Zeitschriften » Context XXI » Print » Jahrgang 1999 » Heft 1-2/1999
Bukasa Di Tutu

Menschenrechte und Rassismus in der Globalisierung

Zur Konstruktion der „Illegalität“

Trotz der theoretischen Entwicklung der Menschenrechtsauffassung ist festzustellen, daß jenseits von Land, Kultur und Zeitraum immer noch Verletzungen der Menschenrechte, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit ausgeübt werden, sodaß wir geneigt sind zu behaupten, daß das Phänomen eine selbsttragende Dynamik in der menschlichen Natur hätte. Ob Menschen durch Giftspritze oder auf dem elektrischen Stuhl sterben müssen wie in den USA, ob sie unter institutionalisiertem Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, ob sie unter Anschlägen, etwa gegen Minderheiten, und der Schaffung von Illegalität leiden müssen wie in Europa oder ob durch Mißachtung der Menschenwürde ihr Leben oft auf dem Spiel steht wie in Asien und Afrika et cetera. Obgleich ein Unterschied in Ausmaß und Qualität besteht, zählt all dies nicht nur zur Problemkategorie der Widersprüche des Nationalstaats unserer Zeit, sondern ist gleichzeitig eine Herausforderung an die zivilen Gesellschaften, sich gegen diese vom Staat selbst gezüchteten Ungereimtheiten solidarisch zu wehren.

Die Frage, die wir uns in diesem Rahmen stellen, ist nicht nur die der faktischen, selbsttragenden Dynamik von Rassismus, Menschenrechtsverletzungen und der Schaffung der Illegalität durch den Staat, sondern welches die Mechanismen aus Staat und Gesellschaft sind, die diese Situation fördern, nähren und von Generation zu Generation weitertragen und legitimieren. Weiters stellen wir uns die Frage, was auf der Ebene von Staat und Gesellschaft getan werden kann, damit man den Prozeß dieser Eigendynamik der Menschenrechtsverletzungen, der Fremdenfeindlichkeit, des Rassismus und der Schaffung der sogenannten „Illegalen“ in den Griff bekommt, das heißt eine qualitativ höhere Stufe des Bewußtseins als gegenwärtig erreicht wird, um einen Gleichgewichtszustand in den zwischenstaatlichen und gesellschaftlichen Beziehungen zu schaffen.

So gesehen sind die drei folgenden Faktoren aufgrund ihrer Bezogenheit aufeinander von entscheidender Bedeutung. Sie fungieren insgesamt als Kraft und Quelle für Menschenrechtsverletzungen, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, die Schaffung der sogenannten „Illegalen“ et cetera.

1. Faktor: Erfindungsgeist

Der Mensch hat sich in seinen Ursprüngen selbst zum Menschen gemacht, indem er Werkzeuge erfunden und sie im Arbeitgsprozeß eingesetzt hat, wo er zu weiteren Erfindungen angeregt wurde. Die Erfindung von Werkzeugen hat ganz wesentlich zur Evolution des Menschen beigetragen. In vorgeschichtlicher Zeit haben die Menschen jahrtausendelang in einer Art Horden gelebt, wo es weder soziale Klasssen noch privates Eigentum an Land oder Personen gegeben hat. Sklaverei war deshalb unbekannt, weil die Produktionsleistung eines Sklaven so gering war, daß sich sein Besitz nicht gelohnt hätte. Erst mit zunehmender Produktivität der Arbeit wurde die Sklaverei gewinnbringend. Von dieser Zeit an rentierte es sich für einen Teil der Menschheit, Land als Eigentum zu beanspruchen und von anderen für die Möglichkeit der Bewirtschaftung Abgaben zu verlangen. Wir sehen, daß die Institution des Eigentums, der Sklaverei demnach nicht in der menschlichen Natur wurzelt, sondern als Produkt einer früheren Entwicklung entstand. Da die technische und technologische Entwicklung von der Muskelkraft zu maschineller Kraft und vom Handwerk zur Fabrikation fortgeschritten ist, wurde nicht nur das Kapital wichtiger als das Land, von dem die Produktion ausging. Die zunehmende Bedeutung des Kapitals gegebenüber dem Land zog andere Problembereiche nach sich, die für unsere Thematik von Relevanz sind: Das Problem der hierarchischen Werteskala bzw. des Identitätsbezugs sowie das Phänomen des „Dezimierungsdranges der gegebenen Population“ [1], je nach Kultur, Rasse, Religion et cetera. Hier stimmt es, wenn man sagt: „Der Rassismus ist in Wirklichkeit diejenige Haltung, die die intellektuellen oder moralischen Merkmale einer bestimmten Gruppe als direkte Folge ihrer physischen oder biologischen Merkmale ansieht. ... Da die bezeichneten Unterschiede zwischen Menschen kultureller und nicht biologischer Natur sind, läßt sich sagen, daß in Wirklichkeit der Rassist die Rasse erschafft.“ [2]

