FORVM » Print-Ausgabe » Jahrgänge 1982 - 1995 » Jahrgang 1984 » No. 361/363
Josef Dvorak • Michael Hopp • Günther Nenning • Gerhard Oberschlick
Anhang • Prolongation • Weitere 30 Jahre

Kleines Einigungsspiel

Aber Günther Nennings Umkrempelung der Torberg’schen Gründung vor etwa 20 Jahren fortführend , spielen wir vor Euch unser Einigungsspiel, mittels dessen das FORVM zuletzt inneren Gleichmut wieder bewahrte. Wir spielen darin unsere eigenen Rollen und das Spiel ist erheblich Teil unserer Leben. Die Publikation erfolgt in der chronischen Erwägung, daß Einblick in die Bedingungen der Redaktionsarbeit derjenigen Öffentlichkeit zusteht, für die sie gemacht wird.

Das schadet uns vielleicht, sicher ist ein Nutzen: Obwohl intime Weichteile wie überall je nach Eskalation tunlich geschont bleiben, entwickeln Innenkonflikte im Lichte möglicher Öffentlichkeit eine schöne Dialektik. Da jedes interne Papier als Waffe gegen den Autor sich wenden kann, wirkt schon die mögliche soziale Kontrolle durch die genauen Leser — die der Segen des FORVM sind— hübsch in Richtung Achtsamkeit, noch im hitzigsten Streit möglichst wahrhaftig, wenigstens argumentabel zu sein; sonst steht man nicht gut da vor Euch.

Warum wir uns schreiben? Vielleicht aus deformation professionelle und weil ja auch die Gespräche nicht gefeit sind vor der Niederschrift. Vertraulichkeit bleibt daher, wie überall, nur einvernehmlich gewahrt, oder aus Angst. Republikanischen Angstverzicht probt das FORVM aber schon, seit Günther Nenning 1958 hier eintrat. Alle diesmal gedruckten Texte wurden zwecks Publikation verfaßt, ausgenommen der nicht vertrauliche Brief, das übernächste Stück.

G.O.

Vorbesinnung

die linke: Eine Frage zum »Forum«. Es gibt derzeit einige Kritik daran. Früher stand es im Zentrum einer lebendigen Diskussion, heute führt es eher ein stilles, feuilletonhaftes Dasein.

Nenning: Ich sehs so ähnlich. Aber vielleicht wirds einmal anders.

die linke: Du engagierst Dich offensichtlich weniger darin. Ziehst Du Dich davon zurück?

Nenning: Naja, ich bin im Forum auf meinem Altenteil, als geschäftsführender Vizeobmann des Redakteurs- und Angestelltenvereins. Inhaltlich bin ich jetzt kaum dran. Aber ich besinne mich: vielleicht ist das falsch, vielleicht sollst was tun.

die linke
16.11.1983

Einladung zum Fest

Lieber Gerhard,

lieberweise hat mich im Nachhang zu unserer Generalversammlung Michael Hopp angerufen: ob nicht doch eine 30-Jahr-Feier gut und möglich wäre, halt in einer einfacheren, aber doch für das Blatt effektiven Form Wir machten uns aus: alle Interessierten treffen sich im FORVM am Mittwoch, 18.1.84, 20.00 Uhr, dann bleiben wir da oder gehen wohin und machen die Welt neu ...

Eigentlich schön!!
Herzlichst Dein

30.11.83
Günther

Putz Oder die Erneuerung der Welt

Liebe Leser,

aufgepaßt und unverzagt! [1] Ich bin’s nicht, wenn unten „Günther“ steht und oben: wer friedlich für den Frieden kämpft, statt mit Gewalt, ist eine „vermummte Reaktionärin“; wer aber lahm und alt ist, darf bei Gewalt für den Frieden daheimbleiben.

Ich bin’s auch nicht, wenn unten zweimal „Günther“ steht und oben zweimal eine „liebe D.“ abgekanzelt wird, ihre beiden Briefe aber bleiben ungedruckt. Ein schwaches Weib hat nichts verloren in einer richtig linken Chauvi-Diskussion über Gewalt. Wir Frauen werden Putz machen in der nächsten Redaktionskonferenz.

