteht, einen sich links gerierenden Zirkel aber schlecht aussehen läßt. Aber es soll ein jeder vertreten, was er für richtig hält. Es ist schlicht erfunden, daß Pfarrer Trientl und Pfarrer Senn „den Obergurglern“ geholfen haben, „touristische Einrichtungen auf- und auszubauen“. Trientl hatte mit den Fremden so wenig am Hut wie der Venter Pfarrer Senn mit den Obergurglern, ja, er behinderte diese aus Konkurrenzgründen sogar. Die Soziologen wie gedruckt.

Im „Gaismair-Kalender“, dem Zentralorgan dieser im gleichen Maße herunter- wie hinaufgekommenen promovierten und habilitierten Linksbürger, wird der Schützenfestredner ein bißchen verspottet, hier wird er ohne Überprüfung über Seiten zitiert, das nenn’ ich Pluralismus. In Ermangelung eines Standpunktes stimmt eben alles ein bißchen. So irgendwie ungefähr. Das ist nicht Geschichte von unten, sondern von der Seite, von der falschen Seite.

Weder stimmt, daß Pfarrer Senn Mitbegründer des Alpenvereins war, noch stimmt, daß dieser den Martinus Scheiber „wiederholt belehrt und angestachelt“ hat, noch gar, daß Scheiber sechs Hütten gebaut hat. Hier wird blind an der Heroisierung einer „Pionier“-Familie mitgewerkelt, die aller nachgesagten Uneigennützigkeit zum Trotz eine zum Teil sehr brutale Dorfpolitik gemacht hat. Aber Preglau, oder wer sonst diesen haarsträubenden Unsinn aufgeklaubt hat, fällt ja noch ein in diesen devoten Ton: „Wichtig waren freilich auch die Ideen der Pioniere, die die Entwicklungsmöglichkeiten erkannten und kreativ auf sie antworteten.“ Mit kreativen Hoteldörfern und kreativen Erschließungen. „Wiederum haben sich hier die beiden Pioniere Martin und Angelus Scheiber Verdienste erworben.“ Statt Verdienste würde ich hier, da es sich bei Scheibers ja um Selbständige handelt, Einkommen sagen. Usw. Usw. Kein Ende von dem, kein Anfang von anderem!

In unserer bunten pluralistischen Gesellschaft, in der alle ein bißchen recht haben, die Ausbeuter ein bißchen und die Ausgebeuteten ein bißchen, muß es den Autoren natürlich unbenommen bleiben, den Herren ein bißchen zu huldigen und die Arbeiter ein bißchen zu verhöhnen. Sie werden Arbeitnehmer und Unselbständige geschumpfen, werden als Erwerbstätige und Beschäftigte ins Lächerliche gezogen. Damit nicht genug. Die Autoren konstatieren mit den nationalrätlichen Hoteliers „eine relativ geringe Arbeitsproduktivität im Beherbergungsund Gaststättenwesen“. Wahr freilich ist, daß 1960 auf einen Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe 156 Nächtigungen entfielen, 1973 bereits 218, die Produktivitätssteigerung also enorm ist. Aber es wird weitergehöhnt: „Nicht zu übersehen ist auch, daß heute im Prinzip jeder jede Reise unternehmen kann Wahr ist, so stand es kürzlich sogar in der“Unabhängigen Tageszeitung„der Bundeswirtschaftskammer,“Die Presse„:“Etwa ein Viertel aller Österreicher hat noch nie Urlaub gemacht.„Dieses Buch ist kein Skandal. Es ist Dreck vom täglichen Dreck. Daß die“Tiroler Tageszeitung" das Buch gelobt hat, geschieht ihm recht.

Der Zweck der Rezension eines schlechten Buches ist es, den Lesern der Rezension das Lesen des Buches zu ersparen. Damit die Leser wissen, was ich ihnen ersparen will, kann ich ihnen das Folgende nicht ersparen.