NOTO KOSOWAR 4.15

Im Gegensatz dazu besagt der Ethnozentrismus, daß sich jemand (ein Angehöriger einer bestimmten ethnischen Gruppe) für besser hält als die anderen. Ethnozentrismus ist in allen Gesellschaften vorhanden. Man spricht hier von einer Haltung, die im Unbewußten des Menschen verankert und von einem gewissen Mißtrauen gegenüber dem anderen gekennzeichnet ist. Im allgemeinen handelt es sich jedoch nicht um eine aggressive Haltung, die zu einer Verfolgung des anderen führt. Ethnozentrismus wird jedoch dann zum Rassismus, wenn neben den objektiven kulturellen Unterschieden ein biologischer Unterschied zwischen den Menschen konstatiert wird. [3]

Abgesehen von scheinbaren Unterschieden zwischen beiden Auffassungen stellen wir fest, daß die angeführten intellektuellen oder moralischen Merkmale einer bestimmten Menschengruppe oder, wie beim Ethnozentrismus, die genannten objektiven kulturellen Unterschiede sich gegenseitig ergänzende Grenzbereiche der kreativen Leistung sind, die Relevanz für die These des menschlichen Erfindungsgeistes als Faktor für den Rassismusdiskurs haben.

2. Faktor: Wirtschaft und Staatstransformation

Wenn wir in der Geschichte zurückblicken, stellen wir fest, daß der Kapitalismus als Wirtschaftssystem im Grunde genommen den Feudalismus als vorherrschendes soziales und wirtschaftliches System abgelöst hat. Die lokalen Märkte wurden zu nationalen und die lokalen Dialekte zu standardisierten Nationalsprachen. Konstitutionelle Regierungen, die das Privateigentum und den Wettbewerb schützen, verdrängten die Monarchien des Feudalismus und des Absolutismus. An die Stelle des Adels trat eine national gesinnte Bourgeoisie als führende Klasse in Gesellschaft, Politik und Kultur. Der Kapitalismus verdrängte somit den Feudalismus und errichtete auf diese Weise die modernen Nationalstaaten. Jetzt befinden wir uns in einem Prozeß der Umwälzung vom nationalen zu einer Welt des globalen Kapitalismus. Das ist eine Phase der sogenannten neoliberalen Wirtschaft. Sie trägt dazu bei, daß durch ihre Sachzwänge die Architektur des Nationalstaates von der Supranationalitätsstruktur abgelöst wird.

Wir sehen, daß eine Wechselwirkung zwischen dem technischen und technologischen Fortschritt, der neoliberalen Wirtschaft und dem Prozeß der Bildung einer regionalen Integrationsstruktur, etwa der EU, besteht.