Ich bin’s schon gar nicht, wenn in der weiland witzigsten Zeitschrift Gesamtdeutschlands jetzt schon die Datumzeile „Kalter Herbst ’83“ als originell herhalten muß, oder gar die Umtaufe von „Bonner Regierung“ in „Bonner Reagierung“. Kein Patzerl von Günther Anders bleibt ungedruckt, dafür FORVM-Gründer Friedrich Torberg in dessen 360stem Heft unerwähnt. [2]

Aufgepaßt und unverzagt, liebe Leser! Noch einmal 30 Jahre FORVM und es ist anders.

Euer anderer Günther
14.12.83

Zynismus

Lieber Gerhard,

das kann ja nur ein böser, auch trauriger Zynismus sein, wie Du im soeben erschienenen Heft „30 Jahre FORVM“ begehst ... Ich bin kein jubiläumssentimentaler Veteran, bin ja selber erst (?!) im 20. Jahr hinzugestoßen, aber ich finde — und deshalb habe ich Günther damals nach der selbstzerstörerischen Sitzung angerufen — daß man diesen Jahrestag anders, nämlich: zukunftsorientierter — nützen sollte.

Das Heft wird zusehens nekrophil. Lauter halb- oder ganztote Autoren. Außenstehende verstehen überhaupt nicht mehr, worum es geht. Du hast eine Art FORVM-Esperanto entwickelt, das sich jedem Unvorbelasteten störrisch verschließt. Wie willst Du so Leser gewinnen? Anders ist ████ und Jegge schreibt jedes Mal dasselbe. Das Heft wirkt so, als wäre es der Stehsatz vom letzten Mal. Es wird immer blasser.

Sei so lieb, und geh nicht des Weg des Sektierers. Ich weiß, es ist schwer für das FORVM. Deshalb unsere Sitzung im Jänner. Ich freue mich.

Bussi, schöne Weihnachten & gutes Neues Jahr

Michael Hopp
12.12.1983

Lehrherr

Im FORVM wurde und wird nichts und niemand gefeiert.

Günther Nenning
FORVM № 150, 1966

Schüler

Ich bin nur von einem Thema besessen: vom Versuch, die Geschichte unserer Generation zu schreiben. „In Wirklichkeit schreibt man sein ganzes Leben nur eine Geschichte“, sagte mir einst mein Lehrherr — und übrigens auch: Narziß — Günther Nenning. Ich verstand ihn damals nicht, denn ich träumte davon, von diesem und jenem gleichermaßen schreiben zu können.

Es ist nur die nächste Windung der Schraube, die ich zuziehen möchte, bis es wehtut.

Michael Hopp
WIENER Dezember 1983

Lieber Michael Hopp,

auch wenn nicht alle Träume reiften, sollst Du nicht alles glauben, was du einmal nicht verstanden hast. Damit’s nicht zu weh tut:

Nekrophil heißt die Menschen lieben, wenn und weil sie tot sind, also das übliche Nachrufverhalten; in engem Sinne sexül gemeint. Gesamteindrücke solcher Art halte ich nicht für widerlegbar und zustimmen kann ich Dir in keinem Detail. So kannst Du mir keine besondere Freude machen, eher als lebender Autor.

Ich lade Dich ein, Deinen obigen Brief (1 Wort einvernehmlich geschwärzt) nochmal herzunehmen, Dich in die Lage des Empfängers zu denken und Dir freundschaftlich selber Antwort zu geben (das hier ist keine, weiß ich). Ich unterschreib’s dann blind und bring’s zur Post.

Dir alles Gute, Bussi keins.

Gerhard
FORVM, derzeit

P.S. Sei lieb, erzähle den Lesern das Schützenfest, das Du initiiert hast. Ich lasse alles in Deiner Fasson, vom Titel bis zum letzten Stricherl.

Satanisch

Gedächtnisprotokoll einer FORVM-Sitzung

Am 18. Jänner dieses Jahres fand in den Räumlichkeiten des FORVM eine Sitzung statt, in der — auf Anregung von Vereinsmitglied Michael Hopp — eine 30-Jahre-FORVM-Feier sowie eine eventuelle Blattreform diskutiert werden sollten. Anreger Hopp hat ein Gedächtnisprotokoll dieser Sitzung verfaßt.

