MOZ » Jahrgang 1990 » Nummer 56
Wolfgang Beyer

Meine Traumregierung

MARIE-LUISE LEMMING, Ministerin für rücksichtslose Versprechungen:

Sie wird demnächst und gleich und ohne Rücksicht auf Verluste. Denn es ist hoch an der Zeit und bereits mehr als nur Fünf vor Zwölf und daher unaufschiebbar, damit endlich. Es waren ihre nichtswürdigen Vorgänger, die verhindert hätten, daß. Aber nun. Und sofort. Kompromißlos. Und wenn erst eine Kuh nach ihr benannt werden würde. Oder werden würde könnte. Und sollte. Dann aber wirklich. Dann aber soll an jedem Baum das Schild prangen: „Waldsterben verboten! Die Bundesregierung.“

Das Treibgas flippt aus. Die PET-Flasche nimmt ihren Hut.

Die Klimakatastrophe bereut. Das Ozonloch schließt sich schamvoll.

„Hurra, Frau Lemming, wir gehen mit Ihnen!“, brüllen alle Wähler. Und morgen, liebe Kinder, erzähl ich euch ein anderes Märchen.

ALOIS MOIK, Minister für plumpe Vertraulichkeit:

Devot lächelnd steht er bei Staatsbesuchen neben dem hohen Gast, am Rande des großen Blitzlichtgewitters; servil neigt er sich, untermalt von Marschmusik, hinab zur Frau Staatsbesuchsgemahlin, um ihr dann — im winzigen Moment des Unbeobachtetseins, Spitzbübisches ins Ohr zu träufeln, wie etwa: „Darf ich Gnädigster heute abend meinen Cyrano zeigen?“ „Hoho, hihi“, lacht da die jeweilige First Lady spitz & schrill auf, „Sie sind mir ja einer, Sie!“

Und nur Stunden später haben wir ihn in der Tasche, den alles rettenden Exportauftrag, der uns Millionen bringt oder kostet. Je nachdem.

PEPPI PLAHUWEC, Minister für kulturelle Volksund Eigentümlichkeiten:

Nie gehört, den Namen? Na und? Jetzt erzählen Sie mir nur nicht, sie kannten Hilde Hawlicek! Na eben.

KARL ROBERT BLICHAL, Minister für mannstoppende Grenzlandförderung:

In seinem Lager ist Österreich. Alles hört auf sein Kommando: Bundesheer, Polizei, Gendarmerie, Briefträger und Schaffner: alles, was Uniform trägt, zusammengeschweißt zu einer einzigen Krach- und Schießgesellschaft: das ist sein Plan; dafür kämpft er: ein Mann wie ein Faustschlag. Seine Pursche pirschen durch grenznahe Forste, das Ungeziefer zu entdecken, das östliche, denn der Russ’ ist wieder unser Feind, und es kann der Beste nicht in Frieden leben, wenn ihm sein böser Nachbar nicht gefällt.

„Petri heil!“ rufen erfreut alle Fischersleut’ vom schönen Neusiedler See, wenn wieder ein paar Rumänen in seinen Netzen zappeln.

Und überall ist Grenze: in der Au, in den Ausländervierteln, auf der Autobahnbrücke. Die Grenze ist grenzenlos, und Blichal wird sie schützen. Gnadenlos. Gegen inländische und gegen ausländische Ausländer. Weil wir sonst wohin kämen. Deshalb: Blichal! Über mögliche unerwünschte Nebenwirkungen informiert Sie Ihr Exekutionskommando.

JOSEF CAP, Minister für permanente Rotation:

Er sorgt dafür, daß nichts beim Alten bleibt — und erst recht nicht seine eigene Weltanschauung. Mit seinen ständigen 90-, 180- und 360-Grad-Drehungen und -Wendungen hat er sich als glühender Verfechter des Rotationsprinzips glänzend eingeführt. Und sollte er dereinst — infolge zentrifugaler Kräfte — doch aus dem Amt geschleudert werden, so kann er seinen Genossen immer noch nützlich sein: in der Parteizentrale — als Ventilator.