3. Faktor: Geschwindigkeit des Fortschritts

Dieser Faktor entsteht einerseits aus der partikularen Geschwindigkeit jedes einzelnen Faktors (Erfindungsgeist, Wirtschaft und Staatstransformation) und andererseits aus ihrer Wechselwirkung sowie der damit verbundenen Notwendigkeit, eine Balance zwischen ihnen zu halten.

Gesellschaftliche Konsequenzen

Die Interferenz zwischen diesen drei Faktoren, welche in unserer Zeit im Dienste des Triumphes des Kapitalismus über das Dogma des Kommunismus stehen, führt zur Relevanz der Unterscheidung der Arbeitskraft je nach ökonomischen und sozialen Interessen, etwa zwischen Inländern und Ausländern, insbesondere den sogenannten „Illegalen“. Paradoxerweise hat der Kapitalismus bis zum Zusammenbruch des kommunistischen Weltsystems gewartet, um sich der Früchte dessen Weltbildes zu bedienen. Die Marxisten haben versucht, den Markt durch Politik zu ersetzen, durch Beschlüsse des Politbüros und deren Ausführung durch einen Parteiapparat. Umgekehrt versucht der Neoliberalismus die Politik durch den Markt zu ersetzen. Wo Marx im Kontext des Internationalismus pointierte, daß die Arbeiter kein Vaterland haben, daß die Interessen der Arbeiter aller Länder gleich sind, setzt der neoliberale Ansatz die uneingeschränkte Freiheit des Marktes und Kapitals über den gesamten Globus entgegen.

Foto: Draško Cagović, Vreme

Während das Kapital virtuell aus dem Schoß und mittels des Neoliberalismus uneingeschränkt — auch in den sogenannten Billiglohnländern — tätig ist, werden die Menschen, vor allem jene, die aus diesen Ländern stammen, mit archaischen und obsoleten Begriffen aus der Praxis des nationalen Ethnozentrismus wie „Illegale“, Ausländer, et cetera — je nach Bildungsgrad — bombardiert, konfrontiert bzw. schikaniert.

Ausgehend davon, daß die Politik ein wertendes Streiten über erkennbare Alternativen ist, ist puncto Internationalisierung der Interessen des Rechtssubjekts über den gesamten Globus die eigentliche, grundsätzliche Frage nicht die der ideologischen Rechtszuweisung, wer über wen zwischen dem neoliberalen globalen Kapitalismus und dem Weltbild von Marx triumphiert hat. Wichtig ist vielmehr die Feststellung des Agierens von Kapital im Geist des Neoliberalismus und der davon abzuleitenden Konsequenzen für den sozialen Frieden, nämlich die „Vollkaskomentalität“: von allen zu kassieren, ohne dabei Schaden zu erleiden.

Die Interferenz zwischen dem Agieren des globalen Kapitalismus und der Staatstransformation durch die graduelle Ablösung des absoluten, souveränen Nationalstaats von einer Supranationalitätsstruktur — zunächst als reales Macht- und Marktgebiet für die Mitgliedsstaaten und dann als Instrument ihrer Globalisierung —, macht den ganzen Globus mehr oder weniger zu einem Vaterland. Gleichzeitig schiebt dieser Prozeß aber unverändert, jedoch in erschwerter Form einen Keil zwischen freie Menschen, also zwischen Inländer und sogenannte „Illegale“. Die Bewegungsfreiheit dieser Menschen und ihre damit verbundenen Entfaltungschancen, vor allem der sogennanten „Illegalen“, werden in Folge dessen aus rassistischen Gründen oder durch eine diskriminierende Vorgangsweise drastisch erschwert. Dies ist kongruent mit der Auffassung, wonach „die Ursachen für Gewalt, Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz weder in einer unzureichenden Assimilierbarkeit von ImmigrantInnen aufgrund angeblicher kultureller Unvereinbarkeit von fremden Kulturen, in mangelnder Integrationsfähigkeit, noch in einer Bedrohung der eigenen Identität durch Multikulturalismus liegen. Mit der Verschärfung sozialer Konflikte sind oft der Zerfall gesellschaftlicher Einheiten, wie der Familie, und der Verfall bisher gültiger Orientierungen, Ideale und Werte verbunden. Verbunden auch mit den Ängsten ganzer Gruppen vor dem Verlust der sozialen Stellung und Identität und der Sorge, die“Verlierer von morgen„zu sein. Die“Fremden„dienen als“Sündenböcke„für ungelöste Probleme, politische und ökonomische Krisen und kulturelle Umbrüche. Hinzu kommen politische Maßnahmen, die Ausdruck von Fremdenfeindlichkeit sind. Zu ihnen zählen u.a. eine Politik, die Einwanderung erschwert; ein staatlich verfolgter, oft gesetzlich sanktionierter Ausgrenzungskurs anstelle einer humanen Integrationspolitik; die politische Negierung der Wechselwirkung von Integration und Wahrung der kulturellen Identität.“ [4]