Günther Nenning: Also, Michael Hopp, vielleicht könntest Du einmal kurz sagen, warum Du diese Sitzung einberufen hast ...

Michael Hopp: Mir gefällt das FORVM im Moment nicht recht. Und ich hab’ mir gedacht, ob man das bevorstehende 30-Jahr-Jubiläum nicht nützen könnte zu einer Erneuerung. Es könnte ein Fest geben, das die bisherigen 30 Jahre irgendwie behandelt, das aber nicht nur nostalgisch und retrospektiv sein soll, sondern auch Startschuß für ein 31. Jahr ... Man könnte ja behaupten: Die Zukunft des FORVM hat soeben begonnen. Ab heute ist alles neu.

Gerhard Oberschlick: Also, ich bin hier nur interessierter Gast ...

Josef Dvorak: Alles muß immer neu sein, alles muß immer neu sein ... Dieser Fetisch „neu“ ist allein schon unerträglich.

Gerhard Oberschlick: Das kommt mir bekannt vor, was der Michael sagt. „Sei neu, sei frei — lies Neue Freie Presse“ ...

Josef Dvorak: Man weiß ja, wie das ausgegangen ist! [3]

Günther Nenning: Vielleicht sollten wir uns einmal anhören, welche Vorschläge der Michael hat zu einer Blattreform.

Michael Hopp: Ich kann Euch hier keinen großen Gesamtentwurf bieten, sondern vorerst nur eine Kritik am vorliegenden Heft ... Es fängt an bei der Aufmachung der Artikel, die didaktisch katastrophal ist. Man hat das Gefühl, der Leser soll nicht informiert, sondern, er soll verwirrt werden. Und so kommt es dazu, daß viele — eigentlich interessante Texte — weit unter ihrem Wert präsentiert werden.

Josef Dvorak: „Understatement“ ist der Fachausdruck dafür ...

Michael Hopp: Ich versuche immer wieder, Leute für das FORVM zu interessieren, indem ich ihnen ein Heft in die Hand drücke — aber sie legen’s schnell wieder aus der Hand. Sie verstehen schlicht und einfach nicht, worum es da überhaupt geht.

Gerhard Oberschlick: Ich mach die Zeitung nicht für Blätterer, sondern für Leser.

Josef Dvorak: Das ist ja alles nur formal, was Du sagst. Aber was ist der Inhalt Deiner Kritik?

Michael Hopp: Ich seh’ das mehr vom Journalistischen her, weniger vom Politischen

Josef Dvorak: Vom Journalistischen! Vom Journalistischen! Wie man das Wort heute noch so unbefangen in den Mund nehmen kann!

Sanftmut ▪ körpergerecht sitzend ▪ mit Flöte

Michael Hopp: Warum können zum Beispiel die Titel und Vorspänne nicht klarer sein, warum kann ein so langer Text wie der von Friedrich Heer in der letzten Nummer nicht durch Zitate oder Hervorhebungen etwas aufgelockert werden ... Was spricht dagegen?

Gerhard Oberschlick: Die journalistische Zicke, die mach ich nicht. Nein, die mach ich nicht.

Josef Dvorak: Wir sind hier ja Gottseidank nicht bei der „Kronen-Zeitung“.

Michael Hopp: Vielleicht könnte das FORVM auch etwas aktueller und zeitbezogener ... irgendwie ist es ja immer noch eine Zeit-ung, oder?

Josef Dvorak: Den Zeitgeist, [4] den kannst Du Dir bei Deiner Zeitung behalten. Den brauchen wir hier nicht ...

Michael Hopp: Also gut, wenn ich hier gleich als Kommerzheini hergestellt werde, kann ich ja wohl nicht viel beitragen ...

Josef Dvorak: Keineswegs, keineswegs! Ich komme ja auch vom Fach, ich kenne ja das Zeitungshandwerk.

Günther Nenning: Der Dvorak ist doch gerade so ein Aktualitätsfanatiker ...

Josef Dvorak: Genau. Und Du wirst sehen, Günther, meine Todestriebgeschichte in der nächsten Nummer, welche Aktualität die bekommen wird ...