SWAMI SCHWAMMERL, Minister für charismatische Redensart:

Leute, höret, der Guru ist da! Die Wahrheit kündet er, die populistische, auf daß alle grünen Rebellen bellen gegen die Obrigkeit, die technokratische. Er löset das Heer auf und bringet der Welt den Frieden, seine Untergebenen verändern die Verkehrspolitik auf der ganzen Welt (keine neuen Autobahnen auf Grönland, Herr Chorherr!) und revolutionieren den Öko-Feminismus („30% mehr PET-Flaschen während der PERIODE der Frau Flemming“, meintest Du, Monika Langthaler), er selbst erstehet immer aufs neu in Gazetten und „Zeit im Bild“, so daß keine/r Mangel leide an Leitbildern und Vorkämpfern, die ihm/r abnehmen den Kampf & Krampf in der einsamen Wahlzelle, denn wisse: der Pilz ist bei DIR!

FRITZI VEIGL, Bundeskanzlerin der Rebenrepublik:

Die Fritzi ist Heurigenwirtin in Wien-Favoriten. Mit den Österreichern kennt sie sich aus. Daß der Figl dereinst die Russen unter den Tisch gesoffen hat, das kostet sie nur ein müdes Wirtinnen-Lächeln: sie hätte die Russen, den Figl und alle anwesenden Anekdotenaufschreiber niedergesoffen — und dann ganz andere Lieder gesungen. Daß sie vorhat, mit ihren Stammgästen eine Leber-Party zu gründen, ist nur ein Witz vom ganz wem anderen. Entscheidend ist vielmehr, daß die Fritzi Realpolitikerin ist — vom Scheitel bis zur Schürze; mit vierzehn hat sie die Krukenkreuz-Fahne geschwenkt, zu Führers Geburtstag hat sie jedem anwesenden Braunhemd ein Vierterl spendiert — und seither ist sie Demokratin. Die Fritzi führt nicht nur eine Volkswirtschaft, sie kennt sich auch darin aus. Schon ihr Vater gottselig mußte die ehernen Gesetze des Marktes wiederholt am eigenen Leibe verspüren.

„Kumm her, Fritzi, jetzt mach’ ma Konkurs, daß’d des a lernst!“ war eine seiner Redensarten. Und sie hat gelernt, die Veigl-Wirtin: Glykol, Maden im Grammelschmalz, verseuchter Topfenkas’ — das alles hat sie ebenso überstanden wie den Hitler, die Entnazifizierung und die Anti-Alkoholiker-Kampagnen diverser irregeleiteter Gesundheitspolitiker. Heute ist die Fritzi eine erfahrene, weltoffene Frau: nicht nur politisch und ökonomisch, sondern auch kulturell: mehrere pensionierte Kammersänger pflegen bei ihr allwöchentlich den „Herrgott aus Stan“ zu intonieren. Sie ist offen für den europäischen Markt („Wann erst alle Schweden bei mir saufen ...!“) und für die Probleme der Ökologie („Ich bitt’ euch, Burschen: Speib’n — ja, aber doch net aufs Tischtuach!“). Kurz und gut: Vritzi — eine Frau, die Österreich braucht. So oder so.

FORVM des FORVMs

Vorgeschaltete Moderation

Dieses Forum ist moderiert. Ihr Beitrag erscheint erst nach Freischaltung durch einen Administrator der Website.

Wer sind Sie?
Ihr Beitrag

Um einen Absatz einzufügen, lassen Sie einfach eine Zeile frei.

Hyperlink

(Wenn sich Ihr Beitrag auf einen Artikel im Internet oder auf eine Seite mit Zusatzinformationen bezieht, geben Sie hier bitte den Titel der Seite und ihre Adresse bzw. URL an.)

Werbung

Erstveröffentlichung im FORVM:
Oktober
1990
, Seite 21
Autor/inn/en:

Wolfgang Beyer:

Geboren 1958, Autor von Drehbüchern für Dokus und Spielfilme sowie von satirischen und kulturkritischen Beiträgen, Gestalter zahlreicher TV-Dokumentationen für ORF u. a.

Lizenz dieses Beitrags:
Copyright

© Copyright liegt beim Autor / bei der Autorin des Artikels

Diese Seite weiterempfehlen

Themen dieses Beitrags