Wie die Neureiche mit ihrer prestigeträchtigen Nerzstola, so wachtelt der akademische Aufsteiger mit von irgendwelchen Buchdeckeln aus irgendwelchen Buchhandlungsschaufenstern geschnappten Namen und Titeln. Das kann dann so aussehen:

Gestützt auf moderne Verkehrsinfrastruktur und angetrieben vom doppelten Fluchtmotiv (vor der ›Unwirtlichkeit der Städte‹ und vor der Masse der Stadtflüchtlinge) breitet sich der Tourismus tendenziell über den gesamten Erdball aus und die Reiseentfemungen steigen.

(Seite 28)

Zunehmende Freizeit und steigende Masseneinkommen sowie die ›Unwirtlichkeit der Städte‹ lassen einen Tourismusmarkt entstehen, der von der anwachsenden Fremdenverkehrsindustrie (vgl. Tabelle 10) versorgt wird.

(Seite 61)

Es sind andererseits aber auch den Fremdenverkehr überschreitende Veränderungen notwendig, um Abhilfe zu schaffen, denn viele negative Erscheinungen hängen mit den Entfremdungserscheinungen der industriekapitalistischen Arbeitswelt, mit der ›Unwirtlichkeit der Städte‹ (Mitscherlich 1983) zusammen.

(Seite 121)

Eine solche Entwicklung erscheint heute umso notwendiger, als die ›Unwirtlichkeit der Städte‹ (Mitscherlich 1983) bereits die Flüchtlinge einholt.

(Seite 131)

Das einzige Richtige daran ist die Schreibung des Namens Mitscherlich. Er ist 1982 gestorben. Sein Buch „Die Unwirtlichkeit unserer Städte“ ist 1965 erschienen.

Die vier Herren wollen einen sanften Tourismus. Eine sanfte Ausbeutung haben wir ja schon. Und an einem sanften Weltkrieg wird bereits gearbeitet. Einen „alternativen Fremdenverkehr“ wünschen sie sich, das ist sehr lieb von ihnen. Man sollte mit den Kapitalisten vielleicht wirklich einmal darüber in Ruhe reden. Muß denn immer soviel unterdrückt werden? Was müssen denn auch die Arbeiter immer gar so arg ausgepreßt werden! Könnte nicht bitte der Raubbau an der Natur ein bisserl sanfter betrieben werden? Die Zeit, als das Wünschen noch geholfen hat, war schon lange vor Michael Gaismayr vorbei. Er hat es auch gewußt und danach gehandelt. Die sich seinen Namen, nicht aber seine Haltung angeeignet haben, träumen heute von einer „Demokratisierung des Fremdenverkehrs“. Sie fordern nicht Selbstbestimmung, sondern „mehr Selbstbestimmung“, also keine Selbstbestimmung, nicht Gleichheit, sondern „mehr Gleichheit“, also keine Gleichheit, und statt Demokratie fordern sie keine Demokratie, indem sie nur „mehr Demokratie“ fordern. Wohlwollend könnte man sagen, es ist Dummheit, nichts als das. Aber der Wahrheit die Ehre: es ist Demagogie. Wir tun uns nichts Gutes, wenn wir die Autoren für so dumm halten wie diese die Leser. Neun eigene Werke führen sie im Literaturverzeichnis an, ein zehntes, nämlich die vor Jahren vorausveröffentlichte Kurzfassung des Buches wohlweislich nicht. Ganze Passagen (Transskriptionsfehler inkl.) aus „leben in einer fremdenverkehrsgemeinde am beispiel obergurgl“ von Max Preglau („erziehung heute“ 1/83) finden sich hier unverändert wieder. Ein formaler Einwand von der Art, daß Obergurgl keine Gemeinde, sondern eine Fraktion der Gemeinde Sölden ist, ist in Anbetracht der politischen Hämmer fast läppisch. Hinter jedem zitierten Halbsatz steht die Quelle, hinter den beinharten politischen Kommentaren steht nix. Wer steht dahinter?