Günther Nenning: Davon bin ich überzeugt. Aber vielleicht sollten wir versuchen, doch noch von dieser Festidee zu sprechen. Wen sollten wir da einladen. Unter welches Motto sollten wir es stellen?

Josef Dvorak: Ich schlage vor: Satanismus. Ich leite einen satanistischen Arbeitskreis. Vielleicht kriegen wir auch eine Subvention dafür ...

Ungefähr zu diesem Zeitpunkt der Sitzung wurde ich müde, so daß auch meine Erinnerung nachgelassen hat.

Dem Leser dieser Zeilen sei nur mehr das Wesentliche mitgeteilt:

Musik ohne Fest

Es wird kein Fest „30 Jahre FORVM“ geben. Und es wird keine Blattreform geben. Die Mehrheit der Anwesenden hielt weder das eine noch das andere für wünschenswert oder notwendig.

Ich erinnere mich außerdem, daß während der ganzen Diskussion immer wieder ein Konflikt zwischen Nenning und Oberschlick spürbar wurde — eine Art Thronfolgertragödie, in der der nachdrängende Junge dem Alten vorwirft, er habe die Staatsgeschäfte gröblich vernachlässigt, worauf der Angegriffene erwidert, es gäbe kein Indiz, daß der Junior es besser könne und noch ein bißchen komplizierter. Ein Schauspiel, das den Außenstehenden zwangsläufig in die Rolle des Zusehers drängt.

So gegen elf bin ich gegangen. „Ermüdet aber schnell, Dein Reformeifer“ , hat mir Dvorak höhnisch nachgerufen.

Wie recht er hat. - Michael Hopp

Antwort eines halbtoten Satanisten

[Um die Hälfte gekürzt und mildernd redigiert, einvernehmlich mit dem Autor; Titel von ihm. G.O.]

Stierln im Mist, den man selbst geschissen hat, und dessen breites Auswalzen, verrät infantile Fixiertheit und kolossale Überschätzung der eigenen Person. Dokumentieren von Haxelstellen, Wadelbeißen und Zumpferlzupfen zwischen irgendwelchen Vereinsmitgliedern ist einer internationalen Zeitschrift unwürdig — noch dazu, wo dadurch Raum für wichtigere Aufsätze verloren geht. Wirklich aktuelle Themen wandern dann in den Stehsatz.

Das ist meine Kritik an Gerhard Oberschlicks Bereitwilligkeit, sich in unfruchtbare Polemiken hineinmanövrieren zu lassen, und soll die Grenze meiner Toleranz markieren. Sie ist hiemit erreicht. Ich sag’ das nicht zweimal.

Die Toleranzgrenze erprobend ▪ mit Lyra

Wenn ich dennoch auf die erbärmlichen Auslassungen Hopps verbal reagiere, geschieht dies, weil ich mich auch nicht beherrschen kann.

Die Generalversammlung vom 22. November hat durch einstimmig beschlossene Kompromisse (denen auch Hopp vorbehaltlos zugestimmt hat) versucht, den seit Jahren zwischen Nenning und Oberschlick geführten Freistilkampf zu entschärfen, und Weichen für die Zukunft zu stellen.

Hopps Briefformulierung „selbstzerstörerische Sitzung“ klingt deshalb nach enttäuschtem Wunschdenken, und soll offensichtlich seinen sogleich nach Ende der Sitzung begonnenen Alleingang rechtfertigen. Man könnte das auch „Sektierertum“ und „Intrige“ nennen. Sie gipfelte in der ominösen geselligen Zusammenkunft vom 18. Jänner, in der Gerhard Oberschlick demontiert werden sollte, was jedoch nicht gelang. Hopp war nämlich unfähig, ein alternatives Konzept vorzulegen. Hilflos verbiß er sich in Detailfragen des Layout. Sein Umherfuchteln mit dem Schlagwort „journalistisch“ konnte deshalb keinen Erfolg haben, weil diese Leerformel lediglich die Stelle konkreter Handlungsanweisungen bezeichnet. Hopp ist jedoch Chefredakteur eines anderen Blattes als des FORVM.