Weiters stellen wir fest, daß, wo einmal die neoliberale Dogmatik die Köpfe beherrscht, uns unentwegt versichert wird, daß es zur Deregulierung, Privatisierung, Entsolidarisierung und Ausgrenzung keine Alternative gebe. Denkzwänge treten im Gewand von Sachzwängen auf. Hierzu Douglas Lummis, der schreibt: „Politics is the activity by which humans choose and built their collective life together. The ideology of technological determinism, which pretends that this choice is not a choice, is antipolitical and antidemocratic ... A politics that places outside its sphere of concern the really important choices — the choices that most powerfully affect people´s life ..., is illusory politics, no politics at all“ [5]

NOTO KOSOWAR 4.14

Wie wir wissen, sind die Beziehungen zwischen Staaten grundsätzlich aus puren wirtschaftlichen und finanziellen Interessen, die sich gegenseitig verschlingen, begründet. Sie sind aber auch auf Menschen bezogen im Wege der Konventionen, die die Staatengemeinschaft selbst zum Schutz der Individuen implementiert hat. Es handelt sich um Konventionen, die gleichzeitig die Beziehungen der Staaten zueinander regeln. So gesehen sollte die Staatengemeinschaft hinsichtlich ihres ungeheuren völkerrechtlichen Machtmonopols dem Einzelnen gegenüber nicht nur als Garant für dessen Schutz und Sicherheit fungieren, sondern auch aus Sicht der Zivilgesellschaft als „Vereinsgebilde“ betrachtet werden, das seiner Aufgabe des Schutzes und der Sicherheit durch die Konventionen nachzukommen bzw. das seine Beziehungen untereinander so zu harmonisieren hat, daß die Rechte der Individuen gewährleistet sind.

Aus dem Versagen der Staatengemeinschaft, für diese völkerrechtlichen Konventionen auf der wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und politischen Ebene eine angemessene Antwort zu finden ergeben sich folgende Konsequenzen:

a) Immigranten, sogenannte „Illegale“ et cetera werden entweder durch die Krise ihres jeweiligen Staates durch Nichteinhaltung der gesellschaftlichen Balance oder durch die Krise, die aus der Beziehung zwischen zwei oder mehreren Staaten entsteht, gezüchtet.
b) Die meisten Asylwerber, Immigranten oder sogenannten „Illegalen“ sind eine Auswirkung der geänderten, früher näheren Beziehungen, z.B. zwischen Afrika und Europa, infolge der Integrationssachzwänge der EU, die aus dem Globalisierungsdruck des Neoliberalismus entstanden sind. Am Ende des Tunnels bleibt aber nur ein Opfer der staatlichen Widersprüche, der sogenannte „Illegale“. Nach seiner Meinung, ob er a priori illegal sein möchte, wird nicht gefragt. Seine neue völkerrechtliche Nationale bzw. Identität heißt der oder die „Illegale“.