Das ist nach W. Benjamin nicht Kritik an den Zuständen, sondern gedankenlose Reklame für sie. Wenn der Guru Pelinka im Anhang schreibt, daß es dieser SP-Vorfeldorganisation in ihrer Schriftenreihe um „Parteinahme“ geht, dann wissen wir jetzt für welche. Zwar steht da auch „Parteinahme für Demokratie“, das „Sozial-“ ist ausgefallen, aber Druckfehler gibt es eine große Menge in diesem Werk. So heißt es ebenfalls bei Pelinka, daß es ihnen um „eine möglichst breite Verständlichkeit“ zu tun sei, wohingegen es ihnen doch um möglichst breites Verständnis zu tun ist. In der Einleitung heißt es, daß „im ersten Kapitel die Entwicklung des Fremdenverkehrs beschrieben“ werde, wo sie doch nichts als abgeschrieben wird (von Prahl/Steinecke, Knebel, Oberhammer, Lukan). Usw. Statt Dopolavoro (faschistische italienische Freizeitorganisation) heißt es zweimal „Dopolaboro“ (falsch abgeschrieben von Prahl/Steinecke), „in Tirol gehen jährlich 5000 km2 Almen, Wiesen und Äcker unter Zement und Ziegel verloren“, heißt es da, statt vielleicht 5000 m2, dafür lesen wir an einer anderen Stelle „50 Jahre“ statt richtig 500 Jahre, Fremdenvereinsobmann statt Fremdenverkehrsobmann, Hauptprojekt statt Hauptprodukt, statt Eliten Eltern und statt Schullehrer (um 1860) Skilehrer, von der teilweise nur phonetischen Wiedergabe am Radio mitgeschnittener Interviews (aus „Küh melken, die paar“ wird „Küh melken, net wahr“), innerhalb deren willkürlich umgestellt, ausgelassen und zusammengezogen wird, jetzt abgesehen. Die vielen Vertipper sind ein kongenialer Beitrag des Setzers, auch wenn er der inhaltlichen Vorgabe an Verdrehungen nicht gerecht werden konnte. Sowenig der Setzer im Korrektor seinen Sekundanten gefunden hat, sowenig der Autor den seinen im Lektor. Das schlampige Denken, das aus mangelnder Beschäftigung resultiert, die aus mangelndem Interesse resultiert, führt zu einer Schludrigkeit im Stil, der mitunter Zweifel daran enstehen läßt, ob es wohl die deutsche Sprache ist, die ihm zugrundeliegt. Von „Ungleichheiten des Wirtschaftswachstums innerhalb der Alpen“ ist da die Rede und von einer „Entwicklung“, die „immer rascher zunahm“. „Einwohner erlebten ... eine Verringerung“ während ein „Trend ... einen immer größer werdenden Teil der Bevölkerung ergriff“. Da gibt es „Gegensätze innerhalb der Gastgeber“, eine „Bevölkerung“, die „stagnierte“ und eine „Neugründung von Häusern“. Das Inwendige hat im Auswendigen seine Entsprechung.

Worum es in der Fremdenverkehrswirtschaft geht, darüber ist hier nichts zu erfahren. „Ausufernde Bautätigkeit“ heißt es da. Wer? „Übererschließung“. Wer? „Umweltverschmutzung“. Wer? Hier wird kein Unterschied gemacht zwischen der Achtbettenvermieterin und dem Dreifachhotelier, über den die Profitwirtschaft erzeugenden Gegensatz zwischen der herrschenden und der arbeitenden Klasse wird drüberweggehuscht. Wer die wahren Nutzenzieher im österreichischen Fremdenverkehr sind und wer deren Gewinne erarbeitet, steht in einem anderen Blatt („FOEHN“, Jänner 1986). Von Preglau, Meleghy, Frantz und Tafertshofer werden die Obergurgler in hämischen Kommentaren allesamt ein bißchen diffamiert, der Dorfpfarrer genauso wie die quasi als Heimarbeiterinnen schaffenden kleinen Vermieterinnen, die die Miete für „ihr“ Haus der Bank monatlich in Form des Kreditzinses zahlen. Das Wort „Bank“ kommt im Buch überhaupt nicht vor! Kein „Kreditinstitut“, keine „Raiffeisenkasse“, keine „Sparkasse“, kein gar nix. Doch, eine schon. Auf dem Vorsatzblatt steht: „Gedruckt mit Unterstützung durch das Amt der Tiroler Landesregierung und das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung sowie der Sparkasse Innsbruck Hall“. — Die Sparkasse Innsbruck-Hall mit ihren 60 Filialen ist der Hauptprofiteur des tirolischen Fremdenverkehrs. Noch einmal, zum Mitschreiben: Die Sparkasse Innsbruck-Hall mit ihren 60 Filialen ist der Hauptprofiteur des tirolischen Fremdenverkehrs. Er hat uns dieses schauerliche Buch gewidmet.