Der „Reformvorschlag“, in Hinkunft weniger Originalbeiträge abzudrucken, sondern französische Autoren einfach zu übersetzen, und so das Blatt zu füllen (womit auch noch Honorar eingespart werden könnte), fiel auch auf keinen fruchtbaren Boden. Ich lasse mir von einem Hopp kein Berufsverbot auferlegen. So ging der Hoppsche Vorstoß ins Leere und endete wie das Hornberger Schießen.

Michael Hopp als Ezzesgeber des FORVM macht schon deshalb keine gute Figur, weil er als Blattmacher der „Neuen Freien Presse“ seinerzeit mitbeteiligt war an der fast gelungenen Ruinierung des FORVM, das die Verluste des gescheiterten Nenning-Projektes tragen mußte. Zu einer Zeit, da der Höhepunkt der „freudo-marxistischen“ Welle (Wilhelm Reich, freie Sexualität, Kinderläden etc.) bereits überschritten war (er ist 1968 bis 1973 zu datieren), und sich die ersten Alternativen der Meditation und den grünen Themen zuwandten (ich selbst löste 1972 alle meine Therapiegruppen auf und zog ins Waldviertel), versuchte die NFP Jugendliche durch Abdruck von Pin-ups zu rekrutieren. Tatsächlich verfehlte sie jedoch ihre Zielgruppe — von den Nackerten waren nur einige Männer über vierzig angetan. Ich gehörte damals zu jenen, die vor der Realisierung dieses falschen Konzepts warnten. Leider ohne Erfolg.

Anschluß an den „Zeitgeist“ (ein Ideologem reaktionärer Kulturphilosophie, das ich nur ironisch nehmen kann) und Rekurs auf „das Lebensgefühl der 26jährigen“, Hopps Patentrezepte, sind emotionell und intellektuell reduzierend.

Josef Dvorak
Satansbraten

Spielunterbrechung

Den nächsten Beitrag bemängelt Günther Nenning: er habe mitnichten mich aufgefordert und nicht das Thema gestellt; sondern ich habe erwähnt, ich würde mich schon lange beherrschen, gegen ihn zu schreiben, worauf er sagte: „Dann mach’s doch.“ Wir stehen vermutlich vor divergierenden Interpunktionen inhaltsgleicher Erinnerung, wie sie unentscheidbar in zirkulären Streiten klassisch sind (nach Laing oder Watzlawick). Daher halte ich diese Behauptung nicht aufrecht, habe sie aber ebenso bona fide geschrieben, wie Günther Nenning sein Schlußwort, das er, vor Kenntnis meiner Replik seinem Kuli entflossen, für den Druck mir übergab.

Im Stadium der Kenntnis hat mir Günther Nenning freigestellt, das ganze Projekt zu bringen, oder Teile davon, oder es ganz zu lassen, wie ich wolle. Da eigens fürs Blatt verfaßte Beiträge von Mitgliedern des Vereins jedenfalls gebracht werden müssen und wegen der chronischen Erwägung (siehe oben die Regeln des Spiels), habe ich versucht, diese mit aller Sorgfalt fair zu redigieren, mit Zwischenbemerkungen und Zwischentiteln, 3 Wörter sind unten geschwärzt, sie beziehen sich auf nicht zur Publikation Bestimmtes im weitergehenden Streit.

Monströs

P.S. Günther Nenning, der Putz machen will, wünscht sich hier eine Darstellung seiner Beziehung zum FORVM aus meiner Feder. Treuherzig schrieb ich, eine Strafarbeit mit vorgegebenem Thema wie in der Schule, saure 12 Seiten, die ich nicht mag und hier nicht bringe, auch nicht um den Preis von Zeilengeld, deshalb:

Eine Nenning-Kritik nach meinem Sinn wäre eine Feinarbeit, die ihn würdigt nach allen Seiten, seine Widersprüche unterscheidet und eine Person kenntlich macht. Seit den „Werten der Republik“ führen wir miteinander einen monströsen Briefwechsel und Gespräche, wobei als solide Basis der Zusammenarbeit herauskam: Einigung über die derzeitige Unlösbarkeit unseres bald zwanzigjährigen Konflikts, den er seit zwei Heften stellvertretend gegen Günther Anders führt. Das stört mich, aber er kann mir keine Autoren vertreiben.