In diesem Kontext wird vorausgeschickt, daß jedes Land für sich unzählige verschiedene Formen der Minderheiten hat, deren Interessen zwecks Integration würdig zu verwalten sind als unabdingbare Pflicht seiner Rechtsstaatlichkeit und seines Demokratiediskurses. Die Minderheitengruppen seien wie oben erwähnt unzählig. Sie nach derselben negativen Werteskala wie bisher zu ordnen, von Ausländern, zu „Illegalen“ et cetera, bedeutet, einen Keil zwischen sie und die Inländer im Sinne von prädestinierten Guten und Bösen zu treiben. Aufgrund der Perspektivenlosigkeit aus wirtschaftlichen und finanziellen Gründen muß um des sozialen Friedens Willen und um gesellschaftlich eine Balance zu finden paradoxerweise ein Bruch zwischen freien Menschen geschaffen werden, damit die Politik von den klassischen Widersprüchen zwischen Gut und Böse leben kann. Man kann dies als einen „Recyclingversuch“ auch im globalen Zeitalter betrachten, Relikte, das heißt klassische Nationalitätenwidersprüche begrifflich und inhaltlich inkonsequent in die neue Ära überführen zu wollen. Anders ausgedrückt: Man versucht dadurch, bezüglich der Minderheitenproblematik das Einverständnis der Bürger für die Verewigung der Widersprüche zwischen Bürgerrechten und Menschenrechten und den damit verbundenen Streit der Loyalitätswidmung einzuholen. Gemeint ist die scheinbare Unverträglichkeit zweier grundsätzlicher Auffassungen. Die eine beruht auf dem besonderen Schutz der Minderheiten mit gleicher Staatsbürgerschaft, und die andere macht durch die Staatsbürgerschaft a priori keinen Unterschied zwischen den Bürgern. Letztere stellt somit das Gleichheitsprinzip in den Vordergrund: kein Staatsbürger genießt dem anderen gegenüber eine Extrastellung. Im Hintergrund desavouiert man mit dieser Auffassung theoretisch die Folge der sozialdarwinistischen Auffassung, etwa die gegebene Population relativ zu Kultur, Religion, Sprache, rassischen Eigenschaften zu dezimieren.

Obwohl theoretisch beide Modelle unterschiedliche Projektionen des gesellschaftlichen Vertrags prägen, leben sie aber praktisch via neoliberaler Wirtschaft von der Hochkonjunktur des Sozialdarwinismus:

  • Wirtschaftlich und technologisch handelt es sich z.B. um die Gigantomanie der multinationalen Konzerne. Sie entscheiden nicht nur über das Produkt, sondern auch über die Marktbedingungen, Geschwindigkeit und Richtung der Produktivität, wobei die Klein- und Mittelbetriebe um ihre Existenz bangen müssen.
  • Die Auswirkung im sozialen Kontext ist nicht nur die Arbeitslosigkeit als gesellschaftliches Problem des gestörten sozialen Friedens, sondern erstreckt sich auch auf das Rechts- und gesamte soziale System, sodaß die Population der Ausländer, der geschaffenen sogenannten „Illegalen“ et cetera von der der Inländer rassistisch und fremdenfeindlich auf verschiedene Art terrorisiert wird. Die Dezimierung der gegebenen Population durch eine institutionalisierte rassistische und fremdenfeindliche Praxis ist hier im Sinne der Selektion des schlechten Geschmacks zu verstehen.
Foto: Ivan Milutinović, Reuters
Foto: Draško Cagović, Vreme

Alternativen

Ausgehend von dem Ist-Zustand, sind m.E. die Konsequenzen so, daß sich die politischen und gesellschaftlichen Widersprüche in der angebahnten Richtung weiter vertiefen: Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zählen bereits zu den wichtigsten politischen Größen des Landes als eine auf die Wählerschaft konvertierbare harte politische Währung, um kurz oder langfristig Sympathien zu buchen. Wer politisch überleben will, muß Rassismus und Fremdenfeindlichkeit je nach Strategie in sein politisches Kalkül ziehen. Opfer dieser politischen und gesellschaftlichen Dekadenz und am schlimmsten betroffen ist nach wie vor die Population der geschaffenen sogenannten „Illegalen“. Ein scharfes Fremdengesetz sowie die Schaffung größerer Schubhaftlager sind ein glatter Mangel an echten Alternativen, die lediglich eine Flucht nach vorne bedeuten.