Das Erschreckende ist für mich nicht, daß es Autoren wie diese vier gibt, sondern daß es Leute gibt, die über alles, was in diesem Buche steht, drüberlesen und es noch loben können. Man sieht zu welcher Mutation der Mägen einerseits und der Hirne andererseits diese Zeit schon geführt hat.

Das Positive zum Schluß: Das Buch hat nur 137 Seiten.

Markus Wilhelm
Der ›Falter‹ hat obenstehende Rezension nicht gebracht. Das allein wäre noch kein Grund, sie hier zu bringen. Der FOEHN ist kein „Falter“, im Gegenteil. Aber dem Chefredakteur der Zeitschrift mit dem dümmsten Untertitel („Zeitschrift trotz Österreich“) ist nach Exhibition, er verlangt Berücksichtigung im alternativen Kuriositätenkabinett. So soll er denn dorthinein, wo er hineinwill, seine Qualitäten erlauben die Aufnahme:

Abgesehen von den Grobkorn-Passagen aus dem Hause ›Globus‹ — ›ein Buch ... erschienen, in dem weder das Wort Kapital noch das Wort Arbeiter vorkommt, womit alles ... falsch ist‹, ›... Profitwirtschaft erzeugenden Gegensatz zwischen der herrschenden und der arbeitenden Klasse ...‹ etc., finde ich den Text sehr gut. Nur: Eineinhalb Falter-Seiten Aufregung über ein 137-Seiten-Kalendarium scheint mir doch etwas zu viel des Guten.

Mein Vorschlag: ca. 120 Zeilen a 32 Anschläge (ohne Hämmer und Sichel). Kann das sein?

Kann sein, daß er sich das sehr fein ausgedacht hat, ein Leben ohne Hammer und Sichel, dafür vierzehntäglich im Blatt jammern und sticheln. Ganz schön schön muß es sein in dieser Welt, die sich da ein Kopfmensch als Welt ohne Arbeit/er konstruiert hat. Und die „Zeitschrift trotz Österreich“, ganz Spiegel dieser Wirklichkeit, gibt ihm recht: Es gibt wohl ganze Nummern des „Falter“, wo die „Grobkorn-Passagen“ Arbeiter und Kapital nicht vorkommen, womit alles, auch das Richtige, falsch ist.

KlassenGegenSätze

Im Parlament machte ein Redner stundenlange Ausführungen über den Begriff der Bestechlichkeit. Da rief es von der Tribüne herunter: „Herr, glauben Sie, daß in dieser Versammlung auch nur einer sitzt, der nicht wüßte, was Bestechung ist?“

England, um 1830

Einmal, wenn einer Krida gemacht hat, so hat er sich fast zu Tode gekränkt darüber; jetzt ist ein Konkurs gerade wie ein Katarrh: ein paar Tage zu Hause bleiben, ist’s wieder gut.

Ferdinand Raimund

Ein schlesischer Weber erzählte seinen Bekannten, daß er einen Apfelbaum kenne, an dem sich, merkwürdig genug, drei Fabrikanten aufgehängt hätten.
„Nachbar“, sagte einer, „wo steht der Baum? Ich möchte mir ein Pfropfreis von ihm holen!“

Aus Schlesien

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Erstveröffentlichung im FORVM:
Juli
1986
, Seite 43
Autor/inn/en:

Markus Wilhelm:

Geboren 1956, von Beruf Zuspitzer in Sölden im Ötztal, Mitbegründer des FŒHN (1978-1981), Wiedergründer und Herausgeber des FŒHN (1984-1998). Seit 2004 Betreiber der Website dietiwag.org (bis 2005 unter dietiwag.at), Landwirt.

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