Bei diesem Stand bin ich lustlos zum publizitären Show-Gefecht, mag ich der extraforensischen Öffentlichkeit nicht die Labe bieten, aus der sie ihre kleinliche Sensation ziehen wird: im FORVM fliegen wieder die Fetzen. Ich begehre nicht, meinen Namen in den Gazetten gedruckt zu sehen und bin nicht bedürftig, mich zu irgendwelchen Zwecken deklamatorisch von Günther Nenning zu unterscheiden. Mag er dort seine Definitionsmacht gegen mich entfalten, hier kann er unterstellen was er will: Das FORVM der Leserinnen und Leser des FORVM, vor das ich mich gerne hinstellen will, beurteilt uns beide von selber und vermag es selbst wohl.

Um Günther Nennings Bedürfnis nach Abgrenzung zu bedienen, nicht meines, und hoffend, daß es seine Gefühle im Verhältnis zum profil ein wenig entkrampft, falls dieses hier wieder aufscheint, teile ich mit. daß er

  • dem Blatt seine Feder seit den Nachrufen auf Dutschke und Torberg, Jänner 1980, entzieht;
  • mit Inhalt und Gestaltung seit Mitte 1982 nichts zu schaffen hat;
  • mir seinen Ratschlag in fast allen das Heft betreffenden Fragen ohne Befassung versagt, um hinterher pünktlich und bitter zu klagen, daß ich es nicht in seinem Sinne mache.

flugfähig

Das ist eine Belastung. Als es noch eine Redaktion gab, wußte Günther Nenning sie stets zu teilen und zu beherrschen. Als vertraglich [5] und faktisch Alleinredigierer bin ich nicht teil- noch beherrschbar, flugfähig schon. Bis dorthin begehre ich ungekränkt hier meine Arbeit zu tun.

Dreibein ohne Lehne ▪ sehr urbanes Sitzvergnügen

Selbst werfe ich kein Handtuch und keine Flinten in Körner; schade um das Korn.

günstig

Es tut mir leid, keine bessere Nachricht zu haben, die ich durch die Erklärung ergänze, daß ich das FORVM durch Kollision seiner Interessen mit denen eines profil-Kolumnisten und ████████ hier behindert finde, aber damit leben kann. Drum schenke ich mir jetzt den gröberen Rest und überlasse Nenning seiner fahrlässigen Selbstdarstellung, von mir aus auch mich.

Auf Geheiß des Phäakischen Königs Alkinoos schenkte dem listenreichen Odysseus, nachdem sie sich balgten, der gute & liebe Euryalos sein erzen/silber/elfenbeinernes Schwert als Friedensgeste, worauf im Olymp der Götter homerisch’ Gelächter erschallt’, was der Ithakerkönig als untrügliches Zeichen für günstige Winde zu verstehen wußte. 8. Gesang 349 al fine.

G.O.

Vorwärts nach Sarajewo zurück

Liebe Leser,

Euer Eindruck stimmt, Ihr blickt in einen Abgrund. Im FORVM wird gestritten auf Mord und Brand. Franz Ferdinand Oberschlick, 41, will sein Erbe endlich antreten, Franz Josef Nenning, 63, zögert. War das NEUE FORVM eine Zeitschrift, gegen die das alte FORVM gegründet wurde (definierte Torberg), so das neueste FORVM eine Zeitschrift, die gegen mich gegründet wurde.

Oberschlick hat recht. Ich schädige das FORVM außer durch die von ihm inkriminierten partei- und inseratenfeindlichen Aktivitäten auch noch durch Verbreiten von Thesen wie: Sozialismus ist nicht Fortsetzung des materiellen Größenwahns, sondern Wiederanschluß des Menschen an die Natur, Kampf um Schönheit, Wiederverzauberung der Welt. Kein aufgeklärter Geist verkiefelt so reaktionäres Blabla, sondern es muß ihn an Faschismus erinnern.

Bissel recht hab aber auch ich. Als ████ geschäftsführender Vizeobmann des genossenschaftlichen Vereins der Redakteure und Angestellten des FORVM führe ich dieses so, daß jeder drin darf, vor allem gegen mich.

Mein weiblicher Schutzgeist steckte mir hinter den Badezimmerspiegel einen Zettel:

„Dem lieben Günther alles Gute zur 25. Tendenzwende.