Wenn wir als gesellschaftliches Projekt die Demokratisierung der Lebensverhältnisse, die Nicht-Diskriminierung von Minderheiten, die Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern und eine gerechte Ressourcenverteilung wünschen, dann setzt dies eine konstruktive Streitkultur voraus, die soziale Ursachen und Defizite sowie Gewaltstrukturen nicht aufhebt, aber klärt, um Menschen zur Erziehung zum Frieden zu sensibilisieren.

Eine solche weltanschauliche Streitkultur bedingt, daß im Keim der Gesellschaft eine andere Erziehungskultur zur Entfaltung des Individuums eingepflanzt wird, das heißt eine andere Art der Schule. Statt eines Weltbildes, das nur zwischen Gut und Böse operiert, wie es letztlich in der christlichen Weltanschauung der Fall ist, ist die Lehre der Grundsätze anderer religiöser Weltanschauungen sowie der Ethik in der Schule neben verschiedenen Kampagnen gegen Rassismus und Xenophobie unabdingbar wichtig.

Wenn wir aus verschiedenen Betrachtungsweisen Rassismus als eine Bühne der Manifestierung bzw. eine Art der Delegation sämtlicher unbewältigter individueller Mängel ansehen, dann impliziert dies, daß der Ankläger (der Rassist) das Opfer ersten Grades ist, den man vor allem durch erzieherische „Therapie“ von klein auf zu einem kontrastierten, mannigfaltigen Weltbild ohne eine verdrehte Verfolgungsangst (wobei das scheinbare Opfer stellvertretend für diese Selbstverfolgungsangst steht) führen muß. Statt des von allen Seiten kommenden unaufhörlichen „Gejammers“ über Rassismus, wobei das Opfer zweiten Grades (der Ausländer, der sogenannte „Illegale“ et cetera) nicht als symptomatischer Auslöser dieser o. e. Mängel seines Anklägers gesehen wird, indem er wie gewöhnlich den Platz des Opfers ersten Grades einnimmt, muß durch eine andere Erziehung der Spiegel vor die Augen des Anklägers, des „Hauptopfers“, gehalten werden.

[1Der Dezimierungsdrang ist hier im Sinne des gesellschaftlichen Unterschieds zu verstehen, der innerhalb der gegebenen Population gemacht wird, um die Kontinuität des vorhandenen Systems im Anspruch auf Dynamik zu rechtfertigen.

[2Léon Poliakov u.a., Rassismus. Über Fremdenfeindlichkeeit und Rassenwahn. Hamburg/Zürich 1992.

[3Siehe Léon Poliakov u.a., Rassismus. Über Fremdenfeindlichkeeit und Rassenwahn. Hamburg/Zürich 1992.

[4aus Vorarlberger papers zur Fremdenfeindlichkeit.

[5C. Douglas Lummis, Radical Democracy. London 1996, S.90 f.. Dies zeigt, daß Politik als Verbindung von „politics und policy“ gemeint ist. Der Neoliberalismus ist demzufolge eine „ideology of determinism“, welche den Menschen einredet, daß alles, was für sie wichtig sei, außerhalb ihrer Entscheidungsmöglichkeiten liege.

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Erstveröffentlichung im FORVM:
Juni
1999
Heft 1-2/1999, Seite 23
Autor/inn/en:

Bukasa Di Tutu:

Bukasa Di Tutu ist Leiter des Internationalen Zentrums für afrikanische Perspektiven sowie Minderheiten- und Wissenschaftssprecher von „Die Bunten“.

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