Der Wind bläst, wo er will, und du hörst sein Sausen wohl; aber du weißt nicht, von wannen er kommt und wohin er fährt. Also ein jeglicher, der aus dem Geist geboren“ (Johannes 3,8).

G.N.

[1Siehe FORVM Dezember 1983, S. 5f. -N

[2Ebenda, S. 6, genau wie diesmal im Vorspann, es war aber nicht sein 360. -O.

[3Die „Neue Freie Presse“ erschien ab 1973 im Verlag des FORVM als unorthodoxe Jugendzeitschrift. Michael Hopp war zeitweilig ihr leitender Redakteur. 1975 mußte sie wegen finanzieller Schwierigkeiten eingestellt werden. M.H.

[4Die Zeitschrift »Wiener«, deren Chefredakteur Michael Hopp heute ist, trägt den Untertitel „Zeitschrift für Zeitgeist“. M.H.

[5*Gemäß Nennings Brief vom 17. Juli 1982:

„Lb. Gerhard, MiSi geht zum profil.
Entweder 1) wir stellen ein oder 2) Du machst weiter. Ich bin für 2) Du sammelst Autoren, Artikel, hast Ideen usw.
Dafür können wir Dich pro Heft honorieren ... JEZ GEZ UM DI WURŠT!
Glückauf G.“

Das wurde durch konkludentes Weitermachen wirksam und durch Einigung übers Honorar (50 % der vorherigen Kosten; da ich aus der einnahmenseitigen Verlagsleitung Einkünfte erhalte). Ich rechnete, wegen unbekannt und schwerer Schreibhand, mit dem Verlust von 10 bis 25 % der Leser — sie waren aber nachsichtig und haben sich per Flüsterpropaganda sogar um Promille vermehrt.
Danke.

An den Vertrag halte ich mich; die schwach sinnige Blattlinie „links von der Mitte“ (Impressum) ist keine Behinderung; Nebenabreden kenne ich nicht, mit einer Ausnahme: Vulgärausdrücke für Geschlechtsteile und -handlungen sollen, gemäß Anweisung an MiSi (ex 1976), nicht ins Blatt — das habe ich damals belustigt mitunterschrieben, weil’s mir wuršt war.

GO.

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Erstveröffentlichung im FORVM:
März
1984
, Seite 58
Autor/inn/en:

Gerhard Oberschlick:

Herausgeber der Print-Ausgabe des FORVM 1986-1995 und der Online-Ausgabe hier.

Josef Dvorak:

Jahrgang 1934, gelernter Theologe und Tiefenpsychologe. Langjähriger Gerichtsreporter und außenpolitischer Redakteur bei Tageszeitungen, von 1973 bis 1995 Mitglied der Redaktion des FORVM. Er ist heute freier Forscher und Publizist und beschäftigt sich vor allem mit der Geschichte der Psychoanalyse, des Okkultismus und ideologischer Minderheiten.

Günther Nenning:

Geboren 1921 in Wien, gestorben 2006 in Waidring. Studierte Sprachwissenschaften und Religionswissenschaften in Graz. Ab 1958 Mitherausgeber des FORVM, von 1965 bis 1986 dessen Herausgeber bzw. Chefredakteur. Betätigte sich als Kolumnist zahlreicher Tages- und Wochenzeitungen sowie als Moderator der ORF-Diskussionsreihe Club 2.

Michael Hopp:

Jahrgang 1955, betreute als Jungredakteur die im Verlag des NEUEN FORVMs 1971-1973 erschienene Neue Freie Presse. Journalist, Autor und Chefredakteur („Wiener“, „Cash Flow“, „Männer Vogue“, „TV Movie“), bevor er sich 2009 mit dem Redaktionsbüro Hopp und Frenz selbständig machte. Im Corporate Publishing arbeitete Hopp für „Deutsche Bahn“, „Deutsche Post“ und im Auftrag von Hoffmann & Campe Corporate Publishing für RWE, BMW, T-Systems, United Grinding, den Autozulieferer ZF Friedrichshafen, den Geschäftsbereich „Mobility and Infrastructure“ der Messe Frankfurt und andere